# taz.de -- Alemannias Kampf um die 2. Liga: Angst beim Besten der Zweitbesten
       
       > Beinahe pleite und ohne erkennbare Perspektive geht Alemannia Aachen in
       > den Kampf um den Relegationsplatz. Am Sonntag geht es im Stadion um
       > alles.
       
 (IMG) Bild: Alemannia Aachen darf nach dem Sieg gegen Karlsruhe vorerst in der 2. Liga bleiben.
       
       AACHEN taz | „Es ist, als geht man zu seiner eigenen Beerdigung“, meinte
       ein Fan beim Kauf seines vorläufig letzten Zweitligatickets vergangenen
       Sonntag gegen Karlsruhe. Der Exitus wurde verschoben, Alemannia gewann 1:0
       nach leidenschaftlichem Fight, aber einer erneuten spielerischen
       Nullleistung.
       
       „Aus dem Spiel ist uns wenig gelungen“ (Trainer Ralf Aussem) – endlich mal
       ein ehrliches Bekenntnis im Verein der Selbstblender. Immerhin waren alle
       sehr erleichtert, dass der Abstieg in die 3. Liga nicht daheim passierte –
       da drohte Randale einer tief frustrierten Fanschaft.
       
       Am Sonntag steht das zweite Endspiel bevor: Aachens Rumpelkicker müssen bei
       1860 München gewinnen. Gleichzeitig darf der KSC Aufsteiger Eintracht
       Frankfurt nicht besiegen. Nur dann hätte sich Alemannia in die Relegation
       gerettet. Ansonsten stürzt der Erste der ewigen Zweitligatabelle in die
       Bedeutungslosigkeit von Liga 3, falls man dort eine Lizenz bekommt. Sonst
       hieße es Regionalliga oder Komplettaufgabe.
       
       Der 17. Mai 2008 darf als Auslöser für den Niedergang gelten. Drei Männer
       in dunklen Anzügen unter gelben Helmen warfen synchron je ein Häuflein
       Muttererde in den grauen Himmel. Das waren die ersten Spatenstiche für den
       neuen Tivoli durch Geschäftsführer Kraemer, Bauunternehmer Hellmich und
       Ex-Oberbürgermeister Linden. Alemannia hatte womöglich begonnen, das eigene
       Grab zu schaufeln.
       
       ## Das seelenlose Stadion
       
       Das seelenlose, überdimensionierte und fehlkonstruierte Stadion erwies sich
       bald als selten halb voller Stimmungstöter. Vor allem hatte sich der Klub
       auf grotesk hohe Zinsen und Tilgungsraten eingelassen. Fast fünf Millionen
       per annum lassen wenig Spielraum für einen wettbewerbsfähigen Kader.
       Zweimal drohte seitdem die Insolvenz.
       
       Zuletzt wurde im großen Stil umgeschuldet, Banken lenkten ein, Stadt und
       Land bürgen achtstellig. Baustellen blieben: Nebengebäude des Stadions sind
       bis heute nur eingezäunte, rottende Rohbauten, Folgen eines langen Streits
       mit der Hellmich-Gruppe. Trainingsplätze sind fast drei Jahre verspätet
       fertig geworden, Funktionäre zerstritten.
       
       Ohne Geld kann man schwer in Personal investieren. Und so danebengegriffen
       wie Aachen hat kaum mal wer. Ein halbes Dutzend Billigspieler erwiesen sich
       als Vollflops. Der Sprinter und Kaumfußballer David Odonkor war teilweise
       nicht mal im Kader. Spiel um Spiel gab es gejoggte Angriffe ohne Elan, kaum
       Emotion und Hingabe.
       
       Alle im Klub waren blind: Trainer Friedhelm Funkel lobte ein halbes Jahr
       lang das Potenzial des Teams und redete noch jede Grauensvorstellung schön.
       Kaum im März entlassen, erklärte er den Kader für weit überschätzt. Funkel
       setzte fatal auf Benny Auer, 31, den langsamsten Stürmer im bezahlten
       Fußball.
       
       ## Abschied von Meijer
       
       Sportchef Erik Meijer war immer sakrosankt. Nach den Missgriffen beim
       Spielerkauf kamen der überstürzte Rauswurf des Trainerduos Hyballa/van der
       Luer und die ungeliebte Funkel-Verpflichtung. Bas Sibum, ein Herzenseinkauf
       von Meijer gegen alles Scouting-Abraten, machte die Klubfreunde mit seinem
       hölzernen Stil und einer hohen Fehlpasssicherheit sogar aggressiv. Erst
       Interimscoach Ralf Aussem warf ihn aus dem Team. Vergangene Woche musste
       Meijer seinen Abschied zum Saisonende erklären.
       
       Viele der Fans scheinen ihre Spieler mittlerweile zu hassen. Und sie
       prügelten sich mehrfach untereinander, mal auswärts im Gästeblock, bis die
       staunende Polizei sie trennte. Es waren groteske, ekelhafte Szenen. Die
       aggressive Gruppe der Ultras („Karlsbande“) ist von Neonazis unterwandert.
       
       Die Stimmung schwankt zwischen hoffnungslos, zynisch und fatalistisch. Wenn
       die Aachen-Münchener so niedlich im Fernsehspot wirbt „Mit Geld spielt man
       nicht“, weiß der Aachener, warum: Die haben es seit Jahren als Hauptsponsor
       lieber gleich bei Alemannia versenkt. Andere schlagen vor, das Stadion
       umzubauen ähnlich Arsenals Highbury: Studentenwohnungen, Vorlesungen auf
       der Haupttribüne, der luxuriöse Catering-Bereich als chice Mensa.
       
       Kein Spieler hat einen Vertrag für die 3. Liga. Kein Sportdirektor kann
       derzeit klären, ob Coach Ralf Aussem weitermachen darf. Nach dem KSC-Spiel
       wurde Erik Meijer minutenlang gefeiert und war so gerührt, dass er
       entschieden hat, beinahe 1.000 Aachener Fans ein Ticket für das Spiel in
       München zu spendieren. Heute ist er in Regensburg, um einen
       Relegationsgegner zu studieren, den es wahrscheinlich nicht mehr gibt.
       
       4 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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