# taz.de -- Korruption in Russland: 200 Millionen für den Nikolaus
       
       > Der Atomkonzern EnBW soll sich nach Angaben eines Lobbyisten Einfluss in
       > Russland gekauft haben. Transparency International verlangt die
       > Aufklärung der Vorgänge.
       
 (IMG) Bild: Der Energiekonzern EnBW könnte mit den Schmiergeldern seine Hydranten vergolden – wie hier in Stuttgart.
       
       BERLIN taz | In einem Video auf seiner Homepage präsentiert die russische
       Wohltätigkeitsstiftung „Heiliger Nikolaus der Wundertäter“ einen mächtigen
       Chor, der fast 100 knabenhafte Sänger zählt. In roten Roben schmettern sie:
       „Gott sei des Herrschers Schutz! / Mächtig und weise / Herrsch’ Er zum
       Ruhme / Zum Ruhme uns.“
       
       Wer das Konzert bezahlt hat, ist nicht ganz klar, folgt man jedoch den
       Ausführungen des russischen Energielobbyisten Andrey Bykov, sitzt der
       Sponsor möglicherweise im fernen Stuttgart. Bykov gab dem Handelsblatt ein
       bizarres Interview, in dem er folgende Geschichte erzählt: Der
       baden-württembergische Atomkonzern habe ihm 200 Millionen Euro gegeben, um
       mittels ebenjener Stiftung des heiligen Nikolaus die Russen von der
       Gutmütigkeit der Schwaben zu überzeugen.
       
       Die Hälfte sei sein Honorar gewesen. 84 Kirchen, 30 Denkmäler, 60
       Schachschulen, 200 Konzerte, Wallfahrten, Schulen, Bücher und vieles mehr
       habe er damit bezahlt. „Klimapflege dieser Art ist in Russland völlig
       üblich“, sagt Bykov.
       
       Folgt man seinen Worten, hat die EnBW Anfang der 2000er Verhandlungen mit
       dem russischen Staatskonzern Rosneft und Gazprom derart unprofessionell
       versemmelt, dass sie bei den Russen komplett unten durch waren. Somit war
       auch der Zugang zu dem lukrativen russischen Erdgas versperrt – weshalb nur
       eine jahrelange monetäre Unterstützung des in Russland äußerst populären
       Nikolaus die Sache wieder ins Lot bringen konnte.
       
       ## „Unzulässige Einflussnahme“
       
       Bykov vermutet, dass alle drei Vorstandsvorsitzenden von 2000 bis heute
       davon wussten – also Gerhard Goll, Utz Claassen und der amtierende
       Hans-Peter Villis. EnBW behauptet dagegen, Bykov sei für die Kerntechnik
       engagiert worden, etwa um Uranlieferungen zu sichern. Weil er nicht
       geliefert habe, fordern die Schwaben derzeit vor verschiedenen
       Schiedsgerichten 130 Millionen Euro zurück.
       
       Der Lobbyist sagt, er könne beweisen, dass es nie um Kerntechnik ging. Das
       sei nur Tarnung gewesen. Eigentlich sei es darum gegangen, der EnBW Zugang
       zu russischen Gasfeldern zu verschaffen. Der Energiekonzern ist demnach
       selbst schuld, dass daraus nichts wurde: 2008 habe die EnBW erneut
       Gespräche über eine Beteiligung an einem Gasfeld in letzter Minute platzen
       lassen.
       
       „Zunächst sieht das alles sehr dubios aus und muss Anlass für eine
       lückenlose Aufklärung sein“, sagt der Geschäftsführer von Transparency
       International in Deutschland, Christian Humborg. Dann könne man auch
       bewerten, ob es sich um Korruption handle.
       
       „Es riecht nach einer unzulässigen Einflussnahme“, sagt Humborg. Seine
       Organisation veröffentlicht regelmäßig einen Korruptionswahrnehmungsindex.
       Darauf belegt Russland von 182 Ländern abgeschlagen Platz 143.
       
       13 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) EnBW
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) EnBW unterliegt vor Gericht: Herr Bykov besiegt die Schwaben
       
       Der Energiekonzern EnBW verliert auch seinen letzten Prozess gegen einen
       Lobbyisten. Der gottesfürchtige Russe darf nun seine Millionen behalten.
       
 (DIR) Zensur in Russland: Seiten sperren jetzt ganz einfach
       
       Gegen Kinderpornographie und Verharmlosungen von Drogen soll ein neues
       russisches Gesetz angeblich vorgehen. Kritiker fürchten Einschränkungen der
       freien Meinungsäußerung.
       
 (DIR) Hauptversammlung EnBW: Kampf gegen Windmühlen ist vorbei
       
       Kein deutscher Stromkonzern hing so an der Kernkraft wie die EnBW. Wie sich
       die großen Energieversorger umstellen müssen – und können, wenn sie wollen.
       
 (DIR) Eon-Manager wird EnBW-Chef: Grüne küren Atomfreund
       
       Frank Mastiaux hat zwar Erfahrungen mit Ökostrom, sein Lebenslauf ist
       jedoch hauptsächlich von fossilen Energien geprägt. Abwickeln wird er die
       Kernenergie wohl nicht.