# taz.de -- Eröffnung der Documenta: Voll politisch
       
       > Zur Eröffnung der Documenta 13 gibt es Widersprüchliches und
       > Sonntagsreden. Politische Wirksamkeit ist intendiert, verfehlt ihr Ziel
       > jedoch.
       
 (IMG) Bild: Auf diese Besucherin hat die Documenta 13 vielleicht politisch, nicht aber aufrüttelnd gewirkt.
       
       Wird die Kunst wieder politisch? So fragen Leute, die Angst vor ihr haben.
       Denn Kunst ist ja deshalb interessant, weil sie keine Politik ist. Wer sie
       nur anschaut, wenn oder weil sie „politisch“ ist, scheut sich vor der
       Irritation, die von ihr als Generator nie gesehener Formen, Bilder und
       Ideen ausgeht – was viel politischer ist, als ständig Plakate hochzuhalten.
       
       Alle Freunde der „gesellschaftlichen Wirksamkeit“ der Kunst können
       zufrieden sein. Ja – die Documenta 13 ist politisch. Von dem chilenischen
       Nebelfänger Horacio Larrain Barres über Theaster Gates’ Hausinstandsetzung
       bis zu den Time-Bankern Julieta Aranda und Anton Vadokle gleicht die immer
       noch wichtigste Kunstschau der Welt geradezu einem großen
       sozialökologischen Versuchslabor. Genau dem also, welches die Politik nie
       so richtig zustande bringt.
       
       Mit einem Documenta-Ableger in Kabul kommt die internationale Solidarität
       nicht zu kurz. Und mit der Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers
       Breitenau arbeitete Gunnar Richter einen dunklen Fleck der
       Regionalgeschichte auf. Sogar Jimmie Durhams selbst gemachten
       Documenta-Apfelsaft gibt’s zu kaufen. Hans Eichel konnte also zu Recht
       aufatmen.
       
       „Da wird nichts beschönigt und zugekleistert“, beschied der ehemalige
       Bundesfinanzminister und Kasseler Oberbürgermeister Journalisten mit einem
       besonders nachdrücklichen Bekenntnis zu dem Missverständnis „politische
       Kunst“. „Kunst kann uns aufwecken“, sekundierte ihm Bundespräsident Joachim
       Gauck pastoral-milde, als er die Documenta am Samstag eröffnete.
       
       Diese Sonntagsreden hört man oft und ungern. Weil sie Leute intonieren, die
       sich im Ernstfall keinen Deut um die kritischen Erkenntnisse der Kunst
       scheren. Rezeptionsästhetisch und werkpraktisch stand die offizielle
       Eröffnung der Documenta 13 damit aber in einem gewissen Gegensatz zu den
       geistigen Intentionen ihrer Erfinderin.
       
       Denn eigentlich will Carolyn Christov-Bakargiev der Welt nahebringen, dass
       die Grenze zwischen dem, was Kunst ist und was nicht, „unwichtiger“ wird.
       Und dass der sich als größten anzunehmenden Künstler missverstehende Mensch
       sich nicht mehr so wichtig nehmen solle – im Angesicht der großen
       Kunstproduzenten Natur, Wissenschaft und Zufall.
       
       Sollte die Botschaft von Bakargievs „grüner“ Documenta also sein, dass die
       Welt den von ihr erstrebten „Zustand der Hoffnung“ erreicht, wenn sie die
       Dinge sich selbst entwickeln lässt? So wie in dem „Doing-Nothing-Garten“,
       den der chinesische Künstler Song Dong in der Karlsaue aus einem riesigen
       Berg organischen Abfalls aufgetürmt hat? Ausgerechnet da, wo sie die
       Kunstwelt am meisten provozieren will, erweist sich die kämpferische
       Ökofeministin am unpolitischsten.
       
       10 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
 (DIR) Ingo Arend
       
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