# taz.de -- Erzwungener Senderwechsel Savianos: Exil im Privatfernsehen
       
       > Noch immer reicht Berlusconis Macht, um Roberto Saviano aus der RAI zu
       > kegeln. Das sagt nichts über die Publikumsgunst, viel aber über die
       > TV-Landschaft Italiens aus.
       
 (IMG) Bild: Roberto Saviano im vergangenen November in „Vieni via con me“.
       
       ROM taz | Als Italiens junger Starautor Roberto Saviano und der
       Starmoderator Fabio Fazio vorigen Montag auf die Bühne des TV-Studios
       traten, war eigentlich alles genauso wie vor zwei Jahren bei ihrem
       gemeinsamen Auftritt in der Sendung „Vieni via con me“ (Komm, geh weg mit
       mir).
       
       An drei Abenden hintereinander sahen die Zuschauer ein Reading, mal kurze,
       mal längere Monologe Fazios, Savianos, aber auch zahlreicher anderer
       Berühmtheiten aus dem Fernsehen, dem Theater, der Musik, die sich um die
       Nöte der Menschen im krisengebeutelten Italien, um die Mafia, um die
       häusliche Gewalt gegen Frauen drehten.
       
       Und doch war alles ganz anders, denn diesmal hieß die Show „Quello che
       (non) ho“ (Was ich [nicht] habe) und lief beim Privatsender La Sette und
       nicht bei der staatlichen RAI. Es war ein erzwungener Wechsel, der nichts
       über die Publikumsgunst, viel aber über die TV-Landschaft Italiens aussagt.
       Bei der RAI war das sperrige Programm Savianos und Fazios ein Straßenfeger;
       10 Millionen Menschen schalteten Abend für Abend ein. Zu viele für den
       damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seine Getreuen: Sie
       verweigerten einen Vertrag für eine Nachfolgesendung im RAI-Programm.
       
       Berlusconi ist seit nunmehr gut sechs Monaten als Regierungschef zwar weg
       vom Fenster, doch das Zwangsexil von Saviano und Fazio zeigt, dass sich an
       seiner Medienmacht bisher wenig geändert hat. Nicht nur in der eigenen
       Mediaset geben seine Gefolgsleute weiterhin den Ton an. Und dennoch droht
       Berlusconis Macht nach der Politik auch im italienischen Fernsehen zu
       erodieren.
       
       ## Tendenz: weiter fallend
       
       Gewiss, Mediaset ist weiterhin die Sendergruppe, die allein etwa 70 Prozent
       der in TV-Werbung in Italien investierten Gelder anzieht. Doch die
       europäische Krise macht den drei Berlusconi-Kanälen schwer zu schaffen. Auf
       minus 8 Prozent wird die Entwicklung der Werbeeinnahmen im letzten Jahr
       kalkuliert, Tendenz: weiter fallend. Und was neue Impulse im Programm
       angeht: Fehlanzeige: Die Zuschauer wenden sich langsam, aber stetig ab vom
       Einheitsbrei aus Soap-Operas, Talentshows und Quizsendungen. Hilfreich ist
       für Berlusconi allein die RAI: Deren Programm wirkt, von Nischen abgesehen,
       unkritisch, wie das Spiegelbild von Mediaset.
       
       Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Alle Versuche der Regierung
       Monti nämlich, die RAI zu reformieren und einen neuen, nicht mehr
       unmittelbar von den Parteien kontrollierten Verwaltungsrat zu berufen,
       scheitern regelmäßig am Veto der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit. Und
       auch wenn die RAI sich mit sinkenden Werbeeinnahmen und einem wachsenden
       Defizit herumschlägt, gibt sich die Senderspitze ungerührt.
       
       Derweil aber treiben die aus dem Staatssender geekelten Stars die
       Einschaltquoten der Konkurrenz in die Höhe. Saviano und Fazio wollten im
       Sender La Sette immerhin gut 3 Millionen Menschen an drei Abenden in Folge
       sehen. Und der Startalker Michele Santoro geht Woche für Woche mit seinem
       politischen Programm „Servizio pubblico“ (Öffentliches Fernsehen) vor
       Millionenpublikum auf Sendung – aber eben nicht bei der öffentlichen RAI.
       
       Übertragen wird Santoro von Lokalsendern quer durchs Land ebenso wie vom
       Sky-Free-TV-Programm Cielo, denn auch der Anti-Berlusconi-Mann Santoro
       hatte in seinen RAI-Zeiten zu viel Erfolg für den Geschmack der Chefs.
       
       Die Hegemonie Berlusconis könnte in den nächsten Wochen einen weiteren
       schweren Schlag erleiden. Der bisherige Eigner von La Sette, Italiens
       Telecom, trägt sich mit Verkaufsplänen. Als Hauptinteressent gilt die
       Verlagsgruppe La Repubblica-Espresso – seit Jahren erbitterter Gegner
       Berlusconis. Da überrascht es nicht, dass jetzt erste Absetzbewegungen im
       eigenen Lager zu verzeichnen sind. Generaldirektorin Lorenzo Lei jedenfalls
       erklärte letzte Woche, für Roberto Saviano stünden „die Türen der RAI
       wieder offen“.
       
       21 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Italien
       
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