# taz.de -- Stehplätze in Fußballstadien: Steh auf, wenn du nen Sitzplatz hast!
       
       > Aus Fans, die auf den billigen Plätzen stehen, werden Verbrecher gemacht.
       > Doch die Gefahr lauert in den Stadien anderswo: auf den gemütlichen
       > Sitzen.
       
 (IMG) Bild: Stehen, rennen, stürmen, zündeln – der Kulturmensch kennt viele Formen der überschwänglichen Fanfreude.
       
       BERLIN taz | Es ist noch kein Jahr her, da tobte in Deutschland eine
       Sitzplatzdiskussion. Es ging um den Präsidentenstuhl. Sepp Blatter, der
       Chef des Internationalen Fußballverbandes, hatte sich angeblich darüber
       beschwert, dass der für ihn vorgesehene Stuhl im Frankfurter
       Frauen-WM-Stadion nicht genau in der Verlängerung der Mittellinie
       angebracht worden war.
       
       Es waren schwere Zeiten für den Fifa-Boss. Der Kongress seines Verbandes
       kurz vor der Frauen-WM hatte einmal mehr verdeutlicht, dass die Fifa eine
       Art Verbrecherorganisation ist.
       
       Und dann die Stuhldiskussion. Häme wurde ausgeschüttet über den Fifa-Boss,
       der das mit dem Stuhl bald schon dementieren ließ. Er hatte dann einen
       guten Sitzplatz unweit des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
       
       Derzeit tobt in Deutschland eine Stehplatzdiskussion. Sicherheitspolitiker,
       allen voran Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, fordern die
       Abschaffung der Stehplätze. Von ihnen gehe zu große Gefahr aus für Leib und
       Leben von Fans, Spielern, Sicherheitspersonal und Polizei. In der Tat wird
       nicht selten gezündelt auf den Tribünen. Viele Fans, die sich der
       Ultrabewegung zugehörig fühlen, wollen nicht verstehen, dass es nicht
       erlaubt sein soll, Stadien mit bunten Rauchwolken in stimmungsvolle Arenen
       zu verwandeln.
       
       ## Nicht freud-, sondern gewaltvoll sind die Bilder
       
       Doch die Bilder von brennenden Kurven erzeugen längst eine ganz andere
       Wirkung. Sie stehen nicht für die Freude am Fußball, sie stehen für Gewalt.
       Aus Fans, die bengalische Fackeln hochhalten, sind in der Wahrnehmung vor
       allem der Sicherheitspolitiker längst Verbrecher geworden.
       
       Die Fans, die zündeln, stehen auf den billigen Plätzen der Stadien. Die
       Abschaffung der Stehplätze wird da schnell als Allheilmittel in der
       Verbrechensbekämpfung gesehen. Aber stimmt eigentlich, was da verkündet
       wird? Oder sind die wahren Verbrecher nicht eher auf den Sitzplätzen zu
       finden?
       
       Sepp Blatter, der Boss dieser schrecklich korrupten Fußballfamilie, ist im
       Kreise der sitzenden Verbrecher eine kleine Nummer. Die ukrainischen
       Staatslenker, die ihre politischen Gegner wegsperren und Tausende Menschen
       auf den Polizeiwachen des Landes foltern lassen, sind da schon ganz andere
       Kaliber. In einer gewöhnlichen Stehplatzkurve eines Bundesligastadions ist
       gewiss weniger verbrecherische Energie versammelt als auf den Ehrentribünen
       der EM-Spiele in der Ukraine.
       
       ## Sitzend Fussball gucken, zeitgleich foltern lassen
       
       Unvergessen sind auch die Bilder von dem argentinischen Diktator Jorge
       Rafael Videla, der sich sitzend die Spiele der Fußball-WM 1978 ansah,
       während in den Folterkellern des Landes unzählige Menschen verschwunden
       waren.
       
       Die knapp 25.000 Menschen, die sich alle zwei Wochen auf die riesige
       Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion stellen, sind gewiss weniger
       angsteinflößend, als es die argentinische Folterdiktatur war. Nein, die
       wahren Verbrecher sitzen auf den teuren Plätzen.
       
       Warum fordert eigentlich niemand ein Sitzplatzverbot?
       
       1 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
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