# taz.de -- Bürgerbeteiligung bei Straßenbahnverlängerung: Hohe Herren nicht willkommen
       
       > Beim ersten Huchtinger Bürgerforum zur Verlängerung der Linie 1 schallte
       > Verkehrssenator Lohse und BSAG-Vorstand Eisenberg scharfe Kritik
       > entgegen.
       
 (IMG) Bild: Alte Schiene: Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) plant die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 1 in Huchting über die Trasse der Bremen-Thedinghäuser-Eisenbahn.
       
       Mit dem Auto, nicht mit der Bahn, hatte sich der grüne Verkehrssenator
       Joachim Lohse am Mittwochabend nach Huchting auf den Weg gemacht: zum
       ersten „Bürgerforum“ über die Verlängerung der Straßenbahn-Linien 1 und 8,
       ins örtliche Bürger- und Sozialzentrum. Mit ihm auf dem Podium saß auch
       Wilfried Eisenberg, Vorstandssprecher der BSAG und Stadtplanerin Bianca
       Urban. „Umfassend informieren“ wollten sie und „Anregungen sammeln“.
       Stattdessen aber hagelte es Kritik.
       
       „Alles Scheiße“, raunt ein Mann aus den hinteren Reihen, als Lohse die
       Pläne des Ressorts vorstellt: dass er seit seinem Amtsantritt im Juni 2011
       drei Varianten hat prüfen lassen, wie die Linien 1 und 8 am besten durch
       den Stadtteil führen können. Dass geprüft wurde, wie die Einschnitte bei
       den Grundstücken und der Natur zu minimieren seien. Und, dass es eben das
       Beste sei, wenn die Linie 1 hinter dem Roland Center in den Willakedamm
       abbiegt, dann auf der alten Trasse der Bremen-Thedinghäuser Eisenbahn
       einige Meter eingleisig geführt wird, und schließlich in Mittelshuchting
       endet.
       
       Volle 6.000 Autofahrten könne das täglich einsparen, verkündet der Senator
       – und erntet Gelächter. „Sie müssen mir die Zahlen schon glauben!“, ruft
       Lohse. Das Lachen wird eher noch ausgelassener: Mit müssen muss Lohse den
       Huchtingern gar nicht kommen, und den Glauben haben sie längst verloren.
       Zumal an die Segnungen der Straßenbahn. Die wollen die meisten der 100
       BesucherInnen hier überhaupt nicht mehr. Den Bus mögen sie, der einmal im
       Kreis durch den Stadtteil fährt. Den kennen sie, der verbindet. Und, sie
       fühlen sich mit ihren Sorgen auf der anderen Seite des Flusses, im
       Stadtzentrum, nicht gehört. Nun, da der Senator und der BSAG-Chef Eisenberg
       da sind machen sie ihrem Ärger Luft. Eisenberg erwidert: „Es gibt auch
       Experten außerhalb von Huchting. Ich habe 26 Jahre Verkehrsplanung
       gemacht“. Das kommt nicht gut an.
       
       „Seit den 90er Jahren reden wir über die Straßenbahn und es wird am Beirat
       vorbeigeplant“, sagt Beiratssprecherin Annemarie Werner.
       
       Wie Lohse ist sie bei den Grünen, doch auch deren Ortsgruppe heißt ihn
       nicht willkommen. Stattdessen haben die örtlichen Grünen Flyer ausgelegt,
       die für eine Streckenführung über Huchtings Hauptverkehrs-Ader, die
       Kirchhuchtinger Landstrasse, werben – so, wie es der Beirat bereits 2005
       beschlossen hatte. Lohse allerdings schließt das aus, erklärt es den
       Huchtingern noch einmal: Führt man die Linie 1 und 8 über die
       Hauptverkehrsstrasse, verteuert das die ganze Unternehmung um über 20
       Millionen Euro. Damit aber würde die Investition eine bestimmte
       Kosten-Nutzen-Effizienz nicht mehr erreichen. Und das wiederum gefährde die
       Förderkulisse, den großen Zuschuss des Bundes. Schlimmstenfalls müsste
       Bremen dann die kompletten Kosten, insgesamt also fast 100 Millionen Euro
       selbst übernehmen. „Lügen“ schallt es aus einer Ecke.
       
       Die Fronten sind verhärtet. Wer von dem Senator etwas wolle, sagt die grüne
       Beiratsprecherin Werner ins Mikrophon, während sie Lohse gegnüber steht,
       der solle besser „seine Einwände schriftlich einreichen“.
       
       Brigitte Koehnlein, Sprecherin des Verkehrssenator bewertet den Abend als
       einen „ersten Schritt“ in die richtige Richtung: „Wir hoffen, die sachliche
       Diskussion noch weiter auszubauen“, sagt sie am Tag danach.
       
       Doch die Straßenbahnverlängerung in Huchting hat mittlerweile auch die
       Bürgerschaft erreicht: Am Dienstag reichte die SPD eine Anfrag in der
       Bürgerschaft ein: Thema ist das „Journal Verlängerung Süd“, das die BSAG am
       23. Mai herausgebracht hat. Wie der Senat die Veröffentlichung angesichts
       des zeitlich parallelen Bürgerbeteiligungsverfahrens im Stadtteil Huchting
       bewertet, erkundigt sich damit der Abgeordnete Sükrü Senkal für seine
       Fraktion. Tatsächlich nennt sich das Heftchen zwar „eine Information zum
       geplanten Ausbau der Linien 1 und 8“ – hat aber dann doch den Charakter
       einer Propaganda-Schrift für die von Senat und Unternehmen favorisierte
       Lösung. „Was in Tenever positiv ankommt, tut auch Huchting, Stuhr und Weyhe
       gut“, konnten die aufgebrachten Anlieger darin erfahren – und dass die
       Planerinnen und Planer „gespannt“ seien „auf Ihr ganz persönliches Feedback
       und auf Ihre Ideen“.
       
       30 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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