# taz.de -- Libyen nach der Revolution: Islamisten verlieren Wahl
       
       > Anders als in Tunesien und Ägypten behaupten sich bei den ersten freien
       > Wahlen im ehemaligen Gaddafi-Reich säkulare Kräfte. Aber auch diese sind
       > eher konservativ.
       
 (IMG) Bild: Bilder von Gefallenen der Revolution in Zintan, West-Libyen.
       
       KAIRO taz | Araber wählen in ihren ersten freien Wahlen mehrheitlich
       islamisch-konservativ: Das war in Tunesien so und auch in Ägypten. Da
       wirken die Teilergebnisse der Wahl zum libyschen Übergangsparlament letzten
       Samstag auf den ersten Blick überraschend.
       
       Nach bisherigen Trends geht Mahmud Dschibril mit seiner „liberalen“ Allianz
       der Nationalen Kräfte bisher als deutlicher Sieger hervor, mit 80 Prozent
       in den ausgezählten Bezirken Tripolis und 60 in Bengasi im Osten des
       Landes. Die Muslimbrüder oder die islamistische Al-Watan-Partei von Abdel
       Hakim Belhadsch, nach Gaddafis Sturz Militärchef von Tripolis, scheinen das
       Nachsehen zu haben. Genaue Zahlen sollen frühestens am Wochenende
       vorliegen.
       
       Daraus allerdings einen Sieg der Säkularisten, die die Trennung von
       Religion und Staat propagieren, über die Islamisten abzuleiten, würde nicht
       der Realität entsprechen. Libyens Islamisten sind nicht besonders extrem,
       die Liberalen nicht besonders säkular. Säkularismus gilt fast als
       Schimpfwort, weswegen sich im Wahlkampf keine Partei dieses Label
       angeheftet hatte.
       
       In der konservativen Gesellschaft Libyens, in der beispielsweise schon seit
       Langem ein Alkoholverbot gilt, laufen die Islamisten mit vielen Forderungen
       ins Leere. Geholfen dürfte Dschibril auch der Bekanntheitsfaktor. Einst
       Chef des mächtigen Nationalen Wirtschafts- und Planungsrats unter Gaddafi,
       dem er am Ende den Rücken kehrte, hatte sich er nach dem Sturz des
       Diktators 2011 als Chef des Übergangsrats einen Namen gemacht.
       
       ## Islamisten konnten nie frei agieren
       
       Anders als ihre Parteifreunde in Ägypten, die über Jahrzehnte über ihre
       Wohlfahrtsarbeit Prominenz gewonnen hatten, hatten die Muslimbrüder in
       Libyen unter Gaddafi nie offen agieren können. Sie blieben unbekannt.
       Vielleicht war auch die jahrzehntelange Isolation des Landes in Richtung
       Westen – ganz anders als bei Tunesien und Ägypten – ein Faktor: Die Libyer
       haben jetzt einfach die weltoffenere Variante gewählt.
       
       Dschibril, der selbst nicht als Abgeordneter angetreten ist und
       wahrscheinlich bei der Präsidentenwahl kandidieren wird, präsentierte sich
       und seine Partei schon mal als einheitsstiftend. „Wir strecken unsere Hand
       zu einem ehrlichen Dialog aus, rufen alle auf, zu einer großen Koalition
       zusammenzukommen und die neue Verfassung im Konsens zu schreiben“, erklärte
       er.
       
       Mit der kleinen Separatistenbewegung im Osten des Landes könne sich ein
       Kompromiss finden lassen, und die libyschen Islamisten seien keine
       Extremisten, erklärte Dschibril siegesgewiss. Muhammad Sawan, Chef der
       Muslimbrüder, will seine Niederlage noch nicht eingestehen, auch wenn er
       bereits offen darüber wettert, dass Dschibril viele konservative Wähler
       gebunden habe.
       
       Es wird noch eine Weile dauern, das endgültige Wahlergebnis zu
       interpretieren. Das liegt am komplizierten Wahlsystem. Nur 80 der 200 Sitze
       werden über die Parteilisten gewählt. 120 Sitze sind für unabhängige
       Kandidaten reserviert, deren politische Ausrichtung jenseits ihrer Heimat
       kaum bekannt ist. Erste unabhängige Wahlsieger haben gegenüber den
       libyschen Medien bereits erzählt, sie hätten Anrufe von der
       Muslimbruderschaft erhalten, ob sie sich ihnen nicht anschließen wollten.
       
       Der Nationalkongress, wie das neue Übergangsparlament genannt wird, soll
       innerhalb von 30 Tagen eine Regierung bestimmen, die den bisherigen
       Übergangsrat ablöst. Außerdem soll er ein Komitee ins Leben rufen, das
       innerhalb von vier Monaten dem Land eine neue Verfassung geben soll, über
       die dann eine Volksabstimmung entscheidet. In einem Jahr sollen die Libyer
       dann ein Parlament wählen.
       
       12 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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