# taz.de -- Umstrittener Debattenbeitrag: Diskussionsstoff aus der DDR
       
       > In einem Lehrbuch des Rauhen Hauses blickt Margot Honeckers
       > Jugendhilfe-Experte auf die Soziale Arbeit in der DDR zurück. Er
       > verantwortete Umerziehungsheime.
       
 (IMG) Bild: Hier wurden Jugendliche drangsaliert: Jugendwerkhof Torgau in Sachsen.
       
       Die Evangelische Hochschule beim Rauhen Haus muss sich für eines ihrer
       Lehrbücher rechtfertigen. In Band II des „Grundkurses Soziale Arbeit“ kommt
       ausführlich Eberhard Mannschatz zu Wort. Er war Leiter der Abteilung
       Jugendhilfe im DDR-Bildungsministerium und als solcher mitverantwortlich
       für die Umerziehungsheime der DDR, insbesondere den berüchtigten
       Jugendwerkhof in Torgau, in dem die Jugendlichen drangsaliert wurden. Die
       Hochschule hat angekündigt, sich auf einer Fachtagung im Herbst mit der
       DDR-Jugendhilfe auseinandersetzen zu wollen.
       
       Im Grundkurs Soziale Arbeit hat der emeritierte Professor Timm Kunstreich
       „sieben Blicke auf die Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit“
       versammelt. Orientiert an sieben Epochenjahren diskutiert er vor dem
       Hintergrund der gesellschaftlichen Verhältnisse jeweils opponierende
       Vorstellungen von Sozialer Arbeit. Am Schluss des zweiten Bandes steht ein
       1995 am Rauhen Haus gehaltener Vortrag von Mannschatz, in dem dieser auf
       die Soziale Arbeit in der DDR zurückblickt.
       
       Aus Sicht des sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Lutz
       Rathenow, ist das ein Unding. Zusammen mit zwölf Verfolgten- und
       Aufarbeitungsinitiativen schrieb er einen Offenen Brief an die Hochschule:
       Mannschatz trage politische Verantwortung für das rigide System der
       Umerziehung in den Spezialheimen der DDR, das er in seinem Beitrag leugne.
       „Wir fordern Sie auf, einem Hauptverantwortlichen der DDR-Jugendhilfe wie
       Eberhard Mannschatz in ihren Lehrmaterialien keine Plattform zu bieten.“
       
       Der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag hat die Kritik
       aufgegriffen und gegen diesen „unglaublichen Vorgang“ beim nordelbischen
       Bischof Gerhard Ulrich protestiert. Außerdem wandte er sich gegen den
       Vorschlag des Hochschulrektors Andreas Theurich, die DDR-Heimerziehung in
       der Zeitschrift Widersprüche zu diskutieren. Diese erscheint in dem linken
       Verlag Westfälisches Dampfboot und nennt sich im Untertitel „Zeitschrift
       für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich“.
       
       Bischof Ulrich erklärte „den Abdruck des Vortrages von Mannschatz ohne
       ausreichende Kommentierung für einen Fehler, für den mir jedes Verständnis
       fehlt“. Er sei aber der Hochschule gegenüber nicht weisungsbefugt. Die
       Zeitschrift Widersprüche sei eine anerkannte Fachzeitschrift. Sie habe sich
       immer schon – wie das Rauhe Haus – mit dem Zwang in der Pädagogik kritisch
       auseinandergesetzt.
       
       Professor Kunstreich, der Herausgeber des umstrittenen Bandes, bittet um
       einen differenzierenden Blick: Mannschatz habe sich jahrelang gegen eine
       geschlossene Unterbringung gesträubt. Die Jugendhilfe in der DDR sei mit
       Ausnahme von Torgau nicht schlecht gewesen. Sein Buch durchziehe die
       Position: Jede Einschließung ist eine Menschenrechtsverletzung. „Es wird
       nichts gelernt aus Torgau – das ist die eigentliche Schweinerei“, findet
       Kunstreich.
       
       12 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kinderheim
       
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