# taz.de -- Kipping und Schwabedissen für die Linke: Böcke sollen sich vom Acker machen
       
       > Katja Kipping und Katharina Schwabedissen kandidieren als weibliche
       > Doppelspitze für die Linkspartei. Ein „festes Paket“ haben die beiden
       > noch nicht.
       
 (IMG) Bild: Neue Generation: Katja Kipping möchte zusammen mit Katharina Schwabedissen die Linkspartei führen.
       
       HANNOVER/BERLIN taz | Im Konferenzsaal des Hotels Central am Hannoveraner
       Hauptbahnhof besiegeln sie den Neuanfang. Nordrhein-Westfalens Landeschefin
       Katharina Schwabedissen, 39, und die derzeitige Bundesparteivize Katja
       Kipping, 34, verkünden am Mittwochvormittag offiziell ihre Kandidatur als
       weibliche Doppelspitze beim Bundesparteitag Anfang Juni.
       
       Zuvor hatten sie sich in einem offenen Brief an die Parteimitglieder
       gewandt. Unter der Überschrift „Weil das Wünschen nicht geholfen hat“,
       erklären sie und vier weitere führende Linke-Politiker: „Wir werben für
       eine weibliche Doppelspitze mit Katja Kipping und Katharina Schwabedissen
       und treten als Team an, von dem wir hoffen, das es noch größer und bunter
       wird, um gemeinsam einen neuen Aufbruch der Linken zu wagen.“ Unterzeichnet
       ist das Papier von den beiden Kandidatinnen sowie von
       Bundesgeschäftsführerin Caren Lay, Brandenburgs Landesvorsitzendem Thomas
       Nord, Vorstandsmitglied Brigitte Ostmeyer und dem Bundestagsabgeordneten
       Jan van Aken.
       
       „Wir wollen in der langen Erzählung der Linken ein neues Kapitel
       aufschlagen. Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts ist nicht nur eine Frage
       der Inhalte, sondern auch der Methode: Für eine demokratische Linke“, heißt
       es weiter.
       
       Kurzfristig haben die sechs Initiatoren nun zur Pressekonferenz nach
       Hannover geladen. Antreten wollen Kipping und Schwabedissen jetzt nicht als
       „die zwei großen Vorsitzenden, sondern als Team“ mit den anderen vier
       Unterzeichnern. Die parteiinternen „Keilereien“ um die Spitzenämter, wie
       Kipping es formuliert, wollen sie mit diesem Personalangebot befrieden. Und
       eine „neue Führungskultur“ etablieren: weniger autoritär, dafür
       basisdemokratischer.
       
       ## Kollektive Willensbildungsprozesse
       
       „Wir empfinden kollektive Willensbildungsprozesse als Bereicherung“,
       erklärt Kipping. Und Schwabedissen verweist auf einen „großen Bedarf in Ost
       und West, zwischen Männern und Frauen, gemeinsam Politik zu machen“.
       
       Als Signal sei auch dieser Termin in Hannover zu verstehen, sagt der
       Hamburger van Aken: Hannover liege günstig zwischen NRW und Berlin. Einige
       müssten gleich nach der Pressekonferenz zurück nach Hause, die Kinder von
       der Schule abholen. Teilzeit und Familie müsse auch in Spitzenämtern
       möglich sein, die Arbeit im Team geteilt werden, sagt er. Für Kipping,
       Mutter einer sechs Monate alten Tochter, war das eine Bedingung für ihr
       Antreten: „In meiner Situation ist das eine Belastung, um die man sich
       nicht reißt.“
       
       Mehrfach betonen die sechs, kein „festes Paket“ zu haben und offen für
       weitere Gespräche zu sein: „Wir sind keine Kaderkommission, wir haben nicht
       für alle Posten in der Partei Personalvorschläge“, sagt der Brandenburger
       Nord. Er selbst kündigt an, für den Bundesvorstand zu kandidieren. Van Aken
       will für den geschäftsführenden oder erweiterten Vorstand antreten, die
       derzeitige Bundesgeschäftsführerin Lay kandidiert als Parteivize.
       
       Fragen nach dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch,
       der bislang an seiner Kandidatur festhält, und auch nach Oskar Lafontaine
       parieren Kipping und Schwabedissen: Am Ende entscheide die Partei über ihre
       Vorsitzenden wie auch ihre Spitzenkandidaten. Bartsch, Lafontaine und Sahra
       Wagenknecht sehen sie aber „in führenden Rollen im Wahlkampf“. Eine
       Kampfabstimmung auf dem Parteitag ist bis zuletzt möglich. Die beiden
       Frauen erhalten Unterstützung von Parteichef Klaus Ernst: „Zwei Männer
       haben wir ja schon gehabt“, sagt er.
       
