# taz.de -- Müllsammler in Rio de Janeiro: Goldsucher im Abfallberg
       
       > Vor dem UN-Umweltgipfel Rio+20 wird die größte Müllhalde Südamerikas
       > geschlossen. Gutverdienende Catadores verlieren damit ihre
       > Lebensgrundlage.
       
 (IMG) Bild: In einer guten Woche verdient ein Müllsammler in Rio bis zu 390 Euro.
       
       RIO DE JANEIRO afp | Aus zerfetzten Müllsäcken quellen Essensreste,
       Milchtüten und zerbrochenes Glas, Geier hacken mit ihren Schnäbeln in den
       Abfällen, durch die Luft wabert der Gestank von Fäulnis und Verwesung. „Das
       ist der beste Ort, um Geld zu verdienen“, sagt Marlene Maria de Fatima
       Albino über ihren wenig einladenden Arbeitsplatz.
       
       Auf der Müllkippe von Jardim Gramacho am Rande von Rio de Janeiro suchen
       sie und hunderte andere Müllsammler nach wiederverwertbarem Material, um es
       an Recyclingfirmen zu verkaufen. Doch bald müssen sich die sogenannten
       Catadores neue Arbeit suchen: Kurz vor dem UN-Umweltgipfel Rio+20 wird die
       größte Müllhalde Südamerikas dichtgemacht.
       
       An diesem regnerischen Maitag durchstöbert die 59-jährige Marlene Maria den
       Müll nach Plastikflaschen, Joghurtbechern, Shampoo-Tuben - nach allem, was
       aus PET hergestellt wurde. Umgerechnet 60 Cent bekommt sie für einen Kilo
       des Kunststoffs. Mehr Geld bringen Getränkedosen, knapp einen Euro das
       Kilo, für Kupferdrähte gibt es sogar bis zu vier Euro das Kilo.
       
       Für die Catadores, denen in dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Waste Land“
       ein Denkmal gesetzt wurde, ist die Arbeit auf dem Müllberg ein gutes
       Geschäft. Auf der Halde machten sie in guten Zeiten 1000 Reais in einer
       Woche - rund 390 Euro, für viele ein kleines Vermögen in einem Land, in dem
       der monatliche Mindestlohn bei 622 Reais liegt.
       
       ## Inmitten von Mangrovenwäldern
       
       Doch damit ist ab dem 1. Juni Schluss. Dann wird die Müllkippe offiziell
       stillgelegt, rund 35 Jahre, nachdem Mitte der 70er Jahre die damaligen
       brasilianischen Militärherrscher entschieden, den Abfall der Metropole Rio
       inmitten von Mangrovenwäldern und direkt an der Guanabara-Bucht abzuwerfen.
       
       Seitdem karrten zu Spitzenzeiten jeden Tag 900 Lastwagen mehr als 8000
       Tonnen Müll an, auch giftiger Industriemüll wurde hier unbehandelt
       abgeworfen. Auf dem 130 Hektar großen Areal haben sich so 60 Millionen
       Tonnen Müll zu einem 60 Meter hohen Berg aufgetürmt. Giftstoffe haben die
       Guanabara-Bucht verseucht und die Mangrovenwälder zerstört, die jetzt
       wieder aufgeforstet werden.
       
       Immer wieder wurde die Stilllegung der Halde verschoben. Doch nun, gerade
       noch rechtzeitig vor dem Weltumweltgipfel, zu dem vom 20. bis 22. Juni
       Staats- und Regierungschefs aus aller Welt anreisen, kann der Gastgeber
       zeigen, dass er es ernst meint mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
       
       Rios Bürgermeister Eduardo Paes feiert die anstehende Stilllegung der von
       ihm als „Umweltverbrechen“ gegeißelten Müllkippe gar als „größten Sieg für
       die Umwelt in der Geschichte Rios“.
       
       ## 5000 Euro Abfindung
       
       Nelson dos Santos, der seit 15 Jahren den Müll in Jardim Gramacho
       durchwühlt und auf Handschuhe schon lange verzichtet, kann die Begeisterung
       nicht teilen - schließlich geht es um die Schließung seines Arbeitsplatzes:
       „Was sollen wir denn machen, wenn die Müllkippe dichtmacht?“, schimpft der
       55-Jährige.
       
       Immerhin bekommt jeder der mehr als 1700 registrierten Catadores eine
       Entschädigung von umgerechnet rund 5000 Euro, außerdem sollen für sie Jobs
       in neuen Mülltrennungsanlagen geschaffen und Kurse zur beruflichen
       Fortbildung angeboten werden.
       
       Bei Marlene Maria kommt bereits Wehmut auf, wenn sie über die Schließung
       der Müllkippe spricht: „Ich werde die anderen Catadores vermissen, wenn ich
       hier nicht mehr arbeiten kann.“
       
       25 May 2012
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
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