# taz.de -- Manöverkritik: "Man kann nicht 15.000 unter Verdacht stellen"
       
       > Die Entscheidung der Polizei, die 1.-Mai-Demo in der Lindenstraße
       > aufzulösen, hält Linken-Fraktionschef Udo Wolf für einen Fehler.
       
 (IMG) Bild: Udo Wolf
       
       taz: Herr Wolf, hat die linke Opposition Beißhemmungen? Bei der Debatte
       über den 1. Mai am Montag im Innenausschuss schien das zumindest so. 
       
       Udo Wolf: Der Eindruck ist falsch. Man muss doch nicht die mittelenglischen
       Umgangsformen verletzen, wenn man kritische Nachfragen zu Polizeieinsätzen
       stellt.
       
       Es hatte fast den Anschein, als würden Sie und Ihre Kollegen von den
       Oppositionsfraktionen sich für die Nachfragen zum Thema 1.-Mai-Einsatz
       entschuldigen, wo der doch so toll gelaufen sei. 
       
       Weder der Kollege Lux von den Grünen noch der Kollege Lauer von den Piraten
       noch ich haben uns für irgendwas entschuldigt. Aber es geht auch um die
       Würdigung des gesamten 1. Mai: von der Walpurgisnacht über die
       Demonstration des DGB, die erfolgreichen Anti-Nazi-Mobilisierungen, die
       Spontan-Demonstration in Kreuzberg und das Myfest. Und wir haben alle
       erforderlichen Fragen zur 18-Uhr-Demonstration gestellt. Auch alle Fragen,
       die vom Grundrechtekomitee aufgeworfen wurden, das die Demonstrationen
       beobachtet hat.
       
       Trotzdem: Warum haben Sie nicht stärker nachgehakt? 
       
       Ich habe zweimal nachgefragt, warum es zum Stopp der 18-Uhr-Demonstration
       in der Lindenstraße gekommen ist. Und es wurde geantwortet. Frau Koppers …
       
       … die amtierende Polizeipräsidentin … 
       
       … hat erklärt, man hätte sich andere Varianten vorstellen können, als den
       Zug an dieser Stelle zu stoppen. Die Polizei habe sich in der konkreten
       Situation aber anders entschieden. Diese Aussage ist jetzt politisch zu
       bewerten. Ich halte es für einen Fehler.
       
       Wie bewerten Sie den Fund von drei Rohrbomben am Rand der revolutionären
       1.-Mai-Demo? 
       
       Ich habe dazu noch keine Erkenntnisse. Die Bomben sehen aber nicht aus, als
       kämen sie aus dem Demonstrationsumfeld.
       
       Wie kommen Sie darauf? 
       
       Ich kann mir nicht vorstellen, dass Demonstrationsteilnehmer das Risiko
       eingehen würden, sich quasi mit in die Luft zu sprengen. Man muss die
       Ermittlungen abwarten. Ich hoffe, da bald Aufklärung zu bekommen. Was nicht
       geht, ist, 15.000 Teilnehmer der 18-Uhr-Demonstration unter Verdacht zu
       stellen, mit Rohrbomben hantiert zu haben.
       
       Am vergangenen Samstag wurde in Kreuzberg ein Polizeiauto überfallen. Was
       wissen Sie darüber? 
       
       Dazu kennen wir keine Hintergründe und erwarten weitere Erkenntnisse. Auch
       hier gleich den Verdacht zu erheben, das sei politisch motiviert – wie es
       manche Medien getan haben –, ist schon einigermaßen kühn.
       
       Hat die Linkspartei Skrupel, Frau Koppers hart anzugehen, weil man sie gern
       als Polizeipräsidentin hätte? 
       
       Auch als wir noch Regierungsfraktion waren, haben wir jeden problematischen
       Polizeieinsatz sehr kritisch ausgewertet – auch mit Innensenator Körting
       und dem sehr sympathischen Polizeipräsidenten Glietsch. Das tun wir weiter,
       egal wer Innensenator oder Polizeipräsident ist.
       
       Wird Senator Frank Henkel nach den Rohrbombenfunden in der
       Sicherheitspolitik eine andere Gangart einschlagen? 
       
       Ich kann nur davor warnen, das zum Anlass zu nehmen, nach mehr Repression
       zu rufen und von der Grundlinie der Deeskalation abzugehen. Dadurch wird
       nichts besser. Insbesondere CDU-Innensenatoren haben in den letzten 25
       Jahren viele Entscheidungen getroffen, die letztlich zu mehr Gewalt geführt
       haben.
       
       Frau Koppers hat gesagt, man müsse bei künftigen Einsätzen darauf
       vorbereitet sein, dass es Menschen gibt, die blinden Hass in sich tragen. 
       
       Das ist eine Binsenweisheit. Man denke an den Amokfahrer, der 2006 in die
       Fanmeile fuhr. Öffentlicher Raum und Großveranstaltungen sind mit dem
       Risiko behaftet, dass es dort zu schweren Straftaten kommen kann. Aufgabe
       der Polizei ist, vernünftig abzuwägen, wie sie präventiv agiert und dabei
       das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gewährleistet.
       
       8 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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