# taz.de -- Über die Verharmlosung des Springer-Blatts: Alles halb so wild mit „Bild“?
       
       > Gegen die Entideologisierung: Von einem Chefredakteur, der auszog,
       > anderen das Fürchten zu nehmen. Und wie ihm dieses Unterfangen bei der
       > Mehrheit gelang.
       
 (IMG) Bild: Die von Diekmann forcierte konsequente Verharmlosung der „Bild“ hat Erfolg.
       
       Das schönste Geschenk zum 60. Geburtstag der Bild-Zeitung im Juni haben die
       Redakteure Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns am Freitag schon mal in
       Hamburg abgeholt: den Henri-Nannen-Preis in der Kategorie „Investigation“.
       Ein journalistischer Ritterschlag – und ein Dammbruch.
       
       Die Übergabe der Bronzebüste des Stern-Gründers fand auf der großen Bühne
       des Deutschen Schauspielhauses statt, unter heftigem Applaus der besseren
       Gesellschaft der Hansestadt und der versammelten Medienbranche. Nur
       vereinzelte Buhrufe erinnerten daran, dass hier nicht ein weiteres
       Spiegel-Autorenteam ausgezeichnet wurde, sondern Springers Boulevardblatt
       mit den zweifelhaften Arbeitsmethoden.
       
       Die wurden natürlich ausdrücklich nicht prämiert, aber allein der dieser
       Juryentscheidung zugrunde liegende Versuch einer Trennung zwischen der für
       preiswürdig befundenen Wulff-Recherche, die eher eine Anti-Wulff-Kampagne
       war, und den Schmuddelpraktiken, für die auch Preisträger Heidemanns steht,
       zeigt, wie weit Bild mit ihrer jahrelangen Imagekampagne gekommen ist: bis
       in die Mitte der Gesellschaft, bis unter die Preisträger der ehemals
       wichtigsten deutschen Auszeichnung für Qualitätsprintjournalismus.
       
       Für diese historische Umdeutung einen Preis verdient hätte
       Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der in seinen elf Jahren an der Spitze die
       Politikberichterstattung gestärkt hat, unter dessen Ägide die scheinheilige
       Werbekampagne entstand, für die Promis ihre „ehrliche und unentgeltliche
       Meinung“ zu Bild aufschreiben und der in seinem 100-Tage-Intermezzo als
       Blogger 2009 lustiger war als seine Kritiker. All dies diente einzig dem
       Zweck, Bild den Schrecken zu nehmen. Ziel erreicht.
       
       Diekmann war bei seinem Triumph am Freitagabend nicht persönlich zugegen.
       Angeblich war er, der Chefredakteur von Deutschlands größter
       Boulevardzeitung, zunächst nicht zum Nannen-Preis eingeladen worden und
       hatte dann, als das nachgeholt wurde, was Besseres vor. Auch das ist Teil
       seiner Taktik: sich immer wieder klein zu machen, sich wie eine verfolgte
       Minderheit zu inszenieren. Dabei ist es Bild, die Prominente verfolgt,
       unter Druck setzt, erpresst. Immer noch. Immer wieder.
       
       Wer darauf hinweist, und sei es nur in Andeutungen, wie Hans Leyendecker
       bei seiner Ablehnung des zweiten Investigativpreises oder deutlicher wie
       taz-Chefredakteurin Ines Pohl, die von „Witwenschüttlern“ sprach und dafür
       auf der Bühne ausgepfiffen wurde, isoliert sich damit in der Branche, gilt
       als gestrig – die Bild-Kusch(l)er haben die Meinungsführerschaft
       übernommen: Alles halb so wild mit Bild, ehrlich. Das gesellschaftliche
       Großklima der Entideologisierung hat die von Diekmann forcierte konsequente
       Verharmlosung des Blattes begünstigt.
       
       „Oberpeinlich und unsportlich“ nannte etwa Focus-Herausgeber Helmut
       Markwort die SZ-Reaktion, der Chefredakteur einer großen westdeutschen
       Zeitung äußerte sich hinter vorgehaltener Hand ähnlich. Leyendecker hat
       sich unbeliebt gemacht, weil er mit dem Sprengen der Branchenfamilienfeier
       den KollegInnen ihre eigene Feigheit im Umgang mit Bild vor Augen führte.
       Wie sonst sind die Aggressionen zu erklären? Was hat er schon gemacht?
       Einen Preis abgelehnt, höflich, ohne Schaum vorm Mund. Er hat sich
       zurückgehalten – und das wird ihm vorgehalten: „Von einem Journalisten wie
       Leyendecker wäre schon zu erwarten, dass er seine Charakterisierung der
       Zeitung noch etwas präzisiert“, kommentierte der Branchendienst Meedia.
       Dabei wusste jeder im Saal, was Leyendecker mit „Kulturbruch“ meinte und
       erst recht, wie Bild (auch) arbeitet.
       
       Die Wirkungsmacht der Bild-Geschichte hat die Fans in der Jury besonders
       beeindruckt. Dabei war eine Recherche auszuzeichnen, nicht Wulffs
       Rücktritt. Doch Meinungsmacher, die damit zu ihrem großen Missfallen nur
       selten Fakten schaffen, beneiden ihren Kollegen Diekmann natürlich um
       dessen Meinungsmacht und bewundern ihn dafür, dass er so lange und so fest
       im Sattel sitzt wie kaum einer von ihnen. Insgeheim galt die Auszeichnung
       für Bild auch ihm.
       
       So ärgerlich der Henri-Nannen-Preis für Bild ist, so wohltuend sind die
       kontroversen Reaktionen darauf: Die Gräben sind immer noch da und sie sind
       immer noch tief. Gut so.
       
       14 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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