# taz.de -- Volkswirt über Krisen und Steuern: „Wir werden alle mehr Steuern zahlen“
       
       > Die Abgaben der Wohlhabenden sollten steigen, sagt Ökonom Tony Atkinson.
       > Das allein werde aber nicht reichen, um die verschuldeten Staaten zu
       > entlasten.
       
 (IMG) Bild: Alle müssen zahlen.
       
       taz: Herr Atkinson, Arm und Reich driften in Europa und den USA immer
       stärker auseinander. War dies eine Ursache für die Finanzkrise ab 2007? 
       
       Tony Atkinson: Es ist jedenfalls auffällig, dass die Zahl der Finanzkrisen
       seit 1980 weltweit extrem zugenommen hat – und dass genau in diese Zeit
       auch der starke Anstieg der oberen Einkommen fällt.
       
       Wer hat unter der letzten Finanzkrise am meisten gelitten? 
       
       Anders als in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 haben diesmal die obersten
       Einkommensgruppen kaum verloren. Stattdessen wurde vor allem die
       Mittelschicht durch den Crash getroffen. Dies hat auch mit den veränderten
       Kapitalmärkten zu tun. 1929 war nur eine Minderheit an den Börsen aktiv.
       Jetzt sind sehr viele Menschen indirekt den Aktienmärkten ausgesetzt, weil
       Pensionsfonds für ihr Alter vorsorgen. Gerade diese Kleinsparer haben
       verloren.
       
       Durch die Finanzkrise und die Rezession sind die Staatsdefizite stark
       gestiegen. Sollte man die Steuern für die Reichen erhöhen? 
       
       Es spricht nichts gegen einen Spitzensteuersatz von über 50 Prozent. Aber
       man sollte sich nicht nur auf die Einkommensteuer konzentrieren. Genauso
       wichtig sind die Kapitalerträge. Nötig ist auch eine effektive
       Erbschaftsteuer.
       
       In Deutschland wurde die Erbschaftsteuer auf die Firmenvermögen aber
       faktisch abgeschafft. 
       
       Auch in Großbritannien gibt es diese Sorge, dass eine angemessene
       Erbschaftsteuer das Überleben der Firmen gefährden könnte. Daher schlage
       ich ein anderes Modell vor: Der Staat sollte stiller Teilhaber der Firmen
       werden.
       
       Bisher entwickelt sich die europäische Diskussion aber in eine andere
       Richtung: Weil die Staatsdefizite steigen, werden überall die
       Sozialleistungen gekürzt. 
       
       Beim Staatsdefizit wird auf die falschen Zahlen gestarrt. Es wird immer nur
       gemessen, wie sich das Defizit zur Wirtschaftsleistung verhält. Das ist
       aber uninteressant. Wichtig ist: Welches Nettovermögen besitzt der Staat?
       In Großbritannien zum Beispiel ist das Defizit durch die Finanzkrise stark
       angestiegen. Gleichzeitig hat der Staat aber auch verschiedene Großbanken
       teilweise oder ganz übernommen. Diese Banken haben einen Wert.
       Wahrscheinlich werden sie sich in Zukunft sogar mit Gewinn verkaufen
       lassen. Genau wie in Norwegen in den 90ern.
       
       Also kann Europa die steigenden Staatsdefizite getrost ignorieren? 
       
       Nein. Wir alle werden mehr Steuern zahlen müssen. Selbst wenn die Beiträge
       der Reichen substanziell steigen, wird dies allein nicht reichen.
       Gleichzeitig muss man aber auch dafür sorgen, dass es eine Gerechtigkeit
       zwischen den Generationen gibt. Meine Generation, die Alten, wird fast
       überall geschont. Aber es wird zugelassen, dass die Jugendarbeitslosigkeit
       in einigen Ländern 50 Prozent erreicht.
       
       Was schlagen Sie vor? 
       
       Es sollte europaweit eine Kindergrundsicherung geben, die vor Armut
       schützt. Bildungsausgaben sollten als Investitionen zählen und von
       Sparprogrammen ausgenommen werden.
       
       12 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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