# taz.de -- Kommentar Proteste in Russland: Das Regime wird nervös
       
       > Putin reagiert überzogen auf die Proteste. Zu Recht, denn ein Teil der
       > Menschen lässt sich nicht mehr einschüchtern. Allein: Es fehlt eine
       > Person, die die Opposition bündelt.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr alle Menschen in Russland sind „Führerfixiert“: Demo am Dienstag in Moskau.
       
       Auch wenn es statt des angekündigten „Marsches der Millionen“ am Ende „nur“
       bis an die Hundertausend waren: die Demonstration der russischen Opposition
       am Dienstag in Moskau hat eindrucksvoll deutlich gemacht, dass diese
       Bewegung mitnichten eine Eintagsfliege ist.
       
       Offensichtlich stimmt die These derjenigen nicht, die da meinten, dass nach
       der Wiederwahl des selbsternannten „Liders der Nation“, Wladimir Putin, im
       März zum Präsidenten dessen Untertanen wieder in die alte Lethargie
       verfallen und der Kreml in alter Manier autoritär durchregieren kann.
       
       Nein: die Proteste, die nach den manipulierten Dumawahlen im Dezember
       vergangenen Jahres nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern auch Teile
       des bis dato apolitischen Mittelstandes auf die Straße brachten, markieren
       eine tiefe Zäsur in der russischen Gesellschaft.
       
       Da nützt es auch nichts, wenn offizielle Stellen die Zahlen der Teilnehmer
       der Demonstration am Unabhängigkeitstag herunter rechnen. Oder Pessimisten
       gebetsmühlenartig darauf hinweisen, dass Moskau eben nicht repräsentativ
       für Russland ist und die Bevölkerung auf dem Land Putin mehrheitlich noch
       immer die Stange hält.
       
       Tatsache ist: Das Regime Putin ist angezählt. Zumindest ein Teil der
       Menschen ist aufgewacht und lässt sich nicht mehr einschüchtern. Das
       scheint mittlerweile auch den Verantwortlichen zu dämmern. Ihre Verdrängung
       der neuen Realität funktioniert nicht mehr.
       
       Wie sonst ist das Vorgehen der Staatsmacht gegen führende Oppositionelle in
       Form von Hausdurchsuchungen und Festnahmen am Montag zu erklären? Oder die
       Verschärfung des Versammlungsrechtes, das Demonstranten mit horrenden
       Geldstrafen belegt? So reagiert nur ein Regime, das sich seiner nicht mehr
       sicher ist und glaubt, seine Macht nur noch mit immer repressiveren
       Maßnahmen gegenüber Andersdenkenden sichern zu können.
       
       Dennoch: Zu glauben, dass das demokratisch nicht legitimierte sechsjährige
       Mandat von Wladimir Putin durch den Druck der Opposition schon bald oder
       auch nur vorfristig beendet werden kann, ist bislang nicht mehr als
       Wunschdenken. Viele Menschen in Russland sind „Führer fixiert“.
       
       Das ist auch nicht anders, wenn es um eine politische Alternative zu den
       aktuellen Machthabern geht. Eine Person jedoch, die die Oppositionskräfte
       bündeln könnte, fehlt bislang. Deren Exponenten beschäftigen sich lieber
       mit sich selbst und ihren eigenen Ambitionen. Die Frage, ob sich das in
       absehbarer Zeit ändert, können nur Putins Gegner beantworten.
       
       13 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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