       ## Grabenkämpfe beenden
       
       Fraktionsvize Ulrich Maurer, der bislang Oskar Lafontaine bedingungslos
       unterstützt hat, schlägt sich ebenfalls auf die Seite von Kipping und
       Schwabedissen: „Es ist an der Zeit, dass die Böcke sich vom Acker machen“,
       sagte er der ARD. Die Grabenkämpfe von Männerbünden müssten beendet werden.
       Wer beim Parteitag Anfang Juni als Nummer eins antritt, Kipping oder
       Schwabedissen, ist unterdessen noch unklar. Offen ist auch, was passiert,
       sollte sich eine der beiden Politikerinnen nicht durchsetzen. Kipping: „Wir
       können uns jetzt noch nicht auf alle Eventualitäten einstellen.“
       
       Der, dessen gescheiterte Kandidatur für den Parteivorsitz letztlich zu
       diesem Personalangebot führte, wurde am Mittwoch in Saarbrücken gesichtet.
       Oskar Lafontaine nahm morgens als Fraktionschef der Saar-Linken in der
       ersten Reihe im Landtag platz.
       
       23 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) T. Havlicek
 (DIR) A. Maier
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kipping und Riexinger führen die Linke: Keine Demütigung, kein Frieden
       
       Neben Katja Kipping setzt sich Lafontaine-Mann Bernd Riexinger knapp gegen
       Dietmar Bartsch als Linken-Chef durch. Damit dürfte der Flügelkampf aber
       kaum vorüber sein.
       
 (DIR) Vorstandswahl der Linkspartei: Wagenknecht empfiehlt Kipping
       
       Katja Kipping und Bernd Riexinger sollen die Linkspartei anführen, so
       empfiehlt es Vizechefin Sahra Wagenknecht. Das Duo werde ein
       „Integrationsangebot“ für die Partei sein.
       
 (DIR) Hamburger Regionalkonferenz der Linken: Im Kandidatinnenkarussell
       
       In Hamburg präsentieren sich drei Kandidatinnen für den Bundesvorstand der
       Linkspartei. Applaus gibt es für Katja Kipping, Schelte für den abwesenden
       Dietmar Bartsch.
       
 (DIR) Dietmar Bartsch: Der Skeptiker
       
       Er ist eine Schlüsselfigur im Führungsstreit der Linkspartei: Dietmar
       Bartsch. Ein Ostler, ein Macher. Das Werben um Zustimmung im Westen fällt
       ihm nicht leicht.
       
 (DIR) Streit der Woche: „Spielwiese für Alt-Stalinisten“
       
       Steht die Linkspartei vor dem Aus? Pirat Oliver Höfinghoff sagt ja:
       Frischer Wind blase aus einer anderen Richtung. Die Linke Caren Lay
       widerspricht.
       
 (DIR) Führung der Linkspartei: Eine geht noch
       
       Wer könnte noch antreten? Linke-Chef Klaus Ernst hält Oskar Lafontaines
       Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht für eine geeignete Kandidatin für den
       Parteivorsitz.
       
 (DIR) Führungslose Linkspartei: Das Gewicht der Westler
       
       Wenn es um Parteitagsstimmen geht, zählt in der Linkspartei ein Westler
       rund ein Drittel mehr als ein Ostler. Das wird zu Wahlakrobatik beim
       Parteitag im Juni führen.
       
 (DIR) Der Abgang Oskar Lafontaines: Der linke Rechthaber
       
       Mit Oskar Lafontaine verlässt der letzte deutsche Politiker alten Schlags
       die politische Bühne. Der Volkstribun und Egomane hat viele fasziniert und
       noch mehr enttäuscht.
       
 (DIR) Kommentar Linkspartei und ihre Führung: Revolte aus Verlegenheit
       
       Die Linkspartei braucht eine Führung, die Streit moderieren kann und
       Autorität hat. Das Duo Schwabedissen/Kipping wäre ein Zeichen für eine
       Neuerfindung.
       
 (DIR) Kommentar Linkspartei: Bartschs Bürde
       
       Am Tag nach Lafontaines Abgang sucht die „Linke“ jetzt den „Dritten Weg“.
       Führen muss der jedenfalls endlich in eine Richtung: Nach vorne.
       
 (DIR) Linkspartei nach Lafontaine-Rückzug: Jung und weiblich favorisiert
       
       Nach dem Rückzug Oskar Lafontaines als Kandidat für den Parteivorsitz der
       Linken mehren sich die Stimmen für eine weibliche Doppelspitze. Am
       Mittwochmittag soll es eine Erklärung geben.
       
 (DIR) Führungsstreit in der Linkspartei: Doch nicht unersetzlich
       
       Oskar Lafontaine zieht seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurück. Ist
       der Weg frei für Gegenkandidat Dietmar Bartsch? Auch mehrere Frauen sind
       mittlerweile in der Spur.