# taz.de -- Abschlussbericht über Fukushima-Unglück: Eine betrogene Nation
       
       > Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima war vermeidbar. Ein
       > parlamentarischer Untersuchungsbericht kritisiert die engen Verbindungen
       > zwischen Regierung und Atomindustrie.
       
 (IMG) Bild: Die für die Untersuchung der Fukushima-Katastrophe zuständige Kommission befragte in mehr als 900 Stunden dauernden Vernehmungen 1.167 Menschen.
       
       TOKIO dapd | Ein Untersuchungsbericht des japanischen Parlaments macht die
       engen Beziehungen zwischen Politik und Atomindustrie für die
       Atomkatastrophe im Kraftwerk Fukushima Daiichi verantwortlich. Das Unglück
       im März 2011 sei „von Menschenhand gemacht“, weil es vorhersehbar und
       vermeidbar gewesen sei, urteilte die parlamentarische
       Untersuchungskommission in ihrem am Donnerstag vorgestellten
       Abschlussbericht.
       
       Trotz der Kritik des Berichts an der Atomindustrie und der staatlichen
       Überwachung wurde am Donnerstag erstmals seit zwei Monaten wieder Atomstrom
       in japanische Netze eingespeist. Gegen den Protest zahlreicher Bürger hatte
       Ministerpräsident Yoshihiko Noda die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren
       drei und vier des Atomkraftwerks Ohi angeordnet.
       
       Sie waren wie die übrigen 50 betriebsbereiten Reaktoren des Landes nach der
       Kernschmelze in Fukushima für Sicherheitsüberprüfungen vom Netz genommen
       worden. Für den Sommer befürchten die japanische Regierung und die
       Industrie jedoch Stromengpässe, sollte der Verzicht auf Atomstrom anhalten.
       Japan könne ohne Atomenergie seinen Lebensstandard nicht halten, erklärte
       Noda.
       
       Reaktorblock Nummer drei habe am Morgen wieder begonnen, Strom zu erzeugen,
       teilte der Betreiber des Atomkraftwerks Ohi im Westen des Landes mit. Erst
       am Wochenende war der Meiler hochgefahren worden. Die Region um Ohi war vor
       dem GAU in Fukushima besonders stark auf Atomenergie angewiesen gewesen.
       Die japanische Regierung und Kraftwerksbetreiber Kansai Electric Power
       (Kepco) erklärten, die Anlage habe strenge Sicherheitstests bestanden.
       
       ## Geheime Absprachen
       
       Die Regierung hofft, weitere Reaktoren wieder starten zu können. Aktivisten
       werfen Noda vor, er stelle wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit
       des Volkes, indem er die Wiederaufnahme der Stromproduktion in
       Atomkraftwerken genehmige, ohne dass die Ergebnisse der Untersuchungen des
       Fukushima-Unglücks berücksichtigt worden seien.
       
       In ihrem Bericht kritisieren die zehn Mitglieder des
       Untersuchungsausschusses den Umgang der Behörden und des Betreibers mit dem
       Unglück. Deren Reaktion auf die Katastrophe habe die Nation um ihr Recht
       betrogen, vor Atomunfällen sicher zu sein.
       
       Das sei eine Folge geheimer Absprachen zwischen der Regierung, den
       Regulierungsbehörden und den Betreibern gewesen, die lasche Vorkehrungen
       und Vorbereitungen ermöglicht hätten. Die im Dezember vom Parlament
       eingesetzte Untersuchungskommission befragte in mehr als 900 Stunden
       dauernden Vernehmungen 1.167 Menschen.
       
       Außerdem inspizierten die Mitglieder der Kommission das havarierte
       Kraftwerk Fukushima Daiichi, das benachbarte, weniger beschädigte Kraftwerk
       Fukushima Daiini und zwei weitere Kraftwerke. In ihrem umfangreichen
       Abschlussbericht fordert die Kommission das Parlament auf, die neue
       Regulierungsbehörde und Reformen der Katastrophenschutzbestimmungen zu
       überwachen.
       
       ## Reform des Atomrechts gefordert
       
       Die japanische Regierung wird in dem Bericht aufgefordert, klare Regeln zur
       Offenlegung ihrer Beziehungen zu den Betreibern von Atomanlagen zu
       erlassen, ein System der gegenseitigen Überwachung zu installieren und das
       Atomrecht zu reformieren, um „die weltweiten Standards für Sicherheit,
       Gesundheit und Wohlfahrt“ zu erreichen.
       
       Auch in vorangegangenen Untersuchungen wurde bereits die mangelhafte
       Kommunikation zwischen dem Betreiber des Unglückskraftwerks, Tepco, und der
       Regierung sowie die mangelhafte Information der Bevölkerung über
       Strahlungsaustritte kritisiert.
       
       In dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht wird außerdem erneut die
       Frage aufgeworfen, welche Schäden das Erdbeben selbst im Kraftwerk
       Fukushima Daiichi anrichtete. Tepco erklärte nach einer ersten
       Untersuchung, es seien keine Hinweise auf größere Schäden durch die
       Erdstöße gefunden worden.
       
       Das Unternehmen erklärte den unerwartet hohen Tsunami zur Unglücksursache
       und räumte ein, dass die Tsunami-Pläne für das Kraftwerk zu optimistisch
       und die Kommunikation anfänglich problematisch gewesen seien.
       
       5 Jul 2012
       
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