# taz.de -- Kommentar Energiewende: Ein Rückfall in alte Zeiten ist unmöglich
       
       > Viel wurde geredet, dann viel besprochen. Derzeit geht die Energiewende
       > ein wenig zu schnell voran. Das Energiesystem steht vor Problemen, ist
       > aber kein Desaster.
       
       BERLIN taz | Vor einem Jahr hat die deutsche Regierung eine Reihe Gesetze
       beschlossen, die gemeinhin als „Energiewende“ bezeichnet werden. Eigentlich
       Blödsinn, die Regierung hat lediglich beschlossen, die Laufzeit von
       Atomkraftwerken nun doch nicht zu verlängern. Sonst hat sie nichts getan,
       was nicht schon beschlossen war. Sie hat keine neuen Ziele für den Einsatz
       erneuerbarer Energien ausgegeben, keine neuen Förderprogramme beschlossen.
       
       Wo also steht Deutschland bei der Energiewende? Betrachtet man die Sache
       als ein Projekt, an dem ernsthaft bereits seit einem Jahrzehnt gewerkelt
       wird, sehr gut. Es gibt Versäumnisse, eine Menge sogar. Die Stromnetze
       müssen umgebaut und erweitert werden, es braucht mehr Stromspeicher. Das
       Erstaunliche daran ist allerdings: Diese Probleme werden nicht deshalb so
       akut, weil die Energiewende zu langsam vonstattenginge, sondern weil sie
       überraschend schnell geht.
       
       Regenerative Energien sind binnen kürzester Zeit zum zweitwichtigsten
       Stromlieferanten in Deutschland geworden. Das größte Problem ist: Der
       Ausbau von Wind- und Solarkraft verläuft schnell – zu schnell für das
       Energiesystem als Ganzes. Das ist nicht auf dieses Tempo vorbereitet. Das
       liegt daran, dass trotz aller Lippenbekenntnisse die Sache mit dem grünen
       Strom ein Zubrot war, nie eine ernsthafte Alternative.
       
       Die großen Energieversorger dieses Landes zum Beispiel, die zwar in den
       letzten Jahren anfingen, vor allem in Windparks auf dem Meer Geld zu
       investieren. Sie versuchen damit Renditemöglichkeiten zu realisieren und
       das als grünes Engagement zu verkaufen. Den Umbau des Energiesystems als
       Ganzes ernsthaft in Erwägung gezogen haben sie nie. Warum auch, wenn das
       alte für Milliardenerträge sorgt. Wenn jetzt Frank-Walter Steinmeier die
       Energiewende der Regierung als „Desaster“ bezeichnet, kann man der alten
       Ruhrkohlepartei SPD zu so viel Heuchelei nur gratulieren.
       
       Insofern ist doch etwas dran an der Energiewende im vergangenen Sommer: Sie
       hat ein klares politisches Signal gesetzt, dass es eine neue
       Energieversorgung geben soll. Die wirtschaftliche Dynamik, die dadurch
       entsteht, macht einen Rückfall in alte Zeiten unmöglich. Die Aufgabe
       allerdings ist eine für die nächsten beiden Generationen. Nach einem Jahr
       ein Fazit zu ziehen, macht deshalb wenig Sinn. Deutschland steht noch ganz
       am Anfang der besten nationalen Aufgabe, die es sich je gesetzt hat.
       
       2 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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