# taz.de -- Kolumne Ostwärts immer: Balotellis Tore per SMS
       
       > Das EM-Halbfinale im Zug von Donezk nach Kiew. Ein Ukrainer mit tiefen
       > Säuferbass weiß als Erster vom ersten italienischen Tor und teilt es dem
       > Waggon mit.
       
       Donezk verabschiedet sich mit einer Schnulze auf die Schönheit der Stadt
       von seinen Gästen. Über den Bahnhofsplatz dröhnt die Hymne auf den EM-Ort,
       während Hunderte Fußballtouristen in den Zug nach Kiew steigen. Beinahe
       alle reden über Fußball, und beinahe alle ärgern sich, dass sie das
       [1][Halbfinale zwischen Deutschland und Italien] nicht sehen können. Zwei
       Stunden vor der Ankunft ist Anpfiff. Schon vorher Raunen im Zug. Kroos, der
       spinnt doch, sagen die Deutschen. Kroos, der ist doch auch bei Bayern. Die
       ukrainischen Fußballexperten beraten sich. Aber warum macht Löw das?
       
       Zwei Deutsche rufen in der Heimat an. Der eine bittet seinen Bruder, den
       Hörer an den Fernseher zu halten. Zunächst ist er glücklich. Er kann den
       Kommentar verstehen. Scheiße, Steffen Simon, na gut, man kann nicht alles
       haben. Dann bricht die Verbindung ab.
       
       Neben mir sitzt ein ukrainischer Fotograf. Er bearbeitet die Bilder, die er
       beim Sieg Spaniens gegen Portugal gemacht hat. EM-Sponsor Canon hat ihm
       dafür eine professionelle Ausrüstung geliehen. Er ist glücklich, als er
       sieht, wie scharf die Mücke ist, die über Iker Casillas’ Kopf fliegt, als
       er zum Ball hechtet.
       
       Balotelli. Ein Ukrainer mit tiefen Säuferbass weiß als Erster vom ersten
       italienischen Tor und teilt es dem Waggon mit. Fast jeder bekommt eine SMS.
       Ein paar spanische Fans klatschen. Fehler Badstuber, weiß einer schnell.
       
       Der Mann hinter mir versucht, einen Tweet abzusetzen. Er tippt das Ergebnis
       ein und teilt es der Welt mit. Ich frage ihn, warum. Die Leute erwarten das
       von mir, sagt er und stellt sich vor. Hinter mir sitzt Duan Xuan, einer der
       bekanntesten chinesischen Sportreporter. Seine TV-Show „World Football“
       kennt in China jeder, der sich für Sport interessiert. Er hat 12 Millionen
       Follower auf Twitter, sagt er.
       
       2:0 Balotelli. Foul, schreit einer der Deutschen, nachdem er eine SMS
       bekommen hat. Abseits, ruft der andere Deutsche. Jetzt klatschen die
       Spanier ganz laut. Duan Xuan twittert. Stille Post nach China.
       
       Als wir aussteigen, fällt das 1:2. Da laufen längst die Diskussionen.
       Kroos, wie kann man nur! Die Spanier wissen nicht mehr, ob sie sich freuen
       sollen, dass ihr Team gegen Italien spielt. Wir diskutieren über
       Aufstellungen, die Torfolge, das Talent von Balotelli und das deutsche
       Unvermögen. In Kiew stehen wir noch lange auf dem Bahnsteig und unterhalten
       uns über ein Ereignis, das wir nicht gesehen haben. Das geht gut. Das
       Finale wollen wir aber schon sehen.
       
       29 Jun 2012
       
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