# taz.de -- Roberto Saviano in Berlin: Das Gewissen Italiens
       
       > Der Autor Roberto Saviano stellte sein neues Buch "Der Kampf geht weiter"
       > vor. Statt Lesung gab es ein Gespräch, bei dem alle Gäste Experten sein
       > wollten.
       
 (IMG) Bild: Statt Lesung ein Duell der Monologe: Roberto Saviano.
       
       Eitler Fatzke, Nestbeschmutzer, Moralist: Dies sind nur einige der vielen
       Beschreibungen für den Autor Roberto Saviano in seinem Heimatland Italien.
       Der 32-jährige "Mafia-Jäger" ist nicht überall beliebt, aber in Berlin
       sieht das anders aus. Die Akademie der Künste hat Saviano eingeladen. Viele
       Menschen müssen draußen bleiben, der Andrang ist riesig und die Akademie
       reagiert mit Wartemarken. Es herrscht Popkonzert-Atmosphäre.
       
       2006 war das Jahr des Saviano: Sein Buch "Gomorrha" war ein
       Riesen-Bestseller, von der Presse hochgelobt und vom Publikum verschlungen.
       Saviano ist in Casal di Principe bei Neapel aufgewachsen – der Hochburg des
       neapolitanischen Verbrechersyndikats Camorra und unter der Fuchtel des
       Casalesi-Clans. Er beschrieb eindringlich und detailliert die Strukturen
       der Camorra – seitdem steht er permanent unter Polizeischutz.
       
       Das Leben in Polizeikasernen sieht man ihm an: Blass kommt er durch den
       Vorhang auf die Bühne – dahinter steht ein Bodyguard im Anzug. Wie immer
       trägt Saviano Hemd, Hose, Turnschuhe – wahrscheinlich hat er auch heute
       wieder dunkle Ringe unter seinen Augen, der Saal ist jedoch zu groß, um das
       zu erkennen. Fröhlich sieht Saviano selten aus. Der Abend beginnt mit einem
       3sat-Film zu seinem aktuellen Buch. Die These: Das Kentern der "Costa
       Concordia" ist ein Sinnbild des kaputten Italien.
       
       Was als Lesung angekündigt wurde, entpuppt sich als Gespräch. Nach den
       Grußworten vom Präsidenten der Akademie der Künste Klaus Staeck, der Rede
       des italienischen Botschafters Michele Valensise, der zur politischen Lage
       Italiens "meglio tardi che mai", "besser spät als nie" sagt, beginnt der
       Schauspieler Ulrich Matthes das Vorwort aus Savianos Buch vorzulesen.
       
       Im Februar 2012 erschien seine Textsammlung "Der Kampf geht weiter", der
       pathetische Titel ist der deutschen Übersetzung geschuldet. Das Buch
       basiert auf Savianos Fernsehshow "Vieni via con me" – so auch der Titel der
       italienischen Ausgabe. Jetzt ist Saviano auf Lesetour. Das macht er nicht,
       weil er gerne der Superstar unter den Mafiajägern wäre. Der Kampf gegen die
       organisierte Kriminalität kann nur gewonnen werden, wenn die Menschen über
       die Mechanismen informiert werden – das ist das Credo des Schriftstellers.
       
       ## Ein Gespräch unter Experten
       
       Das Gespräch zwischen dem Publizisten und Journalisten Frank A. Meyer,
       Klaus Staeck und Roberto Saviano ist ein Duell der Monologe, jeder auf dem
       Podium will Experte sein. Staeck war mal in Palermo, Meyer ist Journalist
       und weiß Bescheid. Das Gespräch driftet vom eigentlichen Gegenstand ab –
       und auch Berlusconi muss schnell von der Themenliste gestrichen werden.
       
       Und dann fokussieren sich die zwei Herren doch auf Saviano. Meyer stellt
       Fragen, die der italienische Autor schon mehrfach beantwortet hat: "Wie
       leben Sie denn eigentlich?" – sein Leben ist manchmal öde; "gibt es Momente
       der Angst?" – nie. Saviano redet langsam, gestikuliert. Eigentlich will er
       über Drogenkartelle, die Naivität der Deutschen im Umgang mit dem Thema
       Mafia – "Deutschland ist das perfekte Land für die Mafia" – und vor allem
       Giovanni Falcone sprechen.
       
       Der italienische Anti-Mafia-Richter Falcone wurde ständig kritisiert, auch
       von der Linken. Erst mit seiner Ermordung hat Falcone den Heldenstatus
       erreicht – das beschreibt Saviano dezidiert in seinem Buch. Das Gefühl der
       permanenten Kritik dürfte auch ihm durchaus vertraut sein.
       
       Roberto Saviano ist kein "simpaticone", er will kein Moralist sein, ist
       aber trotzdem das Gewissen Italiens. Seine Stärke sind die Monologe, hier
       entfacht er seine ganze Kraft – doch das schien ihm an diesem Abend in
       Berlin nicht vergönnt zu sein. 800 Menschen hörten ihm zu, nach zwei
       Stunden applaudierte das Publikum frenetisch und Saviano sagt nur: "Ich
       würde euch alle sehr gerne umarmen und küssen, aber das geht leider nicht."
       
       23 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Enrico Ippolito
       
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