# taz.de -- Adressendungen im Netz: Von .reise zu .bayern oder .lol
       
       > Die Internetverwaltung ICANN will künftig neue Endungen für Web-Adressen
       > zulassen. Neben .com und .de könnten Top Level Domains wie .paris treten.
       > Die Umsetzung wird dauern.
       
 (IMG) Bild: Zu langweilig? Bald gibt's neue Optionen.
       
       LONDON dpa | Ob .volkswagen, .hamburg oder .hotel: Die Netz- Verwaltung
       ICANN will neue Endungen für Internet-Adressen zulassen. 1930 Bewerbungen
       für Top Level Domains (TLD) seien eingegangen, sagte ICANN-Chef Rod
       Beckstrom am Mittwoch in London – diese würden nun geprüft.
       
       Auch deutsche Unternehmen wollen sich ihren eigenen Platz im Netz sichern,
       darunter Volkswagen, Lidl und NetCologne. Zudem wollen Berlin, Bayern und
       Hamburg eine eigene Endung. Innerhalb eines Jahres könnten bis zu 1.000
       neue Endungen online verfügbar sein, sagte Beckstrom. Es sei ein
       „historischer Tag“: „Das Internet wird sich für immer verändern.“
       
       Unter den Bewerbern sind zahlreiche internationale Unternehmen wie Apple,
       Microsoft, Fiat, Samsung und Zara. Eine eigene TLD wollen zudem Amsterdam,
       Paris und Tokio. Auch einige kuriose Endungen stehen in der Liste: Etwa das
       englische Wort „sucks“ und die Abkürzung „lol“, die Google haben möchte.
       Grundsätzlich kann jede Firma oder Institution eine Adressendung
       beantragen. Allerdings beträgt allein die Bewerbungsgebühr 185.000 Dollar
       (derzeit etwa 148.000 Euro), der Betrieb verschlingt noch höhere Summen.
       
       Am stärksten vertreten sind Unternehmen und Organisationen aus Nordamerika
       mit 911 und Europa mit 675 Anträgen. Aus der Region Asien-Pazifik stammen
       303 Bewerbungen, aus Lateinamerika 24, aus Afrika 17. In 66 Fällen geht es
       um geografische Endungen wie Barcelona, Kapstadt, Melbourne oder Tokio.
       
       Nach jahrelanger Diskussion setzt die ICANN die bislang größte Ausweitung
       des Adressraums in der Geschichte des Internets um. Die nicht-kommerzielle
       Organisation beschloss 2011, nahezu beliebige Wörter als Top Level Domains
       (TLD) zuzulassen, neben Städte- und Firmennamen auch generische Begriffe
       wie .auto oder .reise (gTLD). Im Januar begann die Bewerbungsphase. Derzeit
       gibt es neben den mehr als 200 länderspezifischen Endungen wie .de für
       Deutschland oder .us für die USA nur rund zwei Dutzend generische TLD,
       darunter .com, .info oder .edu.
       
       Für viele Nutzer, Markeninhaber und Gewerbetreibende sind die Möglichkeiten
       für eine gute Präsenz im Netz inzwischen knapp geworden. Die Ausweitung auf
       TLDs wie .(markenname), .reise, .hotel oder .berlin soll den
       Gestaltungsrahmen deutlich erweitern. Die Einführung und Vergabe neuer TLDs
       regelt maßgeblich die ICANN.
       
       ## Erste Adressen Anfang 2014
       
       Ab Juli prüft die ICANN die ersten Anträge. So dürfen die Bewerber keine
       Markenrechte verletzten und müssen bestimmte technische Anforderungen
       erfüllen. Ab Dezember will die Organisation erste Ergebnisse
       veröffentlichen. Da sich mehrere Bewerber um Endungen wie .baby, .hotel und
       .tennis bemühen, dürfte sich das Verfahren in diesen Fällen weiter
       hinziehen. Prof. Wolfgang Kleinwächter von der Universität Aarhus geht
       davon aus, dass spätestens Anfang 2014 die ersten Adressen mit den neuen
       Endungen ans Netz gehen.
       
       Die Ausweitung des Internet-Adressraums ist allerdings umstritten.
       Befürworter verweisen darauf, dass in einigen Adressräumen immer weniger
       griffige Adressen frei sind, etwa bei den .de-Endungen für deutsche
       Websites. Namen wie stadtplan.berlin sollen die Navigation künftig
       erleichtern; und die Marketingbranche hofft auf neue
       Vermarktungsmöglichkeiten. Wolfgang Kleinwächter, der bei der ICANN im
       Gremium für generische TLD sitzt, erhofft sich außerdem Innovationen: „Die
       neuen Adressen geben den Eigentümern viel mehr Spielraum und Rechte.“
       
       ## „Da stellt sich eine neue Industrie auf“
       
       Nach Ansicht der Internet-Expertin Jeanette Hofmann stehen mittlerweile
       aber kommerzielle Interessen im Vordergrund. „Anfangs ging es um mehr
       Vielfalt im Namensraum“, sagte die Direktorin des Instituts für Internet
       und Gesellschaft in Berlin. Einige Bewerber hätten jedoch Hunderte Adressen
       beantragt. „Da stellt sich eine neue Industrie auf“, bedauerte die
       Politikwissenschaftlerin.
       
       Vor allem den Inhabern von Markenrechten könnte die neue Vielfalt Probleme
       bereiten. Zwar gibt es Möglichkeiten, eingetragene Namen zu schützen, der
       Aufwand dürfte mit der Zulassung Hunderter neuer Top Level Domains jedoch
       deutlich höher sein als im Moment. Unter anderem die US-Regierung hatte
       deswegen Bedenken gegenüber den ICANN-Plänen geäußert, sich aber nicht
       durchsetzen können. Experten wie die Internet-Expertin Esther Dyson
       befürchten, dass durch die Erweiterung eher Redundanzen entstehen, die das
       Internet unnötig unübersichtlicher machen als dass tatsächlich mehr
       Gestaltungsfreiheit entsteht.
       
       13 Jun 2012
       
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