# taz.de -- Montagsinterview mit zwei Rapper-Brüdern: "Unser Projekt gibt es erst seit 3.000 Jahren"
       
       > Robert Gwisdek ist Schauspieler, sein Bruder Hannes ist Musiker. Zusammen
       > schwingen sie sich als "Shaban & Käptn Peng" auf, mit grandios
       > durchgeknallten Texten und schräger Musik den deutschen HipHop zu retten.
       
 (IMG) Bild: Die Brüder Robert und Hannes Gwisdek machen deutschen Hiphop.
       
       taz: Ich habe zwei Fragen, von denen ich vermute, dass Sie Ihnen nicht
       gefallen werden. 
       
       Robert Gwisdek: Man sagt, es ist alles schon gefragt worden, nur nicht von
       jedem. Es ist auch alles schon gesagt worden, nur nicht von jedem.
       Vielleicht treffen wir uns da. Aber was ist denn überhaupt die zweite
       Frage? (allgemeines Gelächter) 
       
       Die zweite Frage wäre, ob es sein muss, dass nun ein weiterer Schauspieler
       meint, Musik machen zu müssen. 
       
       Hannes Gwisdek: Geil. Aber ich bin ja kein Schauspieler.
       
       R: Das wurde ich seltsamerweise noch nie gefragt. Gute Frage.
       
       Und was antworten Sie darauf? 
       
       R: Ja, muss das denn sein, dass so wenige Schauspieler Musik machen? Oder:
       Muss das sein, dass ich mein Musikerdasein durch meine Schauspielerei
       finanziere? Wahrscheinlich haben Sie Recht: Das muss alles nicht sein.
       
       H: Ich würde fragen: Hat das überhaupt was miteinander zu tun?
       
       R: Ich könnte zu meiner Verteidigung auch vorbringen: Ich mache zwar noch
       nicht immer Musik. Aber ich spiele auch nicht schon immer schau.
       
       Seit wann machen Sie Musik? 
       
       H: Unser gemeinsames Projekt, Shaban & Käptn Peng läuft noch nicht so
       lange. So dreitausend Jahre, das ist ja nix.
       
       R: Vor 1.500 Jahren sind dann „Die Tentakel von Delphi“ dazu gestoßen, das
       ist unsere Trash-Punk-Rap-Shit-Begleitcombo.
       
       In 3.000 Jahren haben andere Weltreiche errichtet und wieder verloren. 
       
       R: Wir auch, wir sind jetzt nur inkognito unterwegs.
       
       Ist es da sehr geschickt, sich ausgerechnet als Söhne berühmter Eltern zu
       verkleiden? Das ist allerdings die berüchtigte erste Frage, die Sie
       wahrscheinlich nicht mehr hören können. 
       
       H: Mich würde es sehr froh machen, wenn man die Sache mit den Eltern
       raushalten könnte. Ich weiß, alle denken, das ist spannend. Aber ist es
       eigentlich nicht.
       
       Nicht jeder steht schon als Kind vor der Kamera. Sie waren acht und fünf
       Jahre alt, da haben Sie in einem Kinofilm mitgespielt, „Treffen in
       Travers“, Ihr Vater führte Regie. 
       
       R: Gespielt ist sehr übertrieben.
       
       H: Wir laufen einmal quer durchs Bild und sehen furchtbar süß aus. Aber wir
       waren klein und da ist es nicht so schwer, süß auszusehen.
       
       Die Filmkarriere von Hannes endete schnell wieder. 
       
       H: Ich war nochmal Statist.
       
       Wollten Sie sich von Ihren Eltern abgrenzen und deshalb kein Schauspieler
       werden? 
       
