# taz.de -- Polaroid-Fotoaustellung in Düsseldorf: Die Renaissance des Analogen
       
       > Einfache Handhabung, sofortiges Ergebnis: Die Düsseldorfer Ausstellung
       > „Polaroid Collection“ widmet sich einer ausgestorbenen und doch
       > hochaktuellen Fotografie-Form.
       
 (IMG) Bild: Oliviero Toscani: Andy Warhol with camera (1974)
       
       „Das Polaroid ist tot. Es lebe das Polaroid.“ Auf diese einfache Formel
       könnte man die Entwicklung des berühmten Sofortbildfilms zusammenfassen.
       Denn obwohl die Filmproduktion vor einigen Jahren eingestellt wurde und
       Polaroid 2008 Insolvenz angemeldet hat, erscheint das Medium Sofortbild
       aktueller denn je: Zahlreiche Ausstellungen widmeten sich ihm in den
       vergangenen zwei Jahren, Bücher sind erschienen, Polaroid-Magnetrahmen
       erobern die Kühlschränke und der Abreißkalender „Poladarium“ verkaufte sich
       prächtig.
       
       Den wahren Siegeszug erfährt das Polaroid allerdings ausgerechnet in dem
       Medium, das für seinen Tod verantwortlich ist: der Digitalfotografie. Apps
       lassen die mit dem Smartphone geknipsten Fotos aussehen, als wären sie just
       aus einer alten SX-70 gesurrt, und bevölkern die Fotoalben in sozialen
       Netzwerken. Je digitaler, vernetzter und flüchtiger unsere Welt wird, desto
       größer scheint die Sehnsucht nach etwas Analogem und Echtem. Dabei reicht
       es schon, wenn es nur so aussieht.
       
       All das konnte Edwin Land natürlich nicht vorhersehen, als er 1947 das
       revolutionäre Sofortbildverfahren vorgestellt hat. Wohl aber wusste er um
       die Vorteile des Mediums und holte sich mit Ansel Adams einen der
       berühmtesten Fotografen und Fototechniker als Berater dazu.
       
       ## Künstler als Betatester
       
       Gemeinsam bauten sie eine Fotosammlung auf. Der Gedanke dahinter: Künstler
       und Fotografen sollten das Polaroid-Filmmaterial testen und so an der
       Entwicklung und Verbesserung mitwirken. Im Gegenzug erhielt Land
       ausgewählte Werke von ihnen. Auf diese Weise sind gleich zwei Sammlungen
       entstanden – eine in den USA mit dem Schwerpunkt auf amerikanische
       Fotografen und eine in Europa, die international ausgerichtet war.
       
       Entsprechend groß war der Schreck in der Fotoszene, als die Sammlungen mit
       insgesamt über 16.000 Polaroids als Teil der Konkursmasse bei Sotheby’s New
       York versteigert werden sollten. Der Wiener Unternehmer Peter Coeln („Ich
       bin hauptberuflich Sammler und Jäger.“) konnte zumindest den europäischen
       Teil in seiner Gesamtheit erwerben – die amerikanische wurde hingegen
       aufgelöst und die Arbeiten wurden einzeln versteigert. Coeln verlegte seine
       Polaroid Collection schließlich von Lausanne, wo die 4.400 Bilder von 800
       Fotografen 20 Jahre lang unter perfekten Bedingungen gelagert wurden, ans
       Westlicht nach Wien.
       
       Im NRW-Forum in Düsseldorf ist nun eine Auswahl von rund 400 dieser Bilder
       zu sehen. Unter den ausgestellten Fotografen und Künstlern sind zahlreiche
       Berühmtheiten vertreten: Walker Evans, Robert Mapplethorpe und Stephen
       Shore, Helmut Newton, Oliviero Toscani und Daido Moriyama sind genauso
       dabei wie die Pop Art-Ikonen Andy Warhol und Robert Rauschenberg sowie
       Gottfried Helnwein, Marina Abramović und Charles Eames. Wobei man bei
       einigen Bildern das Gefühl hat, dass das NRW-Forum sie nur wegen des
       dazugehörigen Big Name dahinter ausstellt – unterm Strich reißt einen
       längst nicht alles vom Hocker.
       
       Das liegt daran, dass die Ausstellung in erster Linie einen Überblick geben
       möchte. Polaroid-Gründer Land wollte Künstlern ein neues Ausdrucksmittel
       zur Verfügung stellen, aber viele haben natürlich so weiterfotografiert,
       wie sie es immer getan haben. Inhaltlich am spannendsten ist deshalb vor
       allem der Bereich, in dem gezeigt wird, wie Fotografen mit dem neuen Medium
       experimentiert haben.
       
       ## Zerkratzt und manipuliert
       
       Dabei sind zwei wichtige Tendenzen zu beobachten: Zum einen manipulierten
       sie das Polaroid, indem sie es zerkratzten, die oberste Schicht abtrugen,
       es zerschnitten oder übermalten, es während der Entwicklungsphase Hitze
       oder Kälte aussetzten oder Druck auf die Emulsionsschicht ausübten. Eine
       andere Möglichkeit schien, die Schnelligkeit des Polaroids für weitere
       Aufnahmen zu nutzen, indem das Foto bereits zwei Minuten nach der Aufnahmen
       in einer folgenden Szene integriert oder zu Collagen zusammengestellt
       werden konnte.
       
       Oliviero Toscani hat dies mit Andy Warhol und Jeanloup Sieff mit seinem
       eigenen Selbstporträt gemacht, Lucien Clergue hat einen Drachenflug
       collagiert und James Nitsch spielte mit Vorder- und Hintergrund und dem
       Thema Vergänglichkeit in der Fotografie, indem unter seinem Polaroid eine
       echte und mittlerweile stark verrostete Rasierklinge hervorschaut. Ein
       Polaroid ist für die meisten dieser Aufnahmen nicht zwingend notwendig
       gewesen – aber die einfache Handhabung und das sofortige Ergebnis haben
       verspielte Experimente dieser Art stark unterstützt.
       
       Und was machen Fotografen heute mit dem Medium Sofortbild? Auch dieser
       Frage geht die Ausstellung nach und zeigt Werke unter anderem von Nobuyoshi
       Araki und Stefanie Schneider. Die arbeiten mit dem neuen
       Polaroid-Filmmaterial, dass seit 2008 von der Firma „Impossible“ in der
       alten Fabrik in Enschede hergestellt wird. Während Arakis gefesselte Frauen
       plötzlich gar nicht mehr doppeldeutig, sondern wie private Schnappschüsse
       aus dem heimischen SM-Keller wirken, ist die genau kalkulierbare
       Retro-Ästhetik zwischen Vergänglichkeit und Entrücktheit in den Arbeiten
       Stefanie Schneiders ohne das Polaroid gar nicht denkbar. Allein dafür würde
       es sich lohnen, die Fabrik weiter zu betreiben.
       
       Bleibt die Frage, wie lange die Renaissance des Sofortbildes anhalten wird.
       Denn: So „cool“ ein echtes Polaroid-Unikat auch ist – man muss nicht BWL
       studiert haben, um sich auszurechnen, dass 20 Euro für acht Fotos einfach
       zu viel sind. Und auf sein Facebook-Profil kann man es dann ja auch nicht
       hochladen.
       
       „Die Polaroid Collection“. NRW-Forum, Düsseldorf, bis 5. August, Katalog,
       Hatje Cantz, 39,80 Euro
       
       10 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Damian Zimmermann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fotografie
       
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