# taz.de -- Kolumne Unbeliebt: Tür auf, Mist raus
       
       > Der Linkspartei-Chef Klaus Ernst ist gerade auf dem Weg zurück zu sich.
       > Treffen an einem Tresen – ohne Getränke.
       
       Der Parteivorsitzende Klaus Ernst hat eine Angewohnheit, die ihn erklärt:
       Wenn er im Sommer in seiner Tiroler Almhütte ist, lässt er den Tag über
       gern die Tür offen stehen.
       
       Es ist nicht so, dass Klaus Ernst vor seiner Zeit bei der Linkspartei als
       Almöhi gelebt hat. Aber früher war er IG-Metaller in Schweinfurt. Da konnte
       er poltern, alles bei offener Tür. Verlor man, etwa im Fall der 2003
       gefeuerten Näherinnen in Mellrichstadt und Schwarzach, standen alle
       zusammen.
       
       Nun aber läuft Klaus Ernst alleine im Reichstag auf und ab, der weite Flur
       der Fraktionsetage, Handy am Ohr. Er telefoniert. Und telefoniert. Ich
       warte mit Ernsts Pressesprecher. Ist wohl Lafontaine dran? Der Sprecher
       schweigt. Ernst telefoniert. Telefoniert. „Vielleicht doch Lafontaine“,
       meint der Sprecher. Irgendwann kommt Ernst. Lafontaine? „Sag ich nicht“,
       sagt Ernst.
       
       Und das zeigt jetzt, dass er in Berlin ist. Wo man höchstens gezielt
       verrät, mit wem man telefoniert hat. Wo man die Türen zu macht. Wir sitzen
       an einem Tresen auf der Fraktionsetage. Das Seltsame an dem Tresen ist,
       dass es keinen Barkeeper gibt, keinen Zapfhahn, keine Espressomaschine.
       Nichts. Klaus Ernst knackst mit den Fingern.
       
       ## „Mensch ist man woanders“
       
       Lafontaine hat ihn hier hergeholt. Der Bayer hatte, wütend über die
       Agenda-SPD, die WASG mitbegründet. 2009 wird Lafontaine krank, Ernst muss
       ran, zusammen Lötzsch aus dem Osten. Sie kriegen es nicht hin, Lafontaine
       gesundet, dauernd gibt es Debatten, ob er zurückkommt, Lafontaines
       Reizfigur Bartsch will Parteichef werden, Lötzsch hört auf, Wagenknecht
       überlegt, Lafontaine überlegt, alle überlegen, alle telefonieren.
       
       „Mensch ist man woanders“, sagt Klaus Ernst in seinem kernigen Bayerisch.
       Er schaut mich mit seinen kleinen, freundlichen, graugrünen Augen an. Wäre
       hier alles in Ordnung, würde er uns bestimmt was bestellen. Espresso. Oder
       einen schönen Nero d’Avola, den mag er. Klar, das vorhin war Lafontaine.
       
       Am letzten Sonntagabend ist die Linkspartei in Schleswig-Holstein auf 2,5
       Prozent gesackt, und irgendwann zwischen Hollande und Kubicki erschien
       Klaus Ernst in meinem [1][Fernseher]. Er sah müde aus, aber er hatte auch
       Klarheit im Gesicht. Er ist dann deutlich geworden. Er schimpfte über
       Eigentore, darüber, dass die Genossen sich jetzt zwei Jahre lang nur mit
       sich selbst beschäftigt hätten.
       
       Dieser Auftritt am Sonntag? „Das war wirklich schwer“, sagt er. „Aber es
       hat gut getan.“
       
       Sie hassen ihn eh. Weil er nicht die sozialistische Internationale
       verkörpert, nicht die solidarische Moderne, nicht mal das Grundeinkommen.
       Und all die Winkelzüge von Berlin hat er auch nicht drauf. Ernst fährt
       Porsche und lässt die Hütte offen. „Niederlage ist Niederlage. Aus Mist
       Butter machen, das mag ich nicht“, ruft er aufgebracht am getränkelosen
       Reichstagstresen. Wer macht Mist? „Diese Eigentorschützen, da reden wir
       später mal genauer.“ Tür zu.
       
       ## Pinkeln vom Dreimeterbrett
       
       Neulich tagte der Linken-Vorstand. Hinter verschlossenen Türen. Klaus Ernst
       hat gesagt, dass die Kollegen sich zur Lage der Partei ein Schwimmbad
       vorstellen sollen: Ins Becken wurde so lang reingepinkelt, dass es stinkt.
       Es werde aber nicht bloß gepinkelt, sondern vom Dreimeterbrett und dazu sei
       dann noch die Presse geladen worden.
       
       Die Vorstände haben nur gelacht.
       
       Man will Klaus Ernst retten aus dieser Welt. Man wünscht sich sogar, dass
       Lafontaine nach Berlin kommt und ihn erlöst. Er könnte auf die Alm.
       
       Wie ist das eigentlich dort oben?
       
       „Da bist du du selber.“
       
       11 May 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=s4AMctwb4Ok
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Löwisch
       
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