       H: Nein, bei mir gab es einfach schon immer eher die Verbindung zur Musik.
       Ich war im Chor, in der Samba-Trommelgruppe, ich hatte Gitarrenunterricht –
       aber ich war ein faules Schwein. Dann kam der Computer, und da war es um
       mich geschehen. Ich habe Drum & Bass programmiert und angefangen,
       aufzulegen. Dann habe ich Tontechniker gelernt, weil ich wissen wollte, an
       was ich da herumdrehe. Aber es war ganz sicher nie so, dass ich Musiker
       werden wollte, um mich von meinen Eltern abzugrenzen.
       
       Wie war das bei Ihnen? 
       
       R: Die Gründe, warum ich und Hannes tun, was wir tun, sind auf jeden Fall
       nicht darauf zu reduzieren, dass der eine gesagt hat: Die Schauspielerei
       ist geil. Und der andere: Ich will mich da abgrenzen. So simpel ist das
       nicht. Ich würde mich auch niemals als Schauspieler definieren. Deshalb ist
       die Frage, ob die Welt noch einen musikmachenden Schauspieler mehr braucht,
       für mich sehr absurd. Das ist viel komplexer, das kann man nicht in einem
       Interview erklären.
       
       Man könnte es versuchen. 
       
       R: Das beginnt schon damit, dass es ein Unfall war, dass ich in diese
       Richtung gegangen bin. Ich musste aus der Schule raus und für die
       Schauspielschule braucht man kein Abitur. So einfach ist das manchmal.
       
       Sie verdienen immerhin Ihr Geld damit und haben den einen oder anderen
       Preis gewonnen. 
       
       R: Aber meine Persönlichkeit ist nicht die eines Schauspielers. Ich könnte
       den Beruf nicht lange ausführen und damit glücklich sein. Ich fühle mich
       einfach nicht wohl darin, die Vision eines fremden Menschen lebendig werden
       zu lassen.
       
       Deswegen versuchen Sie es jetzt als Rapper? 
       
       R: Als Rapper fühle ich mich wohler. Aber eigentlich bin ich ja auch kein
       Rapper. Ich spreche bloß schneller, als der normale Singer-Songwriter
       singt. Deswegen passt mehr Text in weniger Zeit – und wird
       fälschlicherweise als HipHop identifiziert. Wir machen gar keinen HipHop.
       
       Wer sagt das? 
       
       H: Viele. Anfangs sind wir oft gefragt worden, wie wir das nennen, was wir
       so machen. Und wenn wir gesagt haben: HipHop, dann haben die gesagt: Aber
       HipHop ist doch mit Gangstern, dicken Autos und heißen Tanten. Aber dieses
       Klischee hat doch mit HipHop gar nichts zu tun. HipHop ist für mich
       tanzbare Musik, über die man hervorragend Inhalte verbreiten kann. Dass das
       kaum jemand noch weiß, dass sich diese Ghettoschiene so durchgesetzt hat,
       hat mich schon immer genervt.
       
       Was genau setzen Shaban & Käptn Peng diesem Klischee entgegen? 
       
       R: Müsli-Rap. Wurde uns jedenfalls schon vorgeworfen.
       
       Tatsächlich treten Sie nicht wie im HipHop üblich mit DJ auf, sondern
       lieber mit Ihrer Band, die auf Gitarren ebenso spielt wie auf Baueimern
       oder einem alten Reisekoffer. 
       
       H: Wir machen, was wir machen. Wir haben nie gesagt: Gangsta-Rap ist doof,
       wir setzen dem jetzt etwas entgegen. Wir sind nie einem Kalkül gefolgt.
       Mich hat HipHop schon immer fasziniert, aber ich hatte niemanden, der
       rappen konnte. Dann hat mich Robert eines Tages im Übungsraum besucht, ich
       habe ihm einen Beat vorgespielt und er hat darüber gerappt.
       
       Diese Raps, in denen Sie vor allem von Ihrer Identitätsfindung erzählen,
       von Ihrem Ich und dem Dunklen, das da raus will, die kamen einfach so? 
       
       R: Natürlich nicht. Ich hatte diese Texte schon geschrieben.
       
