# taz.de -- Nachruf auf Nokia-Handy: Mach's gut, Taste!
       
       > Früher hatte jeder eins, heute sind Besitzer von Nokia-Handys
       > Außenseiter. Denn der Finne baut ab: bis 2013 ganze 10.000 Stellen. Sechs
       > Nachrufe.
       
 (IMG) Bild: Abschied vom Nokia. Türkis war im Übrigen geil.
       
       ## Ein Herz für Außenseiter
       
       Mein erstes Handy war kurz vor der Jahrtausendwende das Motorola CD930, ein
       sympathisch rundlicher Handschmeichler in leuchtendem Blau. Vor allem aber
       seine inneren Werte überzeugten: Vibrationsalarm hatte damals noch kaum ein
       Konkurrenzprodukt, keins von Nokia jedenfalls. Die Eingabehilfe T9 gehörte
       zwar noch nicht zur Ausstattung, das war aber auch egal. Hauptsache, ich
       konnte jetzt von unterwegs kurz Freunde anrufen. Gesimst habe ich kaum, mit
       SMS habe ich lange gefremdelt. Ein Mobiltelefon war für mich vor allem zum
       mobilen Telefonieren da.
       
       Mein erstes Handy war die Blaupause für alle weiteren – bei
       Neuanschaffungen habe ich bis auf eine Ausnahme, das seriöse Nokia 6210
       (mit Vibrationsalarm!), immer einen distinktionsbewussten Bogen um den
       langjährigen Marktführer gemacht und mir Außenseiterhandys ausgesucht; am
       liebsten mochte ich die verspielten von Sony vor der Fusion mit Ericsson,
       wegen der poppigen Klingeltöne und Tonsignale. Dabei stelle ich mein Handy
       eigentlich immer lautlos – nun ja, das Leben steckt voller Widersprüche. Im
       Frühjahr erst habe ich mich dazu durchgerungen, mir endlich ein Smartphone
       zu kaufen – kein iPhone natürlich. Hat doch jeder. DAVID DENK 
       
       ## Ostblock gegen Südchina
       
       Ich habe bisher zwei Mobiltelefone besessen. Eines ist das Nachfolgemodell
       des anderen. Das erste war hellgrau, was ich schick fand. Das zweite ist
       viel hässlicher.
       
       Ich dachte bei der Migration vom alten zum neuen, dass die Qualität des
       neuen deutlich schlechter sei. Das alte war schwer gewesen, massiv. Das
       Material fühlte sich nach Ostblock an. Das neue Nokia 6610i von 2004, war
       aus Plastik, vermutlich irgendwo in Südchina gegossen. Der Umstand, dass
       ich damit immer noch telefoniere, straft meine Materialskepsis Lügen. China
       baut gut. Was ich an meinem Telefon inzwischen besonders schätze, ist die
       Tatsache, dass es keinen Touchscreen hat. Ich telefoniere damit, und junge
       Leute flippen aus, wenn sie den Klingelton hören: Carioca. Der Sound ist
       grob gerastert, authentisch digital, also retro.
       
       Nur den Namen Nokia höre ich nicht mehr so gern, seit Nokia Siemens
       Networks dem Iran Überwachungstechnologie geliefert haben. Die Jahre haben
       das Logo aber schon fast runtergewaschen. Falls mein Cellphone kaputt gehen
       sollte, werde ich mein Verhältnis zu Smartphones klären müssen. Ich hoffe,
       es hat noch Zeit. ULRICH GUTMAIR 
       
       ## Das Dritthandy
       
       Es war ein echtes Afrika-Handy, dieses Nokia-Modell: klein, robust und
       ausgestattet mit einem Akku, der läuft und läuft und läuft. Und wenn nicht,
       hatte irgendwer sicher das passende Ladekabel. Zugegeben, viel konnte ich
       damit nicht: telefonieren, SMS verschicken, ein wenig Snake spielen. Dafür
       musste ich aber nie Angst haben, dass es geklaut wird. Es hatte ja jeder
       eins.
       
       In Nigeria, wo ständig jemand ins Handy brüllt, sind diese kleinen Nokias
       ein Auslaufmodell. Auch meins taugt nur noch als Dritthandy, da es die
       ganzen Dateien nicht öffnen kann, die Freunde und Kollegen von ihren
       Smartphones schicken. In Nigeria muss es unbedingt ein Blackberry sein. Der
       Minicomputer kann ja so viel, hat Internet, einen großen Musikspeicher,
       tolle Spiele. Vor allem aber zeigt er: Ich kann’s mir leisten.
       
       Das Handy, das sich manchmal bei genauerem Hinsehen als chinesisches
       Plagiat entpuppt, ist Nigerias bequemstes Statussymbol geworden. Es lässt
       sich überall mit hinnehmen, braucht keinen Parkplatz und lässt sich ganz
       schnell austauschen, sobald ein neues Modell da ist. Je häufiger es
       klingelt, desto wichtiger ist der Besitzer.
       
