# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Werbebotschaftsschwachsinnsdichte
       
       > Jetzt mal Hand aufs Herz: Würden Sie Ihren besten Freund kastrieren? Eine
       > Suggestivfrage von irisierender Kraft.
       
       Ich habe gefehlt. Ich musste nach Hamburg und ließ mich – eben noch beseelt
       vom Münchner Bürgerentscheid gegen die 3. Startbahn und vom hübschen
       Vorschlag einer Radioanruferin, Inlandflüge im kleinen Deutschland zu
       verbieten – zu einem Flug breitschlagen.
       
       Ich bereute es im Vorfeld, währenddessen und immer noch. Was so eine
       Bahnfahrt quer durch Deutschland allein wieder an Kolumnenmaterial
       geliefert hätte! Wobei: Es ist ja mittlerweile – mit prekären Folgen für
       Kolumnisten in Themenfindungsnot – schier verpönt, noch blumig über die
       Unzulänglichkeiten der Deutschen Bahn zu lästern.
       
       Stets ist da neuerdings ein besonnener Schlaumeier zur Stelle, der einen
       belehrt, man jammere auf hohem Niveau, und in Hinterindien seien die Züge
       manchmal noch unpünktlicher, und da gibt es nicht mal eine mobile
       Brezenverkäuferin! Die DB-Kolumne im Zeitalter des Relativismus – auch ein
       hartes Brot. Es kommt der Tag, da dürfen wir nicht mal mehr über Baumärkte
       blöd daherreden – und was dann?
       
       Im Flieger: Reizarmut und Bildschirmwerbung. Auf Usedom, wird informiert,
       gebe es eine „ungewöhnlich hohe Wellnesshoteldichte“. Sie werden
       erleichtert sein, zu hören, dass man nur drei Suchergebnisse erhält, wenn
       man das bescheuerte Wort „Wellnesshoteldichte“ googelt, und alle beziehen
       sich auf Usedom. Man erfährt dann, dass auf Usedom nicht nur eine
       ungewöhnlich hohe, sondern in der Tat „die höchste Wellnesshoteldichte
       Europas“ herrscht.
       
       Um diese Aussage seriös treffen zu können, muss natürlich jemand mit
       weiterreichendem Überblick, als wir ihn haben, die Wellnesshoteldichten
       sämtlicher relevanter Regionen in Europa ermittelt und verglichen haben –
       ein Riesenaufwand, und am Ende wirbt dann nur Usedom mit seiner
       Wellnesshoteldichte! Kein Hinweis im ganzen Internet über die
       Wellnesshoteldichten von Lanzarote oder Bielefeld.
       
       Und während wir noch überlegten, welche Art von Gehirn auf eine solche
       Werbebotschaft anspringen soll, fiel uns an der Gepäckausgabe die Kinnlade
       runter. „Würden Sie ihren besten Freund kastrieren?“, stand da in riesigen
       Lettern auf einem riesigen Plakat, eine Suggestivfrage von irisierender
       Kraft – und die bedrohliche Antwort gleich darunter: „Wir schon.“ Ein
       Schauer der Erleichterung durchfuhr mich, dass mein bester Freund nicht mit
       nach Hamburg gekommen war, was uns hoffentlich beide aus dem Visier dieser
       Irren brachte.
       
       Aber was war hier los? Ein näherer Blick aufs Plakat brachte spärliche
       Aufklärung: Es ging irgendwie um streunende Hunde, die Hilfe bräuchten,
       wofür offenbar eine Kastration gut geeignet ist. Diesen Schluss musste man
       sich aber selbst herleiten, weil die dergestalt werbende Tierschutzstiftung
       „Vier Pfoten“ („Mehr Menschlichkeit für Tiere“) sich darin gefällt,
       unkundig mit provokanter Schockwerbung zu hantieren, statt einen
       Sachverhalt seriös zu erläutern. Ich versuche derzeit zu errechnen, auf wie
       vielen Ebenen genau dieses Plakat vollkommen idiotisch ist (wessen „bester
       Freund“ sind etwa Streunerhunde?) und sage Bescheid, sollte die höchste
       Werbebotschaftsschwachsinnsdichte Europas zu vermelden sein.
       
       28 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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