# taz.de -- Offene Haftbefehle in Niedersachsen: Zank um Zahlen
       
       > In Niedersachsen gibt es Streit darum, wie die Polizei mit
       > unvollstreckten Haftbefehlen umgeht. SPD und Grüne vermissen klare
       > Vorgaben.
       
 (IMG) Bild: Könnten in Niedersachsen noch öfters geschehen: Verhaftungen.
       
       HAMBURG taz | Auf den ersten Blick klingt die Zahl gefährlich: Die Polizei
       in Niedersachsen sucht landesweit rund 8.500 Menschen mit einem Haftbefehl.
       Das geht aus der [1][Antwort des niedersächsischen Innenministeriums] auf
       eine [2][Anfrage des SPD-Abgeordneten] Klaus-Peter Bachmann hervor.
       
       Der wollte auch wissen, wie sich diese Gruppe zusammensetzt. Denn mit einem
       Haftbefehl gesucht wird längst nicht nur, wer eine schwere Straftat
       begangen hat. Auch nicht bezahlte Geldstrafen können ein Grund sein.
       
       Zwar teilte das Innenministerium mit, wie sich die Fälle über die
       Polizeidirektionen verteilen, doch welche Qualität die Fälle hinter den
       Strafbefehlen haben, kann es nicht sagen. Auch gibt es keine Zahlen
       darüber, wie alt die Haftbefehle schon sind und für wie wichtig sie die
       Polizei hält.
       
       Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Bachmann hält das für einen
       Skandal: „Wir wissen nicht, wie viele Zeitbomben frei herumlaufen.“ Er
       bemängelt, dass jede Dienststelle selbst entscheiden kann, wie wichtig sie
       einen Fall nimmt und fordert dazu zentrale Verordnungen.
       
       ## Bachmann (SPD): "Polizeibeamte werden alleingelassen"
       
       Die gebe es zahlreich für die Kriminalstatistiken, aber nicht zur Erfassung
       von offenen Haftbefehlen, kritisiert Bachmann. „Die Polizeibeamten werden
       bei der Bewältigung ihrer Arbeit alleingelassen.“
       
       Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen Meta Janssen-Kucz sagt, sie
       sei „sehr entsetzt“ über die Erkenntnisse aus der Ministeriums-Antwort. Sie
       habe erwartet, dass die Behörden einen besseren Überblick hätten, es eine
       klare, erfasste Priorisierung gebe und eine bessere Fristenkontrolle.
       Janssen-Kucz sagt: „Das ist unhaltbar.“
       
       Innenminister Uwe Schünemann (CDU) wies die Kritik per Pressemitteilung
       zurück: „Wir haben kein Problem bei der Vollstreckung von Haftbefehlen!“ Er
       warf Bachmann vor, grundlos Menschen zu verängstigen.
       
       „Dem Großteil der Haftbefehle liegen Straftaten oder Geldbußen mit geringer
       Sozialschädlichkeit beziehungsweise Gefährlichkeit zu Grunde“, erklärte er.
       Vorgaben zur Priorisierung bräuchten die Polizisten auch nicht, das könnten
       sie selbständig entscheiden. Der Niedersachsen-Chef der Gewerkschaft der
       Polizei, Dietmar Schilff, forderte zwar angesichts der Fälle mehr Personal,
       sagt aber auch zu den Straftätern: „Am Ende kriegen wir sie alle.“
       
       ## Linke will lieber über Arbeitsbedingungen reden
       
       „Ich kann mich über die Zahlen nicht aufregen“, sagt Pia Zimmermann, die
       innenpolitische Sprecherin der Linken. Sie wirft ihrem SPD-Kollegen vor,
       nur „wahltaktisch“ zu handeln. „Wenn das unser einziges Problem wäre, dann
       wären wir gut bedient“, sagt sie. Zimmermann will lieber über die
       Arbeitsbedingungen von Polizisten reden.
       
       Über die Summe der offenen Haftbefehle selbst argumentieren die beiden
       Oppositionspolitiker nicht. Da würde die Polizei in Niedersachsen, nach den
       Ministeriumszahlen zu einem selbst gewählten Stichtag, auch gar nicht so
       schlecht dastehen.
       
       „Das ist nicht besonders viel“, sagt die Kriminologin Daniela Klimke vom
       Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung aus Hamburg. Es gehe
       schließlich „größtenteils um ganz läppische Sachen“.
       
       In Schleswig-Holstein sind nach Angaben des Landeskriminalamtes etwa 3.000
       offene Haftbefehle im Computersystem, bei dem es einen Bezug zum Land gibt
       – die Tat also in Schleswig-Holstein stattfand oder der Gesuchte dort
       vermutet wird.
       
       Polizei und Innenbehörden in Hamburg und Bremen sagten auf taz-Anfrage,
       dass sie keine Information über die Summe der offenen Haftbefehle in ihrem
       Verantwortungsbereich hätten. Deutschlandweit gab es [3][laut
       Bundesregierung] im März rund 144.000 offene Haftbefehle.
       
       12 Jul 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.spd-fraktion-niedersachsen.de/imperia/md/content/ltf/pressemitteilungen/pressemitteilungen/2012/16-256_antw_zu_1348_06_07__2_.pdf
 (DIR) [2] http://www.spd-fraktion-niedersachsen.de/imperia/md/content/ltf/pressemitteilungen/pressemitteilungen/2012/16-256_ka_haftbefehle.pdf
 (DIR) [3] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/089/1708994.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Kummetz
       
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