# taz.de -- Kunsthaus Tacheles: Eine Idee geht auf Reisen
       
       > Mit mobilen Ateliers wollen Tacheles-Künstler neue Freiräume und ein
       > Netzwerk für die Szene schaffen.
       
 (IMG) Bild: Am alten Tacheles geht so gut wie nichts mehr. Bild vom März.
       
       Der Ort hat nichts von der gepflegt-chaotischen Wildheit des Tacheles: Der
       Rasen ist akkurat gestutzt, die Kiesel auf den Wegen schimmern weiß. Hier
       und dort steht sorgsam choreografiert eine schmiedeeiserne Skulptur, der
       Kieselsteinpfad führt zu einem kleinen Container, in dem weitere Figuren
       aus Metall stehen. Und doch befindet sich in dem sauber aufgeräumten,
       lichten Hinterhof des Hotel & Hostels Plus am Warschauer Platz unweit der
       Oberbaumbrücke so etwas wie die derzeitige Außenstelle des von der
       Zwangsräumung bedrohten Kunsthauses an der Oranienburger Straße:
       Samstagabend eröffnete hier die Künstlerinitiative Art Pro Tacheles mit
       einer Vernissage von zwölf KünstlerInnen – die meisten von ihnen in der
       Metallwerkstatt des Tacheles beheimatet – das Mobile Atelier Project
       (M.A.P.).
       
       Mit den mobilen Ateliers will die Initiative der KünstlerInnen, die noch in
       der unter Denkmalschutz stehenden Ruine verblieben sind, ein Netzwerk für
       die alternative Kunstszene schaffen. Überall in der Stadt sollen dadurch
       offene Ateliers und Freiräume für Künstler entstehen, auch Kurse in Malerei
       oder Metallgestaltung sollen angeboten werden. „Die Tacheles-Idee soll sich
       multiplizieren“, sagt Mitinitiator Hüseyin Arda. Das Friedrichshainer
       Hostel soll nun der erste Multiplikator sein, der Container hier für ein
       Jahr stehen.
       
       „Das Tacheles kann überall sein“, sagt Graziano Distefano und lässt seinen
       Blick über den Rasen wandern: Eine riesige Pferdeskulptur, zusammengefügt
       aus Eisenstreifen, steht vor der Glaswand der Hostelrezeption, eine
       metallene Wolfsfigur scheint die untergehende Abendsonne anzuheulen. Der
       Maler und Metallkünstler arbeitet seit zwei Jahren im Tacheles. Im
       M.A.P.-Container im Hostelgarten hängen zwei Gemälde von ihm. „Man kann
       vielleicht einen Ort verlieren, aber nicht die Idee, die dahintersteht.“
       
       Die Streit ums Tacheles ist verfahren. Ende März hatten Anwälte der HSH
       Nordbank, die das Gebäude zwangsverwaltet, das Haus durch eine private
       Securityfirma gewaltsam räumen lassen. Das Berliner Landgericht ordnete per
       einstweilige Verfügung an, das Tacheles wieder an die Künstler
       zurückzugeben und sprach von „verbotener Eigenmacht“ seitens der Anwälte.
       
       Martin Reiter, Vereinsvorstand von Tacheles e. V., wertet das als
       Etappensieg. Am Freitag habe man Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos)
       einen Brief geschrieben: „Wir fordern, dass die Stadt Berlin das Tacheles
       von der HSH zurückkauft. Die Stadt muss jetzt ausnutzen, dass wir Künstler
       als wertmindernd für Investoren gelten.“ 15 Millionen Euro nennt Reiter als
       Kaufsumme. Dafür solle die Stadt „die Premiumlagen“ an Friedrichstraße und
       Oranienburger Straße an private Investoren veräußern. Das kleine Grundstück
       des Kunsthauses – ein Bruchteil der Gesamtfläche – soll nach dem Willen der
       Künstler im Gegenzug in eine öffentliche Stiftung mit Erbpachtrecht
       überführt werden und so als künstlerischer Freiraum erhalten bleiben.
       
       Der Graben zwischen Zwangsverwaltung und Künstlern ist ein Problem, der
       innerhalb der Künstlergruppen im Tacheles ein anderes. Einige Mieter hatten
       sich für hohe Summen aus dem Tacheles herauskaufen lassen. Noch immer
       unklar ist, wer als Geldgeber im Hintergrund agiert.
       
       Gar nicht weit vom M.A.P, in der Rinkartstraße im benachbarten Treptow,
       eröffnet Kemal Cantürk, ein Tacheles-Besetzer der ersten Stunde, am 28.
       April das alternative Kunsthaus Treptopolis. 60.000 Euro bekam er für
       seinen freiwilligen Auszug. Gegenseitig wirft man sich wahlweise einen
       „diktatorischen Führungsstil“ (Cantürk) oder Käuflichkeit (Reiter) vor.
       Dass er, Cantürk, das Tacheles im Stich gelassen hätte, kann der Künstler
       allerdings nicht sehen. „Das Tacheles ist doch nur noch Kommerz – ich lasse
       die ursprüngliche Idee des Tacheles an einem anderen Ort wieder aufleben.
       Und die Besitzverhältnisse sind hier klar.“
       
       Auf der M.A.P.-Vernissage mischen sich auch Hostelgäste unter die Besucher:
       Eine Gruppe reiferer Punks aus England greift die letzten gefüllten
       Cocktailtomaten vom Buffet ab, ein ebenfalls britischer
       Junggesellenabschied begutachtet kichernd die ausgestellten Objekte im
       Container. Vom Streit ums Tacheles haben sie noch nie gehört.
       
       15 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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