# taz.de -- Deftige Schelte: Ex-Chefpirat rechnet ab
       
       > Der frühere Landeschef Gerhard Anger geht mit seiner Partei hart ins
       > Gericht. Auch die Berliner Basis forderte zuletzt "echte Transparenz".
       
 (IMG) Bild: Da war noch gut Kirschen essen: Gerhard Anger (links) und Andreas Baum.
       
       Es war ein lockeres Gespräch, aber die Worte waren deftig. Kein geringerer
       als Gerhard Anger, bis Februar Berliner Piraten-Chef, zeigte sich
       „enttäuscht und ernüchtert“ über das bisher von der Fraktion Geleistete und
       über die dortige „Intransparenz“. Dann legte er noch einen drauf:
       Rückblickend würde er von einer Wahl der Piraten eher abraten. Er selbst
       habe kürzlich gar knapp vorm Austritt gestanden.
       
       Anger, in der Partei geschätzt und sonst ein ruhiger Typ, hatte die Kritik
       in einem aufgezeichneten [1][Gespräch] mit Fraktionschef Andreas Baum
       geäußert, das auf einer Podcast-Seite der Partei online gestellt wurde.
       Auch wenn der 36-Jährige seine Worte am Donnerstag via Twitter relativierte
       („Es hat sich seither einiges getan. Ich glaube, die Lage ist nicht
       hoffnungslos“), lösten diese in der Partei eine aufgeregte Debatte aus.
       
       „Bitter, aber nötig“, twitterte die Neuköllner Bezirksabgeordnete Anne
       Helm. Fraktionsmitglied Simon Weiß zeigte sich hingegen enttäuscht: „Tja,
       für sowas macht man das also.“ Katja Dathe, frühere Schatzmeisterin, warnte
       vor einer „Selbstzerfleischung“. Selbst die Ex-Bundesgeschäftsführerin
       Marina Weisband intervenierte: „Wir müssen weiter über unsere Probleme
       offen reden. Gute Arbeit ist wichtiger als Image und Stimmen.“
       
       Anger selbst sagte am Donnerstagabend in einer [2][zweiten] Podcast-Sendung
       mit Baum und Christopher Lauer, es hatte sich bei ihm einiger "Zorn
       angestaut", der raus musste. Das Auftreten der Fraktion in den letzten
       Tagen habe ihm aber wieder Hoffnung gemacht.
       
       Allerdings: Schon zuletzt hatte die Berliner Piratenbasis über mangelnde
       Transparenz der Fraktion gegrummelt. Mitglieder kritisierten, dass die
       Fraktion zu wenig über ihre Arbeit informiere, sich zu oft hinter
       verschlossenen Türen treffe. Auf Liquid Feedback, der Abstimmungsplattform
       der Piraten, wird an die Fraktion gleich eine ganze Palette an Wünschen
       gerichtet: mehr Blogeinträge, mehr Parlamentsinitiativen, regelmäßige
       Arbeitsberichte.
       
       Der Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner nannte Angers Kritik richtig. „Wir
       müssen uns langsam mal am Riemen reißen, das, was wir versprochen haben,
       auch einzulösen.“ Er warnte die Piraten davor, es sich im Parlament
       „bequem“ zu machen.
       
       Sein Fraktionskollege Martin Delius sagte, die Schelte Angers sei
       angekommen. Man dürfe aber „nicht vergessen, wie viel wir ohne
       Parlamentserfahrung schon erreicht haben.“ Delius kündigte an, die
       Transparenz-Frage diskutieren zu wollen.
       
       Kürzlich hatten bereits die neu gewählten Fraktionschefs Andreas Baum und
       Christopher Lauer mitgeteilt, nach der Sommerpause im Internet eine
       „Bilanz-Seite“ für die Fraktion einzurichten. Dort solle dokumentiert
       werden, „was wir politisch bisher erreicht haben“.
       
       Gleichzeitig bereitet sich die Partei auf ihre erste Großaufgabe zu: die
       Leitung des Untersuchungsausschuss zum Flughafen BER. Auch hier hatten
       Mitglieder Transparenz und Mitsprache eingefordert. Delius kündigte an,
       eben dies in dem Ausschuss „fördern“ zu wollen. So sollen etwa
       Arbeitsgruppen die Ausschussarbeit begleiten. Eingerichtet werde auch eine
       „PrivacyBox“, an die anonym Dokumente gesendet werden können. „Niemand hier
       hat unsere Prinzipien vergessen“, betonte Delius. „Die Frage ist nur: Wie
       setzen wir sie um.“
       
       28 Jun 2012
       
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