       H: Von da an haben wir eben rumgespielt. Als wir drei Tracks hatten, haben
       wir zu einem Song ein Video gemacht, einfach weil's Spaß macht. Dann haben
       wir das Video bei YouTube hochgeladen, weil's geht und nichts kostet. Und
       plötzlich hat das von selbst funktioniert.
       
       Sie wurden zu einer kleinen Internetsensation. 
       
       H: Man kann sich im Netz ohne viel Aufwand oder Kosten präsentieren. Ich
       finde, das demokratisiert diese Musikszene unheimlich, die sich so lange in
       den Klauen der Majorlabels befunden hat. Die haben lange diktiert, was
       möglich ist und was nicht. Das scheint nicht mehr so zu sein, das finde ich
       traumhaft.
       
       Es ist aber auch schwierig, in dieser grauen Masse Internet aufzufallen. 
       
       H: Wir hatten da jetzt nicht so große Probleme. Es scheint so zu sein, dass
       das, was wir machen, Potential hat, den Leuten zu gefallen.
       
       Könnte es auch daran liegen, dass man ihn schon mal anderswo gesehen hat? 
       
       R: Ich glaube, dass diese ersten positiven Reaktionen damit gar nichts zu
       tun hatten. Sondern die Leute haben gemerkt: Wir machen nicht einfach nur
       witzigen HipHop, der ein bisschen anders ist. Sondern wir machen Musik aus
       einer Emotion, die im HipHop selten ist. Die
       Ich-säge-mir-meinen-Kopf-auf-um-den-Flamigo-zu-befreien-Emotion.
       
       Als Rapper, der gar kein Rapper ist, muss man sich gewisse Techniken
       aneignen. Woran orientiert sich der Rapstil von Käptn Peng? 
       
       H: Der Reimstil orientiert sich an Robert.
       
       R: Bei mir ist das übers Gedichteschreiben entstanden. Ich war süchtig nach
       Reimen, ich hab immer mit Worten herum gespielt. Aber weil ich immer im
       Vier-Viertel-Takt gedichtet habe, war das wohl relativ einfach zu
       übertragen.
       
       Ist Rap überhaupt geeignet, um die psychologisch-philosophischen Texte von
       Käptn Peng zu transportieren? 
       
       R: Nein, Rap ist eigentlich zu schnell.
       
       H: Finde ich nicht. Ich glaube, Rap ist eine sehr gute Möglichkeit, auch
       komplexe Zusammenhänge zu transportieren, weil eine viel größere
       Informationsdichte möglich ist als bei anderen Musikformen.
       
       R: Ich glaube, man kann sich entweder auf den Inhalt oder auf den Rhythmus
       einlassen. Das funktioniert beides. Man kann sich auch auf die Musik, auf
       den Flow der Raps einlassen, ohne überhaupt auf den Inhalt zu achten. Ich
       will sowieso niemandem etwas erzählen, niemand soll eine Botschaft
       mitnehmen aus meinen Texten. Ich denke nicht, dass es wichtig ist, was ich
       da zu sagen habe. Wenn sich jemand darauf einlässt, ist das schön. Aber
       deshalb mache ich es nicht.
       
       Warum dann? 
       
       R: Ich arbeite mich ab an dem, was mich beschäftigt. Deshalb schreibe ich
       die meiste Zeit darüber, dass ich eine gespaltene Persönlichkeit bin.
       
       Rappen wird zur Selbstherapie. 
       
       R: Ich würde es Formulierungstherapie nennen. Beim Rappen bringst du
       Gedanken nicht nur in Worte, sondern auch gleich in eine geordnete Form.
       Das Reimen zwingt dich dazu, dich nicht nur mit dem Inhalt, sondern auch
       mit der Struktur des Satzes zu beschäftigen.
       
       Und das hilft, Struktur in den Kopf zu bekommen? 
       
