# taz.de -- „Welt“-Vorwürfe gegen Wallraff: Alle Jahre wieder
       
       > Die Geschichte ist zwar mehr als dünn, doch Springer legt nach: Laut
       > „Welt“ betreibt Günter Wallraff mit seinen journalistischen
       > Arbeitsmethoden „klassische Agententätigkeit“.
       
 (IMG) Bild: „Gestatten, Wallraff – Günther Wallraff. Agent 00 Wallraff, geschüttelt, nicht gerührt.“
       
       Dass mancher bei Axel Springer die „DDR“ leicht überschätzt und vor allem
       der Stasi zutraut, für alles Schlechte dieser Welt verantwortlich zu sein
       und bei den „Linken“ sowieso stets die Finger mit drin zu haben, ist ein
       alter Hut.
       
       Genauso wie der, dass auch ein Mensch und Journalist wie Günter Wallraff
       nicht alles alleine schafft und mit Mitarbeitern zusammenarbeitet. Sich –
       manchmal – auch mit ihnen überwirft, und darüber nicht ganz so gerne redet.
       Auch die Stasi hatte Mitarbeiter, inoffizielle zumal. Was aber nicht heißen
       muss, dass diese beiden Erkenntnisse unter einen Hut gehen.
       
       Die Welt versucht es dennoch, zehn Tage vor der großen Sause zu Axel
       Springers Hundertstem soll Wallraff nun zur Strecke gebracht – pardon: soll
       über die „Ikone des bundesrepublikanischen Journalismus“ (Welt am Sonntag)
       aufgeklärt werden.
       
       Das Ganze startet mit einem B-Movie-tauglichen Einstieg im
       CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia: „Langley, Virginia. Es regnet, der
       Wind weht steif an diesem Frühlingsmorgen, der Himmel ist verhangen. Ein
       grauhaariger Mann im dunklen Anzug und weißen Hemd geht durch den
       Empfangssaal, sein Schritte hallen ...“ Und zwar offenbar bis ins Hirn der
       Welt-Kollegen. Alles raunt bedeutungsschwanger.
       
       ## Dünne Belege
       
       Allein, die Belege bleiben so dünn wie zuvor: Wallraff ist von der Stasi
       als IM der Kategorie „A-Quelle“ geführt worden, was für „Abschöpfen“ steht,
       und kein Beleg dafür ist, dass die Abgeschöpften von ihrer Karteikarte
       wussten. Das ist auch nicht neu, genau so wenig, dass Wallraff stets
       jeglichen Stasi- und sonstigen geheimen Dienst dementiert hat.
       
       Auf vier Seiten zelebrierte die WamS am 23. April dennoch die Tatsache,
       dass nun ein Mitarbeiter an Wallraffs Buch „Ganz unten“ von 1988 IM gewesen
       sein soll. Der Mann schweigt, Wallraff sagt, er wisse von dem Verdacht erst
       seit der Wende. Und geradezu rührend fragt die Welt: „Kam Ali aus
       Ost-Berlin?“
       
       Klar, möchte man da rufen: Die beschissenen Zustände für Leiharbeiter in
       der deutschen Industrie, die Fremdenfeindlichkeit, und selbst die Tatsache,
       dass damals die Bild-Zeitung noch locker über vier Millionen Exemplare
       verkaufte – alles von Mielkes Mannen ferngesteuert.
       
       ## „Klassische Agententätigkeit“
       
       Doch bei Springer nimmt man, allen verbalen Entspannungsversuchen des
       Konzernchefs Mathias Döpfner zum Trotz, derlei weiter für bare Münze. Und
       kolportiert noch mal das Stasi-Gerücht, nach dem Wallraff selbst CIA-Agent
       hatte werden wollen, weil es so schön zum bedeutungsschwangeren Einstieg
       passt.
       
       Am 23. April legt dann Welt-Gruppenchefredakteur Jan-Eric-Peters per
       Kommentar nach. „Auch wenn Wallraff bis heute jede aktive Zusammenarbeit
       abstreitet, die Indizien sind erdrückend und kein vernünftiger Mensch, der
       den Fall genauer kennt, zweifelt ernsthaft an Wallraffs
       Geheimdienst-Verstrickungen“, schreibt Peters über die Welt-„Enthüllung“.
       Und: „Wahrscheinlich ist 'wallraffen' in Wahrheit vor allem eines:
       klassische Agententätigkeit.“
       
       Warum sich bei Springer eigentlich immer wieder Chefredakteure für
       klassische Knallchargentätigkeit hergeben, wüsste man schon gerne. Und was
       einen dann auch noch interessieren würde: Wie nennt man eigentlich
       Mitarbeiter von Bild-Redaktionen wie der in Köln, wohin im November 1976
       Wallraffs Telefonate zum Mithören umgeleitet wurden? Und dass kein
       vernünftiger Mensch, der den Fall genauer kennt, ernsthaft daran zweifeln
       kann, dass das wahrscheinlich nicht ganz zufällig geschah?
       
       23 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rechtsanwalt
       
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