# taz.de -- SPD: Plus/minus links
       
       > Der Mann kann rechnen: Kurz vor dem Parteitag, bei dem der Linke Jan Stöß
       > Chef werden will, präsentiert sich sein Unterstützer Raed Saleh als
       > Unternehmerfreund.
       
 (IMG) Bild: Raed Saleh, SPD-Fraktionschef, in Aktion und im Zentrum des Geschehens: Hier flankiert vom CDU-Vorsitzenden Florian Graf und Finanzsenator Ulrich Nussbaum.
       
       Unternehmerisch denken. Alles durchrechnen. Kein Platz für Ideologie. Drei
       Tage vor der Neuwahl des SPD-Landesvorsitzenden hat sich Fraktionschef Raed
       Saleh am Mittwoch vor Unternehmern bemüht, Ängsten vor einem Linksruck zu
       begegnen. Dem von Saleh unterstützten Parteilinken Jan Stöß werden gute
       Chancen eingeräumt, den bisherigen Chef Michael Müller abzulösen. Bei der
       Industrie- und Handelskammer (IHK) warb Saleh für Unternehmertum und wandte
       sich dagegen, Privatisierungen staatlicher Betriebe um jeden Preis
       rückgängig zu machen: „Einem Verkaufsrausch darf jetzt nicht aus Ideologie
       ein Kaufrausch folgen.“
       
       Ja, er habe bei der IHK mit der Vorstellung aufräumen wollen, dass ein
       Linker nur Geld ausgeben, nicht rechnen könne und allein ideologisch
       motiviert sei, bestätigt Saleh später der taz. „Wenn es nur um Ideologie
       geht, dann ist es schlechte linke Politik“, sagt er. Auf den Führungsstreit
       in der SPD geht er nur kurz ein: Lieber jetzt als in vier Jahren, sagt er
       zum Zeitpunkt der Debatte. Ein „reinigendes Gewitter“ erwartet er vom
       Parteitag am Samstag. Ruhe müsse danach einkehren – „egal wer gewinnt“.
       Offiziell bekennt er sich immer noch nicht zu Stöß – das will er mit dem
       Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit so verabredet haben. Aber man
       wisse ja, wo er stehe, sagt er.
       
       Der Mittwoch ist überhaupt der Tag, an dem die klischeeartige
       Gegenüberstellung der beiden Kandidaten – der Linke Stöß gegen den
       Mitte-rechts verorteten Müller – endgültig konterkariert wird. Rechter als
       Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky ist in der Berliner SPD kaum
       einer, und sogar der spricht sich an diesem Morgen in einer Zeitungskolumne
       klar für Stöß als künftigen Parteichef aus. Und nicht nur dass –
       Buschkowsky lobt in seinem Beitrag auch ausdrücklich Saleh: „Der kümmert
       sich vor Ort.“ Zuvor schon hatten sich auch SPDler, die durchaus nicht der
       Parteilinken zuzuordnen sind, auf die Seite von Stöß geschlagen.
       
       Immer deutlicher wird kurz vor der Wahl im Neuköllner Estrel-Hotel, dass
       nicht die echte oder vermeintliche politische Orientierung der Kandidaten
       wahlentscheidend ist, sondern ihr Führungsstil. Müller wird weniger dafür
       kritisiert, als Stadtentwicklungssenator keine linke Politik zu machen –
       das wäre auch schwer, weil sich etwa sein Mietenkonzept mit dem von Stöß
       deckt. Als Senator mache Müller einen hervorragenden Job, ist vielmehr auch
       von Stöß-Unterstützern zu hören. Doch als Parteichef spreche er mit zu
       wenigen in der SPD – mit kaum jemandem, sagen einige sogar.
       
       Wenn die Unternehmer zu dem Treffen bei der IHK einen Linken erwartet
       hatten, für den in alter Denkweise – „Ihr da oben, wir da unten“ – der
       Unternehmer böse ist und auf der anderen Seite steht, dann enttäuscht sie
       Saleh. Der spricht nicht von Verstaatlichung, sondern wünscht sich Berlin
       als Stadt, „in der man schon in der Schule Lust hat, Unternehmer zu
       werden“. Das liegt auch näher, weil Saleh als Teilhaber eines
       18-Mitarbeiter-Medienbetriebs in Spandau selbst Unternehmer ist. „Auch die
       Landespolitik muss unternehmerisch denken“, sagt er.
       
       In einem Punkt schimmert an diesem Mittwochmorgen aber auch bei Saleh eine
       Glaubensfrage durch. Viele Gemeinsamkeiten der rot-schwarzen Koalition
       erwähnt er. Doch als es um Infrastrukturprojekte geht, lässt Saleh die
       früher von ihm bekämpfte Verlängerung der Autobahn 100, neben dem Flughafen
       zentrales Bauprojekt von Rot-Schwarz, schlicht aus. Der taz sagt Saleh
       später dazu, er habe nicht viel Redezeit gehabt. Die aber reicht aus, um
       ein anderes Straßenprojekt mit dem langen Namen „Tangentialverbindung Ost“
       zu nennen – in der Zeit hätte er dreimal „A 100“ sagen können.
       
       6 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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