       R: Ich weiß nicht, ob das wirklich eine therapeutische Wirkung hat. Wenn
       jemand seine Zellenwand voller bunter Blumen malt, hilft ihm das ja auch
       nicht, ihn davon zu überzeugen, er säße auf einer Blumenwiese und nicht im
       Knast. Aber es hilft, weil man etwas tut, in das man seine Konzentration,
       seine Liebe legen kann. Und wenn das ein Gedanke ist, dann hilft das auch,
       den Gedanken loslassen zu können. Dann ist das mal formuliert, dann ist es
       abgehakt.
       
       Dafür ist es jetzt ein Gedicht oder ein Rap. 
       
       R: Nicht nur. Ein Kurzfilm von mir lief gerade auf verschiedenen Festivals.
       Ich habe noch zwei Drehbücher fertig für Langfilme, die ich gar nicht
       versucht habe, zu finanzieren. Ich habe ein komplettes Buch geschrieben.
       Liegt aber alles in der Schublade.
       
       Warum bringen Sie das nicht raus? 
       
       R: Zwei Wochen, nachdem ich etwas fertig gestellt habe, interessiert es
       mich oft schon nicht mehr. Ich habe das Gefühl, ich bin den Gedanken
       losgeworden – und jetzt ist es ein alter Gedanke, der nach Kuh schmeckt.
       
       Bei den Songs ist das anders? 
       
       H: Da komme ich ins Spiel.
       
       R: Hannes ist der Gute. Er zwingt mich, Sachen fertig zu machen. Ich würde
       keinen einzigen Song herausbringen, weil ich damit nicht klarkomme, dass
       etwas abgeschlossen ist.
       
       Wie geht es Ihnen, wenn Sie nun das Album hören? 
       
       R: Ich höre es mir nicht an. Das geht gar nicht. Auch die Clips kann ich
       nur schwer angucken.
       
       Auf der kommenden Tour wird Käptn Peng seine Lieder auf der Bühne
       reproduzieren müssen. 
       
       R: Live ist es etwas anders. Da lässt sich meistens genau die 25.
       Persönlichkeit aus mir herauslocken, die das wirklich geil findet und auf
       der Bühne einen Energieschub aus einer mir nicht bekannten Quelle bekommt.
       
       Im Nichtschauspieler und Nichtrapper ist also doch eine Rampensau
       versteckt? 
       
       R: Die gibt es scheinbar auch. Es gibt jemanden in mir, der will ganz ganz
       laut schreien, in unterschiedlichen Farben und Formen. Aber all die anderen
       möchten danach sofort wieder verschwunden sein und niemand soll die
       wiedererkennen.
       
       Klingt anstrengend. 
       
       R: Ist es auch. Aber es hilft, Texte zu schreiben, um diese Stimmen
       loszuwerden.
       
       Das Rappen schützt Sie vor dem Wahnsinn? 
       
       R: Das Rappen hilft mir, die Mitte zu finden in diesem Gewitter in meinem
       Kopf. Das Gewitter ist immer noch da, aber ich habe dann das Gefühl, ich
       muss mich dem jetzt nicht widmen. Es gibt das Thema Wahnsinn nun mal in
       meinem Leben. Aber auch als eine notwendige Erfahrung, um einen anderen
       Wahnsinn zu bekämpfen. Nämlich den Wahnsinn, es gäbe da diesen
       Glaubenssatz, dass ich Robert Gwisdek bin. Das klingt jetzt vielleicht
       wahnsinnig: Aber für mich hat sich irgendwann herausgestellt, dass die
       Vorstellung, dass ich Robert Gwisdek bin, eben nicht der Wahrheit letzter
       Schluss ist.
       
       Wie hält das der Bruder aus? 
       
       H: Mit diesen 25 verschiedenen Roberts?
       
       R: Jetzt kommt's.
       
       H: Das ist nicht immer einfach, aber mit mir ist es ja auch nicht immer
       einfach. Außerdem sind das ja auch 25 wahnsinnig liebenswerte Personen. Ich
       kann die eigentlich alle ganz gut leiden.
       
       7 May 2012
       
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 (DIR) Thomas Winkler
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