# taz.de -- Zoff bei der „Thüringer Allgemeinen“: Organisierte Demotivation
       
       > Bei dem Erfurter WAZ-Blatt begehrt die Redaktion gegen ihren Chef auf.
       > Sie bemängelt die sinkende Auflage und vor allem die zusammengebrochene
       > Kommunikation.
       
 (IMG) Bild: Die Redaktion ist unzufrieden mit ihrem Chefredakteur Paul-Josef Raue: Thüringer Allgemeine.
       
       Dass JournalistInnen mit ihrer Chefredaktion Hühnchen zu rupfen haben, soll
       hier und da vorkommen. Bei der Thüringer Allgemeinen (TA) geht der Zoff
       aber weit über das Geflügelreich hinaus. Würde bei dem Blatt aus Erfurt die
       Chefredaktion noch wie zu Wendezeiten gewählt, wäre Paul-Josef Raue jetzt
       wohl weg vom Fenster.
       
       In einem geharnischten Brief wenden sich rund zwei Drittel der
       RedakteurInnen von Thüringens größter Zeitung, die zum Essener WAZ-Konzern
       gehört, gegen den Chef. „Wir beobachten die Entwicklung unserer Zeitung mit
       großer Sorge. Die Auflagenzahl sinkt ungebremst, die Abbestellungen
       befinden sich auf dramatischem Niveau.
       
       Offenbar brachten der Neustart der Zeitung mit anderem Layout und
       veränderter Seitenfolge sowie die versuchte Umorganisation der Redaktion
       nicht den von uns allen gewünschten Erfolg“, schreiben die rund 80
       UnterzeichnerInnen – darunter auch viele Hierarchen wie Ressortleiter und
       Lokalchefs – an den „sehr geehrten Herrn Raue“.
       
       Der war 2010 als Nachfolger des von den WAZ-Lenkern gefeuerten
       Chefredakteurs Sergej Lochthofen von der ebenfalls WAZ-eigenen
       Braunschweiger Zeitung nach Erfurt kommandiert worden und hatte der TA vor
       einem Jahr einen umfänglichen Relaunch verordnet.
       
       ## „Der Betriebsfrieden ist inzwischen gefährdet“
       
       Nun schreiben die RedakteurInnen: „Die Zeitung verliert in den Augen vieler
       Leser an Relevanz. (…) Die Aufmachung der Beiträge wirkt oft bieder. (…)
       Ihre Antwort kennen wir aus Ihren Ansprachen: Die Redakteurinnen und
       Redakteure tragen die Schuld. Sie seien ja dazu angehalten, spannende
       Geschichten zu produzieren und die Ausgaben zu gestalten – und scheiterten
       daran. Diesen Vorwurf haben Sie auch unseres Wissens des Öfteren außerhalb
       der Redaktion öffentlich geäußert. Damit führen Sie allerdings selber Ihre
       redaktionelle Verantwortung als Chefredakteur ad absurdum.“
       
       Die Kommunikationskultur sei völlig zusammengebrochen: „Sie wird geradezu
       unter Ihrer Leitung verhindert. Ein organisierter, vertrauensvoller Kontakt
       zwischen den Redakteuren findet nicht mehr statt. Redaktionskonferenzen,
       wie sie in allen relevanten Zeitungen zur bewährten Praxis gehören, wurden
       formlos abgeschafft.“
       
       Die Folge: „Diese Situation hat das Klima in der gesamten Redaktion auf
       einen bisher ungekannten Tiefpunkt sinken lassen. Demotivation wird
       geradezu organisiert“, so das Schreiben. Auch Appelle des Betriebsrats an
       die Chefredaktion blieben wirkungslos: „Der Betriebsfrieden ist inzwischen
       gefährdet.“
       
       ## Ernüchtendes Ergebnis
       
       Dieses Schreiben – in dem die TAlerInnen unter anderem die Wiedereinführung
       der von Raue als „unnötig“ bezeichneten Redaktionskonferenzen fordern –
       sollte eigentlich gestern der Chefredaktion übergeben werden. Doch jemand
       hatte gepetzt – und so konnte Raue schon am Dienstag zur großen Aussprache
       nach Erfurt laden. Das Ergebnis war ernüchternd, sagen Teilnehmer, mancher
       wird deutlicher: „Es ist unmöglich, mit diesem Mann zu reden.“
       
       Offiziell heißt es von den Initiatoren des Briefes, nun sei „ein
       konstruktiver Gesprächsprozess in Gang gesetzt. Dabei geht es darum, die
       Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege innerhalb der Redaktion zu
       klären oder zu verbessern und weiter an die neue Struktur von Blattmachern
       und Reportern anzupassen, die von der übergroßen Mehrheit der Redakteure
       nicht in Frage gestellt wird.“
       
       Bei dem Meeting, berichten Teilnehmer, habe Raue auch noch einen länglichen
       Stegreifvortrag gehalten. Darüber, dass man sich in Thüringen doch bitte
       noch glücklich schätzen sollte und dass beim Mutterkonzern WAZ im
       Ruhrgebiet alles viel schlimmer sei. Damit hat Raue vielleicht sogar recht.
       Allein – es nützt nichts.
       
       7 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Funke Mediengruppe
       
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