# taz.de -- Konservativer US-Bundesstaat Mississippi: Kreuzzug gegen Abtreibungen
       
       > In Jackson soll die letzte Klinik, die Schwangerschaftsabbrüche
       > durchführt, geschlossen werden. Vor allem schwarze Frauen wären davon
       > betroffen.
       
 (IMG) Bild: Sie ist dagegen.
       
       WASHINGTON taz | Der Weg zur National Women’s Health Organization in der
       North State Street in Jackson ist ein Spießrutenlauf. Er führt vorbei an
       wütenden DemonstrantInnen, die Fotos von Föten schwenken, die von „Gott“
       und „Satan“ schwadronieren, die versuchen, Frauen zur Kehrtwende zu
       bewegen, bevor sie durch den Metalldetektor in das Haus gehen, und die laut
       religiöse Texte rezitieren.
       
       Für Frauen in Mississippi, die ungewollt schwanger sind, ist die Klinik die
       letzte Adresse im ganzen Bundesstaat, an der sie ihr Verfassungsrecht auf
       eine Abtreibung einlösen können.
       
       Am 11. Juli beginnt ein Hearing, in dessen Verlauf Richter Daniel Jordan
       entscheiden muss, ob er die Klinik schließt. Sollte er das tun, wäre es ein
       Sieg der AbtreibungsgegnerInnen. Sie wollen wie der republikanische
       Gouverneur Phil Bryant Mississippi zum „ersten abtreibungsfreien
       Bundesstaat der USA“ machen.
       
       Grundlage für die Schließung der Abtreibungsklinik ist ein im Frühling
       verabschiedetes Gesetz, nach dem ÄrztInnen, die Abtreibungen durchführen,
       Belegbetten in Kliniken im Bundesstaat Mississippi haben müssen. Mit immer
       neuen Gesetzesinitiativen sollen Abtreibungen in Mississippi schwerer
       gemacht werden.
       
       Die GesetzgeberInnen wissen, dass drei von vier Ärzten der Klinik diese
       Auflage nicht erfüllen können. Denn sie fliegen aus anderen Bundesstaaten
       zu ihren Diensten ein und verlassen Mississippi meist noch am selben Tag
       wieder.
       
       ## Kugelsichere Weste
       
       Seit das Oberste Gericht im Jahr 1973 Schwangerschaftsabbrüche legalisiert
       hat, sind neun Beschäftigte von Abtreibungskliniken in den USA – darunter
       vier Ärzte – ermordet worden. Ein Arzt, der bis 2010 Abtreibungen in der
       Klinik in Jackson durchführte, ging stets mit kugelsicherer Weste zur
       Arbeit.
       
       Diane Derzis, die Eigentümerin der National Women’s Health Organization,
       wehrt sich vor Gericht gegen das neue Gesetz und die Schließung ihrer
       Klinik. Sie sagt, dass Frauen in Mississippi ihr Verfassungsrecht auf einen
       Schwangerschaftsabbruch verlieren würden.
       
       Und dass es keine medizinische Begründung für die Belegbetten gebe. Dagegen
       sagt der republikanische Abgeordnete Sam Mims: „Wenn die Abtreibungsklinik
       geschlossen wird, ist das ein großer Tag für Mississippi.“
       
       ## Keine unangemessenen Hindernisse
       
       Richter Jordan, selbst einst ein republikanischer Lokalpolitiker, zeigt
       hingegen Verständnis für die betroffenen Frauen. Anfang Juli, als er die
       Klinikschließung per einstweilige Verfügung bis auf den 11. Juli
       hinauszögerte, zitiert er das Oberste Gericht der USA, das erklärt, dass
       abtreibungswilligen Frauen keine „unangemessenen Lasten und Hindernisse“
       aufgebürdet werden dürfen.
       
       Unter den 50 Bundesstaaten der USA ist Mississippi der ärmste und eben
       einer derjenigen mit der höchsten Rate von Teenagerschwangerschaften und
       medizinischen Komplikationen im Kindbett. Dass besonders viele
       Afroamerikanerinnen Abtreibungen machen lassen, nehmen die DemonstrantInnen
       vor der Klinik zum Vorwand, um von einem „schwarzen Genozid“ zu reden.
       
       Mississippi ist konservativ und extrem religiös. Der Bundesstaat im tiefen
       Süden ist die „Schnalle im Bibelgürtel“. In der Verfassung steht, dass
       niemand ein öffentliches Amt bekleiden darf, der die Existenz eines
       „höchsten Wesens“ leugnet.
       
       ## Gegen Sexualunterricht und Pille
       
       Fundamentalistische Gruppen bekämpfen die schulische Sexualerziehung und
       die Pille. Offen zur Empfängnisverhütung bekennen sich nur ein paar
       afroamerikanische Kirchen. Doch das Thema Abtreibung vermeiden auch sie.
       
       Den Kreuzzug gegen Abtreibungen erklärt Laurie Roberts, Sprecherin der
       National Organization for Women in Mississippi so: „Es hat mit Religion zu
       tun – aber auch mit Stimmenfang“. Die siebenfache Mutter ist überzeugt,
       dass viele sich nicht offen äußern „wegen ihrer religiösen Arbeitgeber“.
       
       Die nächste Abtreibungsklinik ist mehr als 400 Kilometer von Jackson
       entfernt. Sollte die Klinik also geschlossen werden, wird es am schwersten
       für Frauen mit geringem Einkommen. Laurie Roberts befürchtet „verzweifelte
       Entscheidungen“.
       
       11 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Abtreibung
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
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