# taz.de -- Lobbyisten auf dem Piratenparteitag: Die Wirtschaft braucht Piraten
       
       > Ob Bauern oder Krankenversicherer: Lobbyisten und Verbandsvertreter
       > entdecken die Piraten. Nicht nur auf deren Parteitag.
       
 (IMG) Bild: Sich vernetzen! Immer mehr Lobbyisten würden das gerne mit den Piraten tun.
       
       NEUMÜNSTER taz | Die Stimmung unter den zwei Herren vom Verband der
       privaten Krankenversicherung ist munter. Sie sitzen im Taxi auf dem Weg in
       die Holstenhallen in Neumünster. „Referent für Parlaments- und
       Regierungsfragen“ steht auf der blau-weißen Visitenkarte des einen,
       „Pressereferent“ auf der des anderen. Die blaue Umhängetasche, die der Mann
       trägt, ist das Werbegeschenk eines Pharmariesen. „Wenn es um neue
       politische Kräfte geht, dann muss man früh dabei sein“, sagen sie.
       
       Am Wochenende sind sie daher gleich zu zweit gekommen, „um mit den Piraten
       ins Gespräch zu kommen, um einordnen zu können, was das für Typen sind.“
       
       Bürgerversicherung oder freie Kassenwahl? Noch lässt sich auf die künftige
       Ausrichtung der jungen Partei vielleicht Einfluss nehmen. Zwei
       Gesprächstermine haben die Lobbyisten dazu vermittelt bekommen – mit einem
       Piraten, der sich um Gesundheitspolitik kümmert und einem, der Sozialthemen
       bearbeitet. „Das ging viel unkomplizierter als bei der CDU.“ In Neumünster
       zählen die beiden Lobbyisten noch zur politischen Avantgarde unter den
       Interessenvertretern. Laut Parteisprecher Christopher Lang blieben sie am
       Wochenende die einzigen Wirtschaftsvertreter, die zu Besuch waren.
       
       Doch so langsam entdecken Lobbyisten die Piratenpartei als neue politische
       Kraft. Am Sonntag sagte auch der Präsident des Bundesverbands der Deutschen
       Industrie, Hans-Peter Keitel, im Deutschlandfunk, sein Verband stünde den
       Piraten zu Gesprächen zur Verfügung.
       
       Durchaus mit Grund: In ihrem Grundsatzprogramm tritt die Partei etwa für
       die Abschaffung von Zwangsmitgliedschaften von Unternehmen in Verbänden wie
       der Industrie- und Handelskammer ein. In Nordrhein-Westfalen gilt dieser
       Punkt als Trennungslinie zwischen den Piraten und einer möglichen
       Kooperation mit Rot-Grün.
       
       Bei der Partei mehren sich daher im Moment die Gesprächswünsche von
       Verbandsvertretern, wie Piratensprecher Lang sagt. Weil die Partei klar
       Position gegen Gentechnik und für schonenende Agrarwirtschaft bezieht, gebe
       es ein starkes Interesse von bäuerlichen Gemeinschaften - und auch
       Polizeigewerkschafter seien schon auf die Partei zugekommen. „Solange wir
       unsere Entscheidungen weiterhin eigenständig, transparent und reflektiert
       fallen, ist das auch völlig legitim. Letztlich muss jede gesellschaftliche
       Gruppe eine Zielgruppe für uns sein“, sagt Lang dazu.
       
       Er sieht das zunehmende Interesse der Lobby ganz locker: „Wir sind derzeit
       in Prognosen die drittstärkste politische Kraft in Deutschland – was bleibt
       denn da anderes übrig als mit uns zu reden“.
       
       Martin Kaul berichtet für die taz über die Piraten und twittert unter
       [1][@martinkaul].
       
       29 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/#!/martinkaul
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Piraten-Parteitag in Neumünster: Pragmatisch, offen und professionell
       
       Deutlich gegen rechts außen, ansonsten ruhig und sachlich. Auf ihrem
       Bundesparteitag haben die Piraten gezeigt, dass sie sich
       professionalisieren.
       
 (DIR) Bernd Schlömer ist neuer Piraten-Vorsitzender: Der Pirat aus dem Ministerium
       
       Der bisherige Vizevorsitzende Bernd Schlömer setzt sich beim
       Piratenparteitag in Neumünster gegen den Amtsinhaber durch. Der 41-Jährige
       ist Referent im Verteidigungsministerium.
       
 (DIR) Bundesparteitag der Piraten: „Saalflucht“ gegen rechts
       
       Auf dem Parteitag in Neumünster tragen die Piraten einen Richtungsstreit
       aus. Der linksliberale Berliner Verband fordert den Bundesvorstand heraus.
       
 (DIR) Aufmarsch in Neumünster: Sitzen gegen Nazis
       
       Die rechtsextreme NPD will am 1. Mai in Neumünster als zentrale
       Wahlkampfveranstaltung aufmarschieren. Ein Bündnis ruft zu Sitzblockaden
       auf.