# taz.de -- Pescara Calcio steigt in die Serie A auf: Der Hexenkessel leert den Strand
       
       > Zdenek Zeman, der früh Dopingpraktiken im Fußball anprangerte, führt
       > Pescara Calcio in die Serie A. Die unscheinbare Mannschaft zeigte dabei
       > rauschhaften Angriffsfußball.
       
 (IMG) Bild: Sein Spielkonzept ging an der Adriaküste voll auf: Zdenek Zeman.
       
       PESCARA taz | Es gibt nicht immer nur schlechte Dinge wie Todesfälle,
       Wettbetrügereien und Ausschreitungen von Italiens Fußballplätzen zu
       berichten. In Pescara hat in diesen Tagen ein echtes Fußballmärchen seinen
       vorläufigen Höhepunkt gefunden. Mit Siegen gegen Mitaufsteiger AC Turin und
       den letztjährigen Serie-A-Absteiger Sampdoria Genua zementierte Pescara
       Calcio seine Position und wird im nächsten Jahr in der Serie A kicken.
       
       „Zeman, Zeman“-Sprechchöre gellten durch die Stadt an der Adria, als der
       Aufstieg perfekt war. Zdenek Zeman, der gebürtige Tscheche – und seit dem
       Einmarsch der sowjetischen Truppen 1968 in Prag Exilant – hat in seiner
       zweiten Heimat Italien ein neues Wunder nach dem Aufstiegscoup mit dem
       „Foggia dei Miracoli“ Anfang der 90er Jahre vollbracht.
       
       Binnen nur einem Jahr formte er aus einem unscheinbaren Verein eine wahre
       Offensivmaschine (89 Tore in 41 Spielen), die neben permanenter
       Begeisterung eben auch Ergebnisse produzierte. Das nur 20.000 Zuschauer
       fassende Stadio Adriatico war in den letzten Wochen ein Hexenkessel.
       Heerscharen von Pescaresi ließen die Strände Strände sein und erfreuten
       sich des rauschhaften Angriffsfußballs des Trios Immobile, Insigne &
       Verratti.
       
       Diese drei bislang völlig unbekannten Spieler sind der Schlüssel des
       Erfolgs. Immobile ist ein kantiger Strafraumstürmer, der seinen Namen
       konterkarierend aber auch bei Kontern sehr mobil ist. Seine 28 Tore haben
       Begehrlichkeiten nicht nur bei den Besitzern seiner Vertragsrechte –
       Juventus Turin und CFC Genoa – geweckt.
       
       ## Fußballschuhbewehrte Sensen
       
       Insigne, gebürtiger Neapolitaner und von dort mit sehnsüchtigen Blicken
       betrachtet, ist ein listiger Dribbler mit Zug zum Tor (18 Treffer) und Auge
       für den Nebenmann. Verratti, 19 Jahre jung, ist ein klassischer Spielmacher
       mit lässiger Technik im Zweikampf und einem Zauberfuß für Spieleröffnungen.
       
       Wie er den fußballschuhbewehrten Sensen in der Serie B auswich, sie graziös
       umtänzelte, mit Körperdrehungen anbrausende Baumfäller ins Leere rasen ließ
       und dann noch den Pass auf Immobile oder Insigne spielte, war immer das
       Eintrittsgeld wert. Verratti wurde von Nationaltrainer Prandelli nun als
       Pirlo-Ersatz ins erweiterte Aufgebot für die EM berufen.
       
       Ohne Zeman wären diese drei aber wohl nicht derart aufgeblüht. „Wir sind
       Zeman vom ersten Tag an gefolgt. Er ist für uns ein Lehrer des Lebens und
       ein Lehrer des Sports. Ohne ihn wären wir niemals in die Serie A gelangt“,
       meinte Immobile. Zeman hatte bei seinem Triumph Tränen im Gesicht.
       
       Sie rührten aber nicht von der Rührung wegen des Erfolgs her. Vielmehr ließ
       der 65-Jährige eine durch den Tod geprägte Saison vor dem inneren Auge
       ablaufen. Erst starb der Torwarttrainer Mancini. Dann ereilte Livornos
       Mittelfeldspieler Morosini im Stadio Adriatico beim Match gegen Pescara der
       Tod.
       
       ## Respektsbekundungen des Erzfeindes
       
       Und schließlich fiel ein auch bei der Mannschaft bekannter und beliebter
       Tifoso bei einer Racheaktion im kleinkriminellen Milieu einer Verwechslung
       mit seinem Zwillingsbruder zum Opfer. Auch sein Leben endete. „Das war eine
       sehr schwere, sehr belastete Saison. Aber der ganzen Mannschaft ist es
       gelungen, guten Fußball zu spielen“, sagte er mit beinahe brüchiger Stimme
       der taz.
       
       Irgendwelche Revanchegelüste verspürt der wegen seiner offenen Worte gegen
       Doping im Fußball von den Mächtigen lange marginalisierte Trainer nicht.
       Stolz ist er dennoch. Er durfte sich sogar über Respektsbekundungen seines
       Erzfeindes Luciano Moggi freuen.
       
       1998 hatte Zeman den Dopingverdacht gegen Juventus Turin öffentlich gemacht
       und auch in späteren Jahren klare Worte gegen den Schiedsrichterbestecher
       Moggi und den Sanktionsleugner Andrea Agnelli – der aktuelle Juve-
       Präsident zählt immer noch die aberkannten Meisterschaften mit – gefunden.
       Moggi sagte nun: „Resultate diskutiert man nicht.
       
       Zeman hat eine fantastische Arbeit in Pescara geleistet und sogar der
       National-mannschaft einen Spieler aus der Serie B geschenkt.“ Nun hofft
       selbst der einstige Marktmogul Moggi, dass die Mannschaft Pescaras
       wenigstens ein weiteres Jahr zusammenbleibe und die Spieler unter Zeman
       wachsen könnten. Das wäre das nächste Wunder. Denn neben den von Zeman
       entwickelten Spielern gelten nun auch ihm wieder Anfragen größerer Klubs.
       
       24 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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