       Irgendwann hat der dann aber ein Problem. Auf Afrika sind diese
       Schnickschnacktelefone nicht ausgerichtet, der Akku ist ständig leer.
       KATRIN GÄNSLER 
       
       ## Frust in der „Nokia-Tonne“
       
       Im Bochumer Arbeiterstadtteil Riemke ist die Zukunft schon wieder
       vergangen. Wo die Zeche Constantin bis 1973 Kohle förderte, setzte die
       Stadt mit der Fernseherfabrik Graetz schon 1956 auf Unabhängigkeit von der
       Montanindustrie. Aus Graetz wurde Schaub-Lorenz, dann kam der finnische
       Konzern Nokia, der als Hersteller von Gummistiefeln begonnen hatte. Bis zu
       4.500 Menschen entwickelten und bauten in den strahlend weißen Hallen
       Mobiltelefone.
       
       Der Schock kam 2008: Trotz Subventionen von fast 90 Millionen Euro
       verschwanden die Finnen nach Rumänien. Doch auch diese Fabrik ist längst
       wieder geschlossen.
       
       Besorgt und bedrückt: So wirkten 2008 die Menschen im ganzen Revier. Die
       noch heute selbst von der Schließung ihres Werks bedrohten Opelaner bauten
       aus Solidarität einen Tag keine Autos. In der Innenstadt und vor dem
       Nokia-Werk wurde ständig demonstriert. Und im Foyer des Schauspielhauses
       stand die „Nokia-Tonne“: Wer wollte, konnte dort sein einstiges Must-have
       protestwirksam versenken.
       
       Viele lagen allerdings nicht drin. Auch ich habe noch heute ein
       Nokia-Handy. Die Dinger gehen einfach nicht kaputt. Trotzdem werde ich den
       Finnen mein Leben lang nie wieder etwas abkaufen – nicht einmal
       Gummistiefel. ANDREAS WYPUTTA 
       
       ## Profiteur des Niedergangs
       
       Mein erstes Handy war ein Nokia, klar. Meine Schwester hatte es
       ausrangiert, ihr war es nicht mehr gut genug. Diese Tradition hat sich bis
       heute fortgesetzt: Ging das eine Nokia-Handy kaputt, bekam ich das nächste,
       das den anderen zu alt, zu langsam, zu klobig, zu hässlich, zu sehr 20.
       Jahrhundert war. Ich bin der Profiteur des Nokia-Niedergangs, seit jeher.
       
       Zugegeben, sie gehen oft kaputt. Aber dafür gibt es immer jemanden, der in
       der Wühlkiste noch einen Nokia-Kolben liegen hat. Fehlende Ladekabel hat
       der An-und-Verkauf-Dealer gleich fünfzigfach vorrätig, weil keiner sie mehr
       braucht. Und das Gerät ist froh um einen Abnehmer, der ihm seine kleinen
       Schwächen großherzig verzeiht und ihm ein zweites Leben schenkt.
       
       Mein „Neuestes“ bekam ich letzte Woche von einer Kollegin. Es hat so einen
       Schiebemechanismus, um die Tasten freizulegen. Wenn mal Smartphone-Gelüste
       aufkommen, schiebe ich das Gerät einfach ein paar Mal lässig auf und zu,
       als wäre es ein Klappmesser oder so.
       
       Nur einmal, da brauchte ich beruflich ein Smartphone, und der kleine Finne
       wurde kurzzeitig zweite Wahl. Glaubt mir, ich hatte ein schlechtes Gewissen
       gegenüber diesem Helfer in jeder Not. JENS UTHOFF 
       
       ## Der Fremdgehkomplize
       
       Als ich mit 16 mein erstes Handy bekam, fand ich es noch ziemlich albern.
       SMS kosteten mehr als einzelne Zigaretten am Bahnhofskiosk, und das neueste
       und überhaupt vom Coolnessfaktor her einzig mögliche Modell war das Nokia
       3210 – der riesige Knochen passte nicht mal in die Hosentasche. Aber zu
       meinem damaligen Lifestyle. Der Teeniefreund war bei der Bundeswehr in der
       Pampa, der Liebhaber wohnte in Darmstadt, ich gleich an der Schweizer
       Grenze.
       
       Meine Mutter weigerte sich, am Festnetztelefon für mich zu lügen, so war
       das Handy meine Rettung: Ich konnte Freund und Liebhaber problemlos bei
       Laune halten, hin und her und her und hin fahren, ohne zu sagen, wo ich nun
       wirklich war. Die beiden Männer bin ich schnell wieder losgeworden, aber
       Nokia-Handys habe ich noch 13 Jahre benutzt. Ich bin ein Gewohnheitstier –
       einmal Nokia-Menü, immer Nokia-Menü.
       
       Mittlerweile benutze ich ein iPhone, da kann Nokia leider überhaupt nicht
       mithalten. Ein Nokia-Handy, das 6030, habe ich aber immer noch: das
       sogenannte Arschlochhandy. Es liegt im Regal, wird einmal im Monat
       aufgeladen und angeschaltet. Ich sichte kurz die eingegangenen SMS. Nach
       fünf Minuten geht es wieder aus, es ist halt schon sehr alt. Wer die
       Arschlochhandynummer hat, kann ich hier aber nicht verraten. ANNIKA STENZEL
       
       18 Jun 2012
       
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