# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Meine Abende mit Patty Hewes
       
       > Die richtigen US-Serien mögen, das ist so wie die richtigen Schuhe
       > tragen: unnützes Distinktionsgedöns. Ich schau mir an, was mir gefällt.
       > Basta!
       
       Mit Fernsehen habe ich es gerade nicht so. Erstens ist draußen in diesen
       Wochen ja so eine Art Sommer (kein „Tatort“, Unmengen Wiederholungen), und
       zweitens fühle ich mich nach zwei Stunden ziellosem Rumzappen immer so
       schmutzig, so degeneriert.
       
       Wenn ich dabei nicht durch eine kurze Unachtsamkeit Markus Lanz begegne –
       haben Sie schon den [1][grandios-gruseligen Zusammenschnitt] auf dem Blog
       des Kollegen Stefan Niggemeier gesehen? Wenn nicht: unbedingt nachholen! –,
       dann lande ich bei Perlen der Fernsehunterhaltung wie „Bordelle in Not“ auf
       RTL2.
       
       Dieses angebliche „Ratgeber“-ist ein Voyeurformat, in dem der Zuschauer
       Prostituierte beobachten kann, wie die sich die Titten eincremen und
       stöhnen, schon so lange keinen „Schwanz“ mehr gespürt zu haben.
       Verbalerotik für Einfältige in einer bizarren Mischung aus Peter Zwegats
       Schuldnerberatung und „Rach, der Restauranttester“.
       
       Als durch eine glückliche Fügung des Skripts ein Elektriker das Zimmer
       betritt – um eine Glühbirne auszuwechseln! –, fallen die Damen beinahe über
       ihn her. Wunschträume von Unterfickten. Im Porno ginge es jetzt richtig zur
       Sache – bei RTL2 muss der Elektriker aus Jugendschutzgründen unverrichteter
       Dinge gehen. Er wirkt erleichtert.
       
       Natürlich habe ich die Folge zu Ende geguckt – erst als der Abspann lief,
       konnte ich mich von diesem grotesken Laienschauspiel losreißen.
       
       Weil ich nach solchen Fernsehentdeckungen zwar was zu erzählen habe, mich
       insgeheim aber schäme, den Machern auf den Leim gegangen zu sein, gucke ich
       im Moment, wenn ich abends mal zu Hause bin, US-Serien auf DVDs, und zwar
       parallel die zweite Staffel des Mafiaepos „Sopranos“ und die von „Damages“
       mit einer brillanten Glenn Close als eiskalter Prozessanwältin Patty Hewes.
       
       Jaja, ich weiß, nicht gerade der heißeste Scheiß auf dem Markt, aber mir
       gefällt’s, und irgendwo muss man ja anfangen. Weil ich im Gegensatz zu
       vielen anderen US-Serien-Fans auch das deutsche Fernsehen grundsätzlich mag
       (und schon berufsmäßig viel gucke), hat es ein bisschen gedauert, bis ich
       auf den Geschmack gekommen bin.
       
       Neulich war ich auf einer Veranstaltung von und mit Leuten, deren
       mitleidiges Lächeln mir nach diesem Bekenntnis sicher sein dürfte. Leuten,
       für die die richtige Serie nur ein weiteres Distinktionsmerkmal ist, neben
       den richtigen Schuhen und den richtigen Urlaubszielen.
       
       US-Serien mögen sie – gerade weil „so etwas“ in Deutschland nie möglich
       wäre und die breite Masse „CSI irgendwas“ „The Wire“ vorzieht (wenn sie
       überhaupt schon mal davon gehört haben), sie sich also als Teil einer
       Avantgarde fühlen können. So redeten sie auch. Und so schreiben sie in der
       an diesem Abend vorgestellten Buchreihe über US-Serien. „Die ’große formale
       Maschine‘, die ’The Wire‘ ist, findet im Seriellen das Systemische auf,
       serialisiert das Systemische“, heißt es etwa in einem Band. Alles klar?
       
       Wenn sie nicht so verflucht teuer gewesen wäre, hätte ich mir neulich glatt
       die DVD-Box der von mir als Kind verehrten ZDF-Serie „Die Wicherts von
       nebenan“ gekauft. Eat this, Feuilletonistenkonsens!
       
       12 Jul 2012
       
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