# taz.de -- Kommentar Steuer-CD: Deutsche tolerieren Steuerflucht
       
       > Verständnis wird für Steuerflüchtlinge gezeigt. Warum eigentlich?
       > Schließlich steht der Weg in die Schweiz nur reichen Selbsständigen und
       > Kapitaleignern offen.
       
       Die jetzt angekaufte CD führt es wieder einmal vor: Milliarden werden jedes
       Jahr über die Schweizer Grenze geschafft, um sie vor den deutschen
       Finanzämtern zu verbergen. Das ist zutiefst ungerecht. Denn normale
       Arbeitnehmer können sich der Steuer nicht entziehen – sie wird automatisch
       vom Gehalt abgezogen und direkt ans Finanzamt überwiesen. Die Steuerflucht
       ist nur für Selbstständige und Kapitaleigner möglich.
       
       Genau deswegen ist es so überraschend, dass viele Wähler es akzeptieren,
       wenn die Reichen vor der Steuer fliehen. Um nur zwei Beispiele für diese
       implizite Komplizenschaft zu nennen: In Hessen wurden kürzlich vier
       Steuerfahnder in Pension geschickt, weil sie den Bankzentralen in Frankfurt
       lästig wurden. Diesen Skandal hat die schwarz-gelbe Regierung in Hessen
       einfach ausgesessen, denn sie konnte in den Umfragen erkennen, dass er
       keine Stimmen kostet.
       
       Oder Müller-Milch: Der Besitzer drohte einst, seinen Firmensitz in die
       Schweiz zu verlegen, damit er keine Erbschaftsteuer zahlen muss. Die
       normale Reaktion wäre gewesen: „Dann kaufen wir deinen Joghurt nicht mehr.“
       Stattdessen zeigten viele Deutsche Verständnis für den Milliardär.
       
       Auch die Steuerflucht in die Schweiz ist nur möglich, weil sie von den
       meisten Deutschen gnädig toleriert wird. Um ein kleines Gedankenexperiment
       anzustellen: Man könnte doch die Schweizer Waren boykottieren – bei Shell
       hat’s doch auch funktioniert. Diesem Druck dürften sich die Schweizer bald
       beugen. Doch bisher gab es diesen Druck nicht.
       
       Denn für die Deutschen galt und gilt es als Kavaliersdelikt, den Staat zu
       betrügen. