# taz.de -- Facebook an der Börse: Die Jahrhundertwette
       
       > Anleger hoffen, Experten zweifeln: Ist Facebook 100 Milliarden Dollar
       > wert? Um die hohen Erwartungen zu erfüllen, muss Facebook 1,4 Milliarden
       > Chinesen vernetzen.
       
 (IMG) Bild: Facebook goes Rock'n Roll ... ach nee, an die Börse.
       
       BERLIN taz | Facebooks Börsengang ist eine 100-Milliarden-Dollar-Wette, die
       vor acht Jahren in einer Studentenbude an der Harvard-Universität begann.
       Seitdem hat sich Facebook zum weltgrößten Online-Netzwerk entwickelt, das
       nach Angaben des Unternehmens von jedem achten Menschen auf dem Planeten
       genutzt wird.
       
       Wäre Facebook ein Land, dann wäre es nach China und Indien das Drittgrößte
       der Welt. Dieser virtuelle Kontinent existiert nur auf den Festplatten von
       Facebooks Rechenzentren. Dort hat das Unternehmen Billiarden privater Daten
       seiner Nutzer unbegrenzt lange gespeichert.
       
       Die Daten der Kunden und ihre bedingungslose Vermarktung ist der Schatz,
       der die Fantasie der Kapitalanleger antreibt. Denn im Kern ist Facebook
       eine Werbeplattform mit 900 Millionen registrierten Nutzern.
       
       ## Vergoldete Vision
       
       Allem Anschein nach haben der Medienhype der vergangenen Wochen und die
       Auftritte von Mark Zuckerberg vor Investoren die gewünschte Wirkung
       erzielt, sodass er seine Vision von einem globalen, personalisierten
       Werbeuniversum heute vergolden kann.
       
       In der Zeichnungsfrist vor dem Börsengang haben potenzielle Käufer
       verpflichtend erklärt, zu welchem Maximalpreis sie wie viele Aktien kaufen
       möchten. Nachrichtenagenturen berichten über die vertraulichen
       Vorbereitungen, dass die Nachfrage nach der Facebook-Aktie das Angebot
       übersteigt.
       
       Ursprünglich sollte das Papier zwischen 28 und 34 US-Dollar kosten. Wegen
       der offenbar großen Nachfrage erhöhte Facebook die Preisspanne am Mittwoch
       jedoch auf 34 bis 38 Dollar, um sich kurz danach auf 38 Dollar festzulegen.
       Schon tags zuvor wurden angeblich keine neuen Kaufaufträge mehr angenommen.
       Zudem sollen heute ein Viertel mehr Aktien auf den Markt kommen als
       ursprünglich angekündigt, berichten Insider.
       
       Mit den 421 Millionen Aktien, die Facebook mit seinem Börsengang auf den
       Markt bringt, könnte das Unternehmen bis zu 18 Milliarden Dollar einnehmen.
       Das wäre nicht nur der bislang erfolgreichste Börsenstart eines
       Unternehmens an der US-Technologiebörse Nasdaq, sondern der drittgrößte in
       der US-Wirtschaftsgeschichte: Mehr Geld haben nur das
       Kreditkartenunternehmen Visa (2008, 19,7 Milliarden Dollar) und der
       wiederauferstandene Autohersteller General Motors (2010, 18,1 Milliarden
       Dollar) eingenommen.
       
       ## Zum Erfolg verdammt
       
       Mark Zuckerberg selbst bringt nur wenige Prozent seiner Unternehmensaktien
       auf den Markt. Auch nach dem Börsengang behält er auf allen
       Entscheidungsebenen das letzte Wort, denn er verfügt weiterhin über 57,3
       Prozent der Stimmrechte. Im Vorfeld waren vor allem professionelle Anleger
       skeptisch: Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg fragte 1.253
       Investoren, wie sie den von Facebook angestrebten Unternehmenswert
       beurteilen: 79 Prozent halten das Unternehmen für überbewertet.
       
       Sollte das soziale Netzwerk dennoch heute an der Nasdaq so erfolgreich
       starten wie es sich andeutet, dann ist das Unternehmen aber auch zum Erfolg
       verdammt: Der angestrebte Unternehmenswert von 100 Milliarden Dollar
       beträgt das Hundertfache des im vergangenen Jahr erzielten Gewinns – eine
       wahnwitzige Bewertung. Zum Vergleich: Der Marktwert des Konkurrenten Google
       beträgt das 17-Fache seines tatsächlichen Jahresgewinns. Dabei verdient
       Google jährlich zehnmal so viel Geld wie Facebook.
       
