# taz.de -- Kolumne Bitches in Baku #6: Indezent und dabei gut aussehen
       
       > Was bei uns die Busenfreundin, ist in Aserbaidschan der All-Time-Buddy:
       > In Baku empört sich niemand, dass an der Kaspischen Corniche fast nur
       > Männer tanzen – miteinander.
       
 (IMG) Bild: Alles All-Time-Buddys. In Baku versammeln sich Männer eben gerne mit Männern.
       
       Human Rights Watch hat einen schön übersichtlichen Stadtführer für
       Eurovisionstouristen in Baku aufgelegt. Eingezeichnet sind in diese Karte
       alle politisch für die Menschenrechtsfragen wichtigen Punkte der Stadt. Wo
       es einen Überfall gab; wo ein Aktivist einfach verschwand; wo es lohnt,
       hinzugehen und innezuhalten. Irritierend nur, dass NGOs wie Human Rights
       Watch Beobachter in der aserbaidschanischen Hauptstadt präsent haben, dass
       sie ein- und ausfliegen können, nach Belieben sozusagen.
       
       Man könnte formulieren: Dass in Deutschland inzwischen alle aufgeklärte
       Welt weiß, dass der Eurovision Song Contest irgendwie zelebriert werden
       darf - aber bitte in Baku nur in stimmungsgefrosteter Laune -, weil die
       politischen Dinge alle so schlimm sind, liegt eben auch daran, dass aus
       diesem Land an der Naht zum Iran ziemlich frei und offenherzig berichtet
       werden.
       
       Sogar das westliche Gerücht, dass in Aserbaidschan Schwule – von Lesben ist
       nie die Rede – drakonisch unterdrückt werden, darf als Gräuelpropaganda
       von, nennen wir sie: Menchenrechtisten genommen werden. Homosexualität ist
       nicht nur nicht strafbar, sondern es hat, im Gegensatz zu Serbien, Russland
       oder der Ukraine, gegen Homosexuelle auch hier nie nationalistische
       Flashmobs gegeben. Aserbaidschan, sagen einem Homosexuelle aller
       Geschlechter, sei nicht so das Land wie Deutschland oder die Niederlande
       mit ihren CSDs – aber was nicht sei, werde irgendwann auch kommen können.
       
       Andererseits ist es in Baku so, dass man es für einen schwulen Catwalk
       halten könnte. In der Fußgängerzone flanieren Männer, immer einen Buddy
       dabei; legen einander die Arme über die Schulter, haken sich an den Armen
       ein. Selten sieht man Frauenpaare, aber auch diese gehen zu zweit. Gehen
       Liebespaare spazieren? Was hat es in der Geschlechterordnung am Kaspischen
       Meer zu bedeuten, dass die Frauen die höchsten Stöckel in Pink, Lackblau,
       Pfirsich oder Johannisbeerdunkel zu tragen imstande sind, die ich jemals
       irgendwo in der Welt gesehen habe?
       
       ## Phantastisch aufgetakelt
       
       Weshalb sehen diese aserbaidschanischen Frauen so phantastisch aufgetakelt
       aus – von gar nicht so seltenen Exemplaren abgesehen, die schwerste
       Selbstverstümmelungen mit Botox oder Lippeneinspritzungen hinter sich
       haben. Übel das, vor allem ästhetisch! Dabei sehen die hochhackigen Frauen,
       gerade weil sie so mehr gespachtelt als geschminkt sind, immer etwas
       transig übergrell aus. Egal – es ist hübsch indezent!
       
       Baku in meinem Blick, das sind Männer, die irgendwie ziemlich türkisch
       aussehen, aber ethnisch scheint in allen eine gewisse sowjetische
       Bauernschädeligkeit mit eingewoben zu sein. Manche der Kerle, die da in
       Baku zu zweit nachts rauf und runter flanieren, sehen aus wie aufgepumpte
       Bodyguards mit höchsten narzisstischen Anteilen, was die Muskulatur, die
       Neigung zum hautengen T-Shirt und zur Jeans mit eingebauten Gemächtbeulen
       anbetrifft. Ein Ethnologe erklärt mir, nein, das seien keine schwulen
       Paare, in muslimischen Communities sei es jedoch so, dass ein Junge einen
       anderen Jungen für's Leben brauche, einen All-Time-Buddy, also das, was bei
       uns unter Frauen als Busenfreundin bekannt ist. Die Person für die
       allerletzten Geheimnisse, zum Schutz und für das Wohlbefinden.
       
       Schwule Paare sind sozusagen nicht vorgesehen – Buddies sind Buddies, und
       Liebespaare gehen nicht so einträchtig-konfliktarm durch die Welt. Es gibt
       sogar Genderaktivisten in Baku, und sie sagen einem, dass kein ESC-Fan in
       Gefahr sei, als schwuler Mann körperlich bedroht zu werden. Im Euro-Club,
       dem Fandiscozentrum dieser Tage am Bulvar, der Corniche am Kaspischen Meer,
       sind viele Hunderte zu Gast, auch Azeris – und niemand empört, dass da
       recht eigentlich zu 80 Prozent Männer tanzen, ersichtlich miteinander.
       
       Aserbaidschan ist, mit anderen Worten, nicht Nordkorea, dann wäre es so
       totalitär wie dieses sozialistische Land, würde es sich anfühlen wie Iran
       gleich in der Nachbarschaft, wäre hier diese Freundlichkeit, diese absolut
       reizende Kontaktfreude von Aseris mit Ausländern wie wir, nicht denkbar.
       
       Das Land namens Aserbaidschan mag ja menschenrechtlich nicht so prima
       aufgestellt sein. Was man jedoch spürt, ist diese teils rührende Freude,
       dass dieser Flecken Erde durch 12.000 ESC-Touristen tüchtig durchgeweht
       wird. „Wir sind stolz, dass wir so ein Spektakel ausrichten können und gut
       aussehen“, sagt die Tochter einer Kioskbetreiberin in der Altstadt, die ihr
       Deutsch in Jena gelernt hat.
       
       Menschenrechtsskandale, wie sie FDP-Mann Markus Löning als
       Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung öffentlich angeprangert hat,
       gibt es. Viele hier werden den Verdacht nicht los, dass es einerseits
       stimmt, was er mitteilte. Und andererseits auch eine Spaßbremse
       sondergleichen ist.
       
       20 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
 (DIR) Jan Feddersen
       
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       Ralf Siegel – ist Favoritin auf den allerletzten Platz. Und Albanien tut
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