# taz.de -- Thomas Gottschalks letzte Sendung: Zurückgelassen wie ein Hotelzimmer
       
       > Der Wille war da, doch Gottschalk fand sich nur schwer im neuen Format
       > zurecht. Es ging um süße Nichtigkeiten in der Vorabend-Todeszone. Die
       > tragende Form fehlte.
       
 (IMG) Bild: Und Tschüss: Tür zu, Sendung tot.
       
       „Thomas Gottschalk“, heißt es in der ARD-Mediathek, „stellt seine
       verbleibende Sendezeit Menschen mit außergewöhnlichen Träumen, Visionen und
       Projekten zur Verfügung.“
       
       Verbleibende Sendezeit – das klingt nach schwerer, unheilbarer Krankheit,
       und genauso war es ja auch: Als die Promigäste Anfang Mai zugunsten von
       Normalos mit „66 Träumen“ aus der Sendung geschmissen wurden, war
       „Gottschalk Live“ längst dem Tode geweiht. Im Grunde war das unausgegorene
       Format eine Totgeburt, denn ihm fehlten von der ersten Sendung an die
       Visionen, die Gottschalks Träumer vor den wenigen verbliebenen Zuschauern
       präsentierten.
       
       Nur 920.000 Menschen sahen am Mittwoch die gehetzte, emotionslose
       Abwicklung der Sendung, gestartet war Gottschalk im Januar mit immerhin 4,5
       Millionen. Und auch das war schon eine Enttäuschung.
       
       Gottschalk hat also auf den letzten Metern viele Träume seiner Zuschauer
       wahr werden lassen, sein größter Traum allerdings blieb unerfüllt: Nach
       „Wetten, dass..?“ suchte er sein Glück in der kleinen Form, bei seinen
       Wurzeln im Radio. Irgendwie intim und irgendwie interaktiv sollte es
       werden, irgendwie ganz anders also als die größte Unterhaltungsshow
       Europas.
       
       Gottschalk war mit Anfang 60 bereit, nochmal neu anzufangen, ein Wagnis
       einzugehen – eine höchst respektable Entscheidung, aber eine zum Scheitern
       verurteilte. Aus Gründen, die mit dem Moderator selbst zusammenhängen, aber
       auch mit dem Format, seinem Sendeplatz und den Strukturen, in denen es
       entstanden ist.
       
       Der Wille war da, doch Gottschalk fand sich nur schwer im neuen Format
       zurecht, wirkte fahrig, großspurig, wie der reiche Onkel aus Amerika (der
       er ja auch ist). Und in einem grotesken Missverhältnis dazu ging es in
       „Gottschalk Live“ bis zur Traum-Phase um – ja, worum eigentlich? Um
       Promigossip und lustige YouTube-Filmchen, um wenig bis nichts also.
       
       ## Ein Gottschalk macht noch keinen Sommer
       
       Das allein wäre kein Beinbruch gewesen, süße Nichtigkeiten können sehr
       unterhaltsam sein, doch bei aller anfänglichen Grundsympathie für solch ein
       neuartiges Format ist es der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment
       nicht gelungen, die Versatzstücke in eine tragende Form zu bringen.
       Gottschalk zog in einen Rohbau ein, aus dem weder er noch der im März auf
       die Baustelle gerufene Redaktionsleiter Markus Peichl ein bewohnbares,
       geschweige denn gemütliches Zuhause zu machen vermochten.
       
       Die Verantwortlichen, in der Produktionsfirma wie in den ARD-Gremien, haben
       die Strahlkraft des Entertainers gewaltig überschätzt: Ein Gottschalk macht
       noch keinen Sommer (Dass auch der Moderator selbst offenbar vom Gegenteil
       ausging, kommt noch erschwerend hinzu).
       
       Außerdem schwächten ARD-interne Querelen „Gottschalk Live“. Während
       WDR-Intendantin Monika Piel, die als derzeitige ARD-Vorsitzende Gottschalk
       ins Erste geholt hat, bis zuletzt treu zu ihm hielt, hat Programmdirektor
       Volker Herres das Format schon nach wenigen Wochen aufgegeben. Gezielt
       gestreute Meldungen, wonach „Gottschalk Live“ die Quote der „Tagesschau“
       beschädigt oder Gebührengelder verschwendet (tatsächlich finanzieren
       Werbeeinnahmen das Vorabendprogramm), spielten Herres in die Hände.
       
       Zum Verhängnis wurde „Gottschalk Live“ auch der Sendeplatz am Vorabend, den
       der Moderator selbst „Todeszone“ nannte. Vor der „Tagesschau“ funktioniert
       schon seit Generationen kaum noch eine Sendung, und wenn mal was Erfolg
       hat, dann wird es totgeklont, wie derzeit die „Heiter bis
       tödlich“-Schmunzelkrimis.
       
       Gottschalk ist unter der Maßgabe angetreten, diesen Bann zu brechen, hat
       aber sein Publikum nicht gefunden – wie auch? Um glänzende Quoten
       einzufahren, hätte er Leute zum Einschalten animieren müssen, die vor der
       „Tagesschau“ Besseres vorhaben als fernzusehen.
       
       ## Vom Hof gejagt
       
       Gottschalk wollte verbrannte Erde wieder urbar machen und ist jetzt selbst
       ein bisschen angekokelt: Er hätte endgültig zum Kaiser von
       Fernsehdeutschland aufsteigen können, so aber wurde er zugunsten von König
       Fußball einen Tag früher als geplant vom Hof gejagt, legt jetzt erst mal
       eine „kreative Pause“ ein. Er wird wiederkommen und sein unerschütterlicher
       Optimismus, dieses Beach-Boy-Hafte, wird ihn weitermachen lassen, als wäre
       nichts geschehen. Seine Kritiker wird es ärgern, seine Fans werden ihn
       dafür noch mehr lieben.
       
       „Der Vorabend ohne mich wird sehr öde, denkt an meine Worte!“ sagte
       Gottschalk zum Abschied. Keine Generalabrechnung, nicht mal ein böses Wort.
       Thomas Gottschalk ließ „Gottschalk Live“ ungerührt hinter sich wie ein
       Hotelzimmer. Tür zu, Sendung tot. Wie sollen die Zuschauer ein Format
       vermissen, dem selbst der Moderator keine Träne nachweint?
       
       7 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) was fehlt ...: ... die letzte Sendung
       
       Hach je. Da wird Gottschalk schon unehrenhaft entlassen, dann wird ihm auch
       noch die letzte Sendung gestrichen. Der ARD ist ein Vorbericht zur
       Fußball-EM wichtiger. ...
       
 (DIR) Schauspielerprotest bei „Gottschalk Live“: Unter Thorstens und Thereses
       
       Endlich bekommt „Gottschalk Live“ einmal positive Aufmerksamkeit: Dank
       kreativ protestierender Schauspielstudenten von der Berliner
       Ernst-Busch-Hochschule.
       
 (DIR) Kommentar Absetzung „Gottschalk live“: Er hat alles, was uns fehlt
       
       Warum ist Thomas Gottschalk mit „Gottschalk live“ in der ARD gescheitert?
       Weil seine Gesten zu groß waren fürs deutsche Vorabendprogramm.
       
 (DIR) Aus für ARD-Vorabendsendung: „Gottschalk dead“
       
       Dass es so nicht für „Gottschalk Live“ weitergehen konnte, war wegen mieser
       Quoten schon länger klar. Nun steht ein Termin für die letzte Folge der
       ARD-Vorabendsendung fest.