       Der Grund für die enormen Vorschusslorbeeren der Anleger sind die in
       Zukunft erwarteten Gewinne.
       
       Optimisten rechnen mit zwei bis drei Milliarden Facebooknutzern und einem
       Umsatz von 15 Milliarden Euro im Jahr 2015. Sie sehen in der astronomischen
       Bewertung des Unternehmens, das nichts Greifbares produziert und so gut wie
       keine eigene Infrastruktur besitzt, ein Abbild eines grundlegenden
       wirtschaftlichen Wandels. Die großen Gewinne werden in dieser virtuellen
       Welt mit den Kaufentscheidungen der Konsumenten gemacht, die immer mehr
       Geld für Unterhaltung und Kommunikation ausgeben.
       
       „Um die 100-Milliarden-Dollar-Bewertung zu rechtfertigen, muss Facebook
       neue Einnahmequellen mit steilen Wachstumsraten erschließen“, sagt der
       Analyst Jed Williams von BIA/Kelsey. Doch wie das gehen soll, darüber
       rätseln viele Beobachter.
       
       Vieles deutet darauf hin, dass Facebook sein Wachstumstempo nicht halten
       kann. Erstmals waren Gewinn und Umsatz im ersten Quartal 2012 im Vergleich
       zum Vorjahr rückläufig. Dabei hat das Unternehmen vor drei Jahren überhaupt
       einen ersten Gewinn erzielt.
       
       85 Prozent seines 3,7-Milliarden-Dollar-Umsatzes erzielte das Netzwerk
       2011, indem es Werbung auf den Bildschirmen seiner Nutzer einblendete. Doch
       das Werbegeschäft läuft schleppend, denn die Nutzer ignorieren Werbung
       überdurchschnittlich häufig. Nur fünf von 10.000 Mitgliedern klicken auf
       eine eingeblendete Werbung. Nachrichtenseiten schaffen das Doppelte. Erste
       Anzeigengroßkunden wie General Motors hat das Unternehmen bereits verloren.
       
       Zudem rächt es sich, dass das Unternehmen den Trend zu mobilen Endgeräten
       unterschätzt hat. Fast jedes zweite Facebook-Mitglied nutzt den Dienst
       mittlerweile auf einem Smartphone oder Tablet. Doch ein mobiles
       Werbekonzept kann die Firma nicht vorweisen. Entsprechend laufen die
       Einnahmen aus diesem Drei-Milliarden-Dollar-Markt gegen null, dessen
       Volumen sich in der Vergangenheit jährlich verdoppelt hat.
       
       ## Gefahr für das Unternehmen
       
       Auch der chronisch unsensible Umgang mit den privaten Daten seiner Nutzer
       könnte zu einer Gefahr für das Unternehmen werden. In seinen
       Geschäftsbedingungen sichert sich Facebook zu, alle Inhalte und Daten
       seiner Kunden kommerziell zu nutzen und die Nutzungsrecht an Dritte
       weiterzugeben. „Die Geschäftspraktiken, mit denen das Netzwerk die
       informationelle Ausbeutung seiner Nutzer betreibt, sind in Deutschland und
       Europa illegal“, sagt Thilo Weichert. Der Landesbeauftragte für Datenschutz
       in Schleswig-Holstein geht davon aus, dass Facebooks systematische Verstöße
       gegen Datenschutzgesetze zumindest in Europa beendet werden.
       
       Mittlerweile stehe auch die EU-Kommission auf der Seite der Datenschützer.
       „EU-Kommissarin Viviane Reding hat die europäische
       Datenschutzgrundverordnung initiiert. Sie wird effektive Mittel gegen diese
       Verstöße bereitstellen“, sagt Weichert. Er ist überzeugt davon, dass sich
       Facebook diesen Auflagen beugen müsse oder vom europäischen Markt
       verschwinden werde.
       
       Auf dem gesättigten Markt der industrialisierten westlichen Länder
       verspricht sich der kalifornische Konzern allerdings keine großen
       Wachstumsperspektiven. Die hohen Erwartungen seiner Anleger kann Facebook
       nur erfüllen, wenn es in Zukunft vor allem gen Asien erfolgreich ist.
       
       Nun wird Mark Zuckerberg beweisen müssen, ob er es schafft, 1,4 Milliarden
       Chinesen zu vernetzen.
       
       18 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tarik Ahmia
       
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 (DIR) was fehlt ...: ... Logout
       
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