# taz.de -- Bildungsbericht 2012: „Sockel der Abgehängten“
       
       > Forscher warnen vor einer Spaltung: Einerseits gibt es immer mehr
       > Abiturienten – andererseits immer mehr Sonderschüler und Jugendliche ohne
       > Chancen.
       
 (IMG) Bild: Grund zur Freude haben diese Düsseldorfer Abiturientinnen: Sie sind Gewinner.
       
       BERLIN taz | Der neue Bildungsbericht von Bund und Ländern zeichnet ein
       widersprüchliches Bild: Auf der einen Seite gibt es immer mehr höhere
       Bildungsabschlüsse, mehr Abiturienten und Studenten. Auf der anderen Seite
       beobachten die Forscher „einen stabilden Sockel der Abgehängten“, wie es
       einer der Autoren, Andrä Wolter, von der Berliner Humboldt-Universität
       formulierte. Der Bericht wurde am Freitag von Kultusministerpräsident Ties
       Rabe vorgestellt.
       
       Die Bildungsverlierer haben gewissermaßen einen eigenen Pfad in ihrer
       Loser-Karriere: Viele von ihnen werden sofort auf eine Sonderschule
       geschickt (3 Prozent beginnen ihre Schullaufbahn dort, Tendenz steigend).
       Sie gehören danach zu den 20 Prozent Risikoschülern, die bei den Pisa-Tests
       nicht sinnhaft lesen können.
       
       Die Bildungsverlierer brauchen lange, ehe sie in Ausbildung kommen – das
       Eintrittsalter liegt inzwischen quer durch die Branchen bei 20 Jahren. Wenn
       sie es überhaupt schaffen: Das sogenannte Übergangssystem hat stabil ein
       Drittel der Jugendlichen ohne Abi aufzufangen – das bedeutet, dass 300.000
       Jugendliche in Warteschleifen geparkt werden, in denen es allerlei
       Maßnahmen gibt, nur kein Zertifikat.
       
       ## Großartige Erfolge
       
       Die Kultusminister betonten am Freitag hingegen die Erfolgsstory des
       Bildungssystems: Vier Repräsentanten aus Bund und Ländern, je zwei von CDU
       und SPD, lobten sich gegenseitig für großartige Erfolge seit Pisa 2000. Und
       dann sprachen sie sehr ausführlich über den Wert der kulturellen Bildung –
       das ist der Schwerpunkt des Bundesbildungsberichts 2012.
       
       Der vielleicht bedrückendste Teil des Berichts befasst sich mit den
       Sonderschülern, jenen über 400.000 Kindern, die in einer der verschiedenen
       Kategorien sogenannter Förderschulen sind. Die Autoren des Berichts
       bemängeln, dass die Zahl der Sonderschüler sowohl in den Sonderschulen als
       auch in den allgemein bildenden Schulen steigt. Ein Paradox, dass sich die
       Forscher nur so erklären können, „dass die Förderschulen ein Interesse an
       ihrem Fortbestand haben“.
       
       In fast allen Bundesländern steigt die Zahl der Förderschüler: In Bayern
       und Baden-Württemberg kommen fast 4,5 Prozent der Kinder von der Kita
       direkt in die Sonderschule: in Mecklenburg-Vorpommern sind 11 Prozent der
       Schüler Förderschüler, in Sachsen-Anhalt 10. Nur Schleswig-Holstein baut
       zahlenmäßig so um, dass es mit der UN-Konvention für die Rechte Behinderter
       halbwegs vereinbar ist.
       
       ## Vor versammelter Mannschaft den Kopf waschen
       
       Die Forscher um Horst Weishaupt vom Deutschen Institut für Internationale
       Pädagogische Forschung machen an weiteren Stellen Rückstände der Politik
       deutlich: Die Zahl der Plätze für unter Dreijährige in Kindertagesstätten
       reicht nicht, um nächstes Jahr den Rechtsanspruch zu gewährleisten. Nach
       Angaben der Autoren fehlen 260.000 Plätze. Die Bundesregierung behauptete
       vergangene Woche, es fehlten nur die Hälfte der Plätze.
       
       Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen (CDU) im Bildungsministerium
       bestritt daraufhin bei der Vorstellung des Berichts sofort die Richtigkeit
       der Zahl. So geht die Politik mit seinen Bildungs-Berichterstattern um:
       Wenn’s nicht passt, wird ihnen vor versammelter Mannschaft der Kopf
       gewaschen.
       
       Auch bei den Hochschulen, wo ein erfreulicher Zuwachs an Studierenden zu
       begrüßen ist, gibt es Probleme. Derzeit beginnen rund 500.000 Studierende
       jedes Jahr ein Studium neu, dieses Hoch hält bis 2014 an, beschrieb Andrä
       Wolter, der auch am Hochschulinformations-System in Hannover arbeitet.
       Allerdings fehlen, wenn diese Prognose hält, satte 300.000 Studienplätze
       bis 2015. Das heißt, der Hochschulpakt ist zu gering dotiert.
       
       Der Bund hat bereits jetzt Mühe, die richtige Verwendung seiner Mittel in
       den Ländern zu überprüfen. Vor allem in den östlichen Bundesländern wird
       der Hochschulpakt zunehmend als schwarze Kasse benutzt. Erst fließt Geld
       vom Bund in die Hochschulen, dann kürzen Bundesländer wie Sachsen und
       Brandenburg an anderer Stelle den Etat der Wissenschaftsminister.
       
       22 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Füller
       
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