# taz.de -- Entsorgung von Atommüll: Hoffnungsträger unter Tage
       
       > Auf seiner Tour durch die Atommülllager im Land erreicht Niedersachsens
       > Umweltminister Schacht Konrad. Anders als sein Amtsvorgänger versteht er
       > mit Protest umzugehen.
       
 (IMG) Bild: "Der Zug fährt, und das muss er auch": Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) unter Tage.
       
       SALZGITTER taz | Saftig grün steht das Korn auf den Feldern rund um
       Salzgitter-Bleckenstedt. Nur das Schild mit der Aufschrift „Weltatomerbe
       Braunschweig – Asse, Morsleben, Konrad“ lässt erahnen, was hinter dem Zaun
       mit dem Stacheldraht geschieht. Hier, unmittelbar angrenzend an die 100.000
       Einwohner-Stadt Salzgitter, nur acht Kilometer entfernt von Braunschweig,
       entsteht rund um den Förderturm des ehemaligen Eisenerzbergwerks „Schacht
       Konrad“ Deutschlands einziges genehmigtes Atommüllendlager. Knapp einen
       Kilometer unter der Erde sollen 303.000 Kubikmeter schwach- und
       mittelradioaktiver Müll eingelagert werden. Auf ewig.
       
       2019, so plant es das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als
       Konrad-Betreiber, soll das Endlager fertig sein. Und die Zeit drängt, wie
       Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP), seit Januar im Amt, in
       dieser Woche bei seinem ersten Besuch vor Ort in Salzgitter bekräftigte:
       „Der Zug fährt, und das muss er auch: Die Zwischenlager laufen voll“, hält
       er den gut 50 Konrad-Gegnern entgegen, die ihn am Tor der Anlage mit
       Traktoren erwarten – und mit der Forderung nach einem sofortigen Baustopp.
       
       Der Aufzug in die Tiefe braucht knapp anderthalb Minuten. Über 30 Grad sind
       es dort, gut zehn Grad mehr als an der Oberfläche. Rotbraunen Staub wirbeln
       die Jeeps auf, die den Umweltminister und seinen Begleittrupp aus
       Ministeriumsleuten und Presse zur Baustelle unter Tage fahren. In Schacht
       Konrad, wo bis 1976 Eisenerz für Salzgitters Stahlwerke gefördert wurde,
       ist es trocken, wie BfS-Vizepräsidentin Stefanie Nöthel immer wieder
       betont. Anders als im nur 20 Kilometer entfernten einsturzgefährdeten
       Salzstock Asse, wo 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll
       gammeln, dringt in Konrad kein Wasser ein. Eine 400 Meter dicke Tonschicht
       schütze die Einlagerungskammern davor, die derzeit in 850 Meter Tiefe
       entstehen, argumentiert Nöthel. Auch deshalb eigne sich Konrad besonders
       als Endlager.
       
       Laut rumpelnd frisst sich die sogenannte Teilschnittmaschine in den Stein.
       Bis zu sechs Meter am Tag kommt sie voran mit ihren zwei mit Spitzen
       gespickten Schneidköpfen. Bis zu 800 Meter lang sind die
       Einlagerungskammern, die in Konrad derzeit ausgebaut werden. Anderthalb
       solcher Stollen sind fertig, sechs bis sieben sollen es bis 2019 werden.
       4.000 Atommüll-Container will das BfS dann jährlich in Konrads Kammern
       einlagern. Pro Woche sollen in Salzgitter ein Container per LKW und bis zu
       20 per Zug angeliefert werden.
       
       Nicht nur die bevorstehenden Atommüll-Transporte auf Straße und Schiene
       beunruhigen die Konrad-Gegner, die Umweltminister Birkner am Tor empfangen
       – Anwohner, Landwirte, Metallgewerkschafter. Sie alle reiben sich besonders
       daran, dass der Müll auf ewig unter Salzgitter liegen soll. Denn die
       Einlagerungskammern mit den Containern sollen mit Spritzbetonwänden
       verschlossen, Hohlräume mit Beton verfüllt werden. Das unterirdische
       Wegesystem der Anlage soll mit Geröll und Gestein verschlossen werden,
       sobald alle Kammern voll sind, die beiden Schächte zur Oberfläche will der
       Betreiber füllen und versiegeln. Über Tage bleibt vom Atommüll dann nur
       noch eine Dokumentation darüber übrig, wo genau er in den Kammern lagert.
       
       Und während Niedersachsens schwarz-gelbe Landesregierung in der Debatte um
       das geplante Bundesgesetz zur Suche eines Standorts für hochradioaktive
       Abfälle darauf drängt, auch die Option auf Rückholbarkeit des Mülls zu
       prüfen, spielt das bei schwach- und mittelradioaktiven Abfällen bislang
       keine Rolle. Zum Ärger der Gegner: „Wir wollen nicht, dass unsere Enkel
       hier in 20 Jahren das gleiche erleben wie mit der Asse“, rufen sie Birkner
       entgegen. Einst als Forschungsbergwerk deklariert, wurde der Salzstock de
       facto als Endlager genutzt. Jetzt arbeitet das BfS an der Sanierung und
       prüft derzeit, ob sich die maroden Atommüllfässer aus der
       einsturzgefährdeten Asse bergen lassen – mit offenem Ausgang.
       
       „Es ist völlig klar, dass es auch in der Region Salzgitter Ängste gibt“,
       räumt Birkner bei seinem Konrad-Besuch ein. Gorleben, Asse, Konrad: Alle
       drei niedersächsischen Atommülllager hat er mit der Einfahrt in dieser
       Woche seit seinem Amtsantritt besichtigt. Protest ist ihm überall begegnet.
       
       Anders als sein Vorgänger Hans-Heinrich Sander (ebenfalls FDP) aber weiß
       Birkner damit umzugehen: Während Sander einst zum Konrad-Besuch im
       „Kerngesund“-T-Shirt antrat und gleich für klare Fronten sorgte, sprintet
       Birkner mit ausgestreckter Hand auf die Kritiker zu. Und betont, er
       persönlich bevorzuge ebenfalls eine rückholbare Endlagerung. Aber: „Wir
       wollen aus der Kernenergie aussteigen, wir wollen den Rückbau und dafür
       brauchen wir ein Endlager.“ Und Konrad sei „nicht die Asse, hier ist ein
       Verfahren über 20 Jahre durchgeführt worden. Eine neue Bewertung ist nicht
       nötig.“
       
       Schon 1982 hat der Bund das Endlager beantragt, 290.000 Einwendungen gehen
       im Zuge des Verfahrens ein. Der damalige SPD-Umweltminister Wolfgang
       Jüttner erteilt 2002 dennoch die Genehmigung. Bis 2007 laufen mehrere
       Klagen und Verfassungsbeschwerden von Kommunen und Landwirten gegen Konrad
       – und scheitern allesamt. Seitdem läuft der Ausbau des Ex-Bergwerks zum
       einzigen nach Atomrecht genehmigten Endlager in Deutschland.
       
       Und auch das Bemühen um Akzeptanz läuft seither: 2009 schiebt der damalige
       Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) einen Ausgleichsfonds für das
       Endlager in seinem Heimatwahlkreis an. Ende 2011 richtet die
       Bundesregierung den „Konrad-Fonds“ ein: 100 Millionen Euro fließen in einen
       Stiftungstopf, aus dem gemeinnützige Projekte in der Region Salzgitter
       gefördert werden sollen.
       
       In Salzgitter selbst empfängt Konrad-Betreiber BfS in seinem
       Informationszentrum mitten in der Fußgängerzone jährlich 5.000 Besucher,
       4.000 davon besichtigen die Anlage auch unter Tage. Ein Werben um
       Vertrauen, das wirkt: Als im Januar die Pläne von Ex-Bundesumweltminister
       Norbert Röttgen (CDU) bekannt werden, mit dem geplanten Endlagersuchgesetz
       auch eine neues „Bundesinstitut für Endlagerung“ zu beschließen, spricht
       sich Salzgitters Stadtrat per Dringlichkeitsbeschluss dafür aus, dass das
       BfS zuständig für Endlagerung bleiben soll – und damit auch für Konrad.
       
       Und so hält sich die BfS-Vizepräsidentin bei der Frage, ob auch der
       Asse-Müll in Schacht Konrad endgelagert werden soll, bedeckt. „Es gibt
       keinen vorgezeichneten Weg von der Asse nach Konrad“, sagt sie. „Die Frage,
       wohin, stellen wir uns, wenn klar steht, dass die Rückholung des Mülls
       klappt.“ Zudem sei offen, ob sich der Atommüll aus der Asse überhaupt für
       Konrad eigne – und ob er die genehmigten Kapazitäten des Endlagers nicht
       übersteigt. 120.000 Kubikmeter schwach- und radioaktiver Müll aus
       Atomkraftwerken, Industrie und Forschung warten schon jetzt bundesweit in
       oberirdischen Zwischenlagern auf ein Endlager. Bis 2040 werden es
       Schätzungen zufolge 280.000 Kubikmeter sein – Schacht Konrad mit seinen
       303.000 bislang genehmigten Kubikmetern wäre damit so gut wie voll.
       
       Auch Umweltminister Birkner lässt die Zukunft des Asse-Mülls bei der
       Pressekonferenz zum Abschluss seiner Atommülllager-Tour offen. „Die
       Rückholung und langfristige Sicherung des Mülls ist unser drängendstes
       Problem“, sagt er. „Eine Lösung kann ich trotzdem nicht auf dem
       Silbertablett präsentieren.“
       
       Darum bemüht aber ist er: Frisch zum Konrad-Besuch in Salzgitter
       eingetroffen, ist seine erste Frage an BfS-Frau Nöthel die nach
       Erweiterungsmöglichkeiten des Endlagers. Theoretisch gibt es die:
       Ursprünglich waren 650.000 Kubikmeter für Konrad beantragt. Um die derzeit
       genehmigten Kapazitäten aufzustocken, müsste das BfS einen
       Planfeststellungsbeschluss beantragen. „Das prüfen wir im Moment aber
       nicht“, stellt Vizepräsidentin Nöthel klar.
       
       8 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
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 (DIR) Atommüll
       
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