# taz.de -- Marvel-Comicverfilmung „The Avengers“: Wer fürchtet sich vor Thors Hammer?
       
       > Noch so eine Suche nach dem heiligen Gral: Die Comicverfilmung „The
       > Avengers“ hätte der Beginn einer „Herr der Ringe“-Saga für den
       > Marvel-Kosmos werden können. Hätte.
       
 (IMG) Bild: Der große Samuel L. Jackson, der doch den Laden zusammenhalten soll, wirkt unmotiviert.
       
       Natürlich ist es albern, mit einem Superheldenkostüm in der Moderne
       herumzufliegen. Dennoch konnte man mit Superheldenfilmen zuletzt viel Spaß
       im Kino haben, und zwar am meisten Spaß mit Filmen, die um diese
       Lächerlichkeit wussten. Die jeweiligen Strategien, wie die Macher mit ihr
       umgingen, waren schließlich Teil des Spiels.
       
       Bei „Spiderman“ setzten sie auf Selbstironisierung, Charme und die
       Heldenbedürftigkeit des Alltags: Im Grunde musste man schon Superkräfte
       haben, nur um sich hier und heute halbwegs als Individuum durchzuschlagen.
       „Batman“ setzte auf einen gesteigerten Fetischcharakter (die Maske!, die
       Flügel!) und auf eine Motivation durch frühkindliche Traumata. Bei „Iron
       Man“ ging es um die offensiv ausgestellte Unverfrorenheit der
       Wunscherfüllung, bei den „X-Men“ um einen durch Holocaustmotive
       aufgeladenen Diskurs um Selektion und Außenseiterdasein.
       
       Nennen kann man auch den großartigen Animationsfilm „The Incredibles“; er
       zeichnete die Kleinfamilie als Bande von Superhelden. In all diesen Filmen
       taucht das Superheldische also als Code auf, als Schema, um Geschichten
       über sehr alltägliche Gefühle der Überforderung, des Ausgegrenztseins, aber
       auch der Macht, man selbst zu sein, erzählen zu können.
       
       Bei „The Avengers“, der nun in die Verwertungsketten von den Multiplexen
       bis hin zu den Plastikfiguren eingespeist wird, liegt der Fall anders.
       Offenbar gab es im Vorfeld die Spekulation, dass inzwischen der Boden
       bereitet ist, um die Parallelwelt des Marvel-Universums selbst, also ohne
       oder nur mit wenig Anbindung ans Alltägliche, in den Mittelpunkt zu
       stellen. Flankierend soll Fans und Neugierigen dazu schmackhaft gemacht
       werden, dass die bisherigen Superheldenfilme nur Vorarbeiten waren. Die
       Verfilmung der klassischen „Avengers“-Comicreihe stelle, so heißt es in
       einschlägigen Interviews, so etwas wie den „heiligen Gral“ der
       Beschäftigung mit dem Superhelden-Thema dar. Aber wie es mit Gralssuchen im
       postsäkularen Zeitalter halt ist: Man würde sich eigentlich nur wundern,
       wenn sie tatsächlich klappen würden.
       
       Diesmal klappt sie mal wieder nicht. Man sieht als Zuschauer durchaus die
       Absicht, die Marvel-Welt rund um Iron Man, Captain America, Hulk, Thor und
       wie sie alle heißen mit großen Schauwerten in ihr Recht zu setzen. Und
       manchmal scheint tatsächlich auf, was aus diesem Film hätte werden können:
       der Beginn einer „Herr der Ringe“-Saga für den Marvel-Kosmos. An
       aufwändigen Spezialeffekten und darüber hinaus auch an
       Sonderspezialeffekten wie Scarlett Johansson in schwarzer Lederkluft oder
       dem lustigen Grimassieren von Robert Downey Jr. lässt es diese Produktion
       auch nicht fehlen. Allerdings an der Inspiriertheit, sie in Szene zu
       setzen.
       
       ## Uninspiriert
       
       Der fliegende Flugzeugträger der geheimen S.H.I.E.L.D.-Organisation sieht
       hier genauso großartig aus, wie es die gleitenden Alien-Drachen tun, mit
       denen sich die Superhelden untereinander Identität stiftend im finalen
       Showdown auseinander setzen müssen. Aber schon wie Manhattan dabei mal
       wieder in Schutt und Asche gelegt wird, wirkt bei dem Regisseur Joss Whedon
       austauschbar. Und zwischendurch wundert man sich immer mal wieder, was
       einem als aufgeklärter Zuschauer im Ernst zugemutet wird: Manchmal scheint
       es fast so, als solle man sich tatsächlich vor Thors Hammer oder einem
       Szepter mit einem blauen Britzeln an der Spitze fürchten. Tut man aber
       nicht, jedenfalls nicht von sich aus. Man muss schon dazu gebracht werden.
       Und das wird man eben nicht.
       
       Dass sie die einzelnen Charaktere nicht ernstnehmen, wollten sich die
       Filmemacher nicht nachsagen lassen. Bei ihrer Vorstellung gibt sich der
       Film viel Mühe. Am lustigsten ist das bei Hulk. Aber was vollends nicht
       funktioniert, sind die verbindenden Elemente. Der große Samuel L. Jackson,
       der doch als Chef von S.H.I.E.L.D. den Laden zusammenhalten soll, wirkt
       unmotiviert; da gibt in der realen Welt ein Motivationszampano wie Jürgen
       Klopp mehr Reibungspunkte her. Und der Bösewicht ist zwar hübsch bei
       Shakespeare geklaut, leidet aber darunter, dass man von Anfang an eher
       Mitleid mit ihm hat (Adoptionskind!) als Angst vor ihm.
       
       Da waren Willem Dafoe in „Spiderman“, Jeff Bridges in „Iron Man“ und Heath
       Ledger in „Batman“ andere Kaliber. Und dass am Schluss alles auf eine gute,
       alte Invasion durch Außerirdische hinausläuft, macht den Handlungsbogen
       nicht origineller.
       
       Vor allem aber auf das Grundproblem des Unternehmens, Superhelden im halben
       Dutzend auftreten zu lassen, findet der Film keine Antwort. Wenn sie allein
       sind, kann man ihre Zerrissenheit zeigen. Wenn sie zu zweit sind, kann man
       sie gegeneinander antreten lassen. Aber letztlich: Wovor soll man als
       Zuschauer schon wirklich Angst haben, wenn eh alle Superhelden auf der
       Seite des Guten stehen! Als Individuen sind einem die Superhelden einfach
       näher.
       
       „The Avengers“. Regie: Joss Whedon. Mit: Robert Downey Jr., Cris Evans,
       Samuel L. Jackson, Scarlett Johansson u.a. USA 2012, 142 Min.
       
       25 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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