# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Venedig soll ja auch toll sein
       
       > Für Menschen entworfen, von Idiotie inspiriert – eine Kolumne fast ohne
       > Fußball.
       
       Vorhin in der Trambahn. Zwei Münchnerinnen, Abteilung
       angeprollt-gutgelaunte Konsumisten-Ulknudeln, unterhalten sich in
       ausreichender Lautstärke gackernd darüber, wohin sie ihr nächster
       anstehender gemeinsamer Städteurlaub (vermutlich: ein „Mädels“-Ding) führen
       soll bzw. wird.
       
       Es geht um Prag („nicht so toll“) und Rom („Rom lieb ich ja!“) und ob man
       das Ganze schlauerweise vor oder nach dem offenbar nicht zur Disposition
       stehenden (Stichwort: Anwesenheitspflicht) Oktoberfest in Angriff nimmt
       („dann müssten wir erst die Wies'n überleben“, hoho). Und weiter wägen sie
       die Tauglichkeit europäischer Städte für ihre Zwecke ab, da bringt die eine
       Venedig aufs Tapet. „Venedig“, pflichtet die andere bei, „Venedig soll ja
       auch toll sein.“
       
       An dieser Stelle blende ich mich aus der Unterhaltung aus und trotte davon,
       wie ein Hund, für den gerade ein saftiger Kauknochen vom Esstisch gepurzelt
       ist. „Venedig soll ja auch toll sein.“ Wie schön. Man muss eine Weile auf
       diesem Satz herumlutschen, die ganze hochverdichtete Redundanz der von ihm
       transportierten Information heraussaugen, den delikat hirnwringenden
       Kontrast schmecken, in dem diese massive Redundanz zum ungefähr
       daherfloskelnden „Ich hab da was läuten hören“-Plaudergestus des Satzes
       steht.
       
       Sich auf der Zunge zergehen lassen, wie hier die zweifelhafte Praxis des
       „stating the obvious“ auf eine famose Spitze getrieben wird, indem eine
       schon vor Jahrhunderten zu Wahrheit geronnene, nichtsdestotrotz von täglich
       ca. einer halben Trillion Touristen auf ihren Gehalt hin überprüfte Annahme
       als etwas kredenzt wird, das man sich letztens sozusagen through the
       grapevine hat zuraunen lassen. Pssst, schon mal über Venedig nachgedacht?
       „Venedig soll ja auch toll sein.“ Herrlich. Nein?
       
       Meinem zweitliebsten bescheuerten Satz bzw. Nichtsatz der Woche geht leider
       jeglicher Charme des leichtköpfig Dahingeplapperten ab, vielmehr muss man
       annehmen, dass eine hochbezahlte Agentur für seine Erstellung einen Betrag
       eingestrichen hat, den ich persönlich dann doch lieber den zwei
       Trambahn-Tanten in ihre venezianische Urlaubskasse tun würde.
       
       Es handelt sich um den Werbeslogan, mit dem ein Smartphonehersteller gerade
       sein neuestes Endgerät anpreist: „Designed for humans, inspired by nature“.
       Hier fasziniert mich zum einen die generelle tief sitzende
       Wichtigheimer-Idiotie des Ganzen und speziell die Präpotenz der Aussage,
       die den Menschen selbstverständlich nicht als Teil der Natur begreift. Die
       hat der in seiner geballten Smartness längst abgestreift und glücklich
       hinter sich gelassen, aber das Wort macht sich irgendwie geil im Slogan –
       Bionik und so, da reden doch grad alle davon.
       
       Ja, es ist wieder EM und da sieht man zwangsläufig mehr Werbefernsehen. Und
       vor jedem Werbeblock singt der Typ von Linkin Park, wie wir Menschen halt
       so sind: „Wir bauen es auf, nur um es mit dem Arsch wieder einzureißen.“ Ja
       gut, stimmt ja; ist im Grunde auch nur stating the obvious. Aber muss es
       einem jeden Abend zehnmal unter die Nase gerieben werden, wenn man ein
       bisschen eskapistisch Fußball glotzen will?
       
       14 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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