# taz.de -- BMW Guggenheim Lab bezieht Bürger ein: Im Urbanisierungsmöbel
       
       > Ab Freitag animiert das BMW Guggenheim Lab in Berlin die Bürger zur
       > Gestaltung ihrer Stadt. Antigentrifizierer könnten etwas lernen.
       > Mitmachen oder boykottieren?
       
 (IMG) Bild: Kuratorin Maria Nicanor (l.) und Architektin Momoyo Kaijima der mobilen Kommunikationsplattform Guggenheim Lab.
       
       „Making your City – Gestalten Sie Ihre Stadt“. Der Titel geht aufs Ganze.
       Wahrscheinlich wird es aber eher unspektakulär, wenn heute Nachmittag am
       Berliner Pfefferberg das gefürchtete BMW Guggenheim Lab seine Arbeit
       aufnimmt. Kein großer Empfang, kein Promiauflauf, kein spektakuläres
       Happening. Stattdessen wird José Gómez-Márquez etwas über Rapid
       Prototyping, kreative Konstruktion und Hacking erzählen.
       
       Der Gesundheitsexperte, Professor am Bostoner Elite-Thinktank MIT und
       Mitglied des Berliner Guggenheim-Teams, war schon zum Auftakt vergangenen
       Sommer in New York dabei. Gómez-Márquez gilt als Experte dafür, mit
       innovativen Technologien Bürger „zur aktiven Gestaltung ihrer Städte“ zu
       animieren. Nach seinem Vortrag gibt es einen „Marathon des
       Dinge-Gestaltens“.
       
       Da dürfen sich Interessenten an Laser- und Hitzedrahtschneidern oder
       3-D-Scannern versuchen. Antigentrifizierer und Stadtteilaktivisten könnten
       heute also womöglich etwas ganz Handfestes lernen.
       
       Der Auftakt passt. Schließlich wurde Berlins berüchtigstes
       Urbanisierungsmöbel vom Tokioter Architekturbüro Atelier Bow-Wow als
       „reisender Werkzeugkasten“ entworfen. Seit ein paar Wochen steht die von
       BMW zu 100 Prozent finanzierte und vom New Yorker Guggenheim Museum, so
       versichern es die Macher, zu 100 Prozent inhaltlich unabhängig
       verantwortete, 180 Quadratmeter große Box aus Karbonfaser sicher im
       Hinterhof des Kreativ-Komplexes im gut durchgentrifizierten Prenzlauer Berg
       – statt an der offenen Kiezbrache in Kreuzberg.
       
       Noch wurden keine Lab-Verhinderer gesichtet. Der künstliche Rasen ist
       ausgerollt. Station 2 einer fünfjährigen Tour durch neun Großstädte der
       Welt kann ihren Betrieb aufnehmen.
       
       ## Schon ein Erfolg
       
       Schwer zu sagen, ob die rund sechswöchige Arbeit den Berlinern mehr bringen
       wird als den erwarteten Zuwachs an Street-Credibility für den
       Nobel-Sponsor. Fragt man Maria Nicanor nach den Ergebnissen von 53 Tagen
       Lab in New York, waren die vielen Gespräche mit Passanten schon ein Erfolg.
       Aber die zierliche Kuratorin des Projekts verweist auch auf die
       Zusammenarbeit mit der Initiative „First Street Green“ vor Ort.
       
       Das Lab-Gelände dort wurde nach dem Ende des Projekts in einen Park
       umgewandelt. Sein Auftritt, so erzählt die 32-jährige Kunsthistorikerin
       auch gern nebenbei, habe an der Houston Street in Manhattan die Veteranen
       vom Tompkins Square reaktiviert, die dort in den 60er und 70er Jahren gegen
       Gentrifizierung und Vietnamkrieg demonstriert hatten.
       
       ## Solarkaffee-Rösten und Rad-Ausflüge
       
       Verdrängungsmodernisierung, Zwangsräumung, Ferienwohnungen oder
       Mietenwahnsinn. Gemessen an den Problemen, die den Berlinern auf den Nägeln
       brennen, wirkt „Confronting Comfort“ etwas allgemein. Auch wenn hinter dem
       Generalthema die wichtige Frage steckt, wie das Verlangen nach Komfort und
       soziale und ökologische Verantwortung in Einklang zu bringen sind.
       
       Das Berliner Programm, das Nicanor und ihr deutscher Kollege Lutz Henke vom
       Kreuzberger Kunstverein Artitude zusammengestellt haben, kommt ebenfalls
       bewusst pragmatisch daher: Rad-Ausflüge, Roboterbau und Anleitung zum
       Solarkaffee-Rösten. Doch aus den erbitterten Protesten im Vorfeld haben die
       Guggenheimer offenbar gelernt.
       
       Das kann man auch an einem brisanten Projekt sehen: Mehr als 20.000 Euro
       Anschubfinanzierung wollen sie in ein „interaktives Onlinetool“ und ein
       „Partizipationsmobil“ stecken, das öffentliche Liegenschaften bekannt
       machen und gestalten helfen soll. Danach soll es in Eigenregie betrieben
       werden. Florian Schmidt, Stadtsoziologe und Mitbegründer der kritischen
       „Initiative Stadt neu denken“ ist mit von der Partie. Die Berliner
       Künstlerin Corinne Rose wird das Urban-Mapping-Projekt in einem Kunstwerk
       verarbeiten.
       
       ## BMW breitet die Arme aus
       
       Für Lab-Kritiker dürfte da eine Linie überschritten sein. Doch warum das
       Angebot Lab nicht austesten? Einerseits entlastet das Klaus Wowereits
       Senat, der es zehn Jahre nicht geschafft hat, die Debatte über die Zukunft
       der Stadt anzuschieben, die den Lablern vorschwebt. Andererseits ließe sich
       via Box eine größere Öffentlichkeit für alternative Ideen erreichen. „Wir
       sind offen für Vorschläge. Das ist kein Ufo“, sagt Maria Nicanor mit feinem
       Lächeln. Und was sagt der böse Sponsor?
       
       „Für uns ist das ein großes Abenteuer“, antwortete BMW-Kulturchef Thomas
       Girst kürzlich salbungsvoll in erlauchter Runde in der American Academy am
       Berliner Wannsee auf die Frage, warum BMW das Lab fördert. Und breitete die
       Arme aus. Sein Wort in der kritischen Urbanisten Ohr. Warum nicht mit
       spannenden Projekten und steter Präsenz dafür sorgen, dass dieses Abenteuer
       für die experimentierfreudigen Münchener Urbanisten auf vier Rädern
       besonders aufregend wird?
       
       15 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Guggenheim-Lab: Druck aus dem Norden
       
       Mit einem alten Feuerwehrauto will das Lab mit Bürgern über lokale
       Bauvorhaben diskutieren. Die zeigen am Blumengroßmarkt in Kreuzberg
       allerdings wenig Interesse.
       
 (DIR) Guggenheim Lab: Ungetrübte Bastelstunde
       
       Von Aufregung gibt es am Pfefferberg keine Spur: Das umstrittene Lab bleibt
       zur Eröffnung unbehelligt.
       
 (DIR) BMW Guggenheim Lab startet: Die offenen Fragen vom Pfefferberg
       
       Ab Freitag will das BMW Guggenheim Lab ausloten, was urbane Zukunft
       ausmacht. Die taz hat bei Berliner Experten nachgehakt, worum es für die
       Metropole von morgen tatsächlich geht.
       
 (DIR) Workshop-Reihe präsentiert Programm: Guggenheim Lab konkret
       
       Das umstrittene BMW-Guggenheim-Lab stellt sein Programm vor. Lokale
       Polit-initiativen kommen darin nicht vor.
       
 (DIR) Zoff um Mediaspree-Ufer: Flanieren - immer hart am Ufer
       
       Kreuzberg soll ab Herbst eine durchgängige Spreeuferpromenade bekommen.
       "Mediaspree versenken": Bürgerwille wird missachtet.
       
 (DIR) Kulturpolitik in Zeiten knapper Kassen: Aufwerten und verdrängen
       
       Berliner vertrieben kürzlich das BMW-Guggenheim-Lab aus Kreuzberg. Dennoch
       halten viele Unternehmen den Imagegewinn durch private Kulturförderung für
       lukrativ.
       
 (DIR) Guggenheim Lab: Erstes Experiment ersoffen
       
       Eine Videokundgebung vor dem Standort Pfefferberg gegen das BMW Guggenheim
       Lab versinkt in Regen und Desinteresse. Trotzdem soll der Protest
       weitergehen.
       
 (DIR) Guggenheim Lab: Das Lab regt weiter alle auf
       
       Die New Yorker Kuratorin des Guggenheim Lab stellt im Kulturausschuss des
       Berliner Abgeordnetenhauses das geplante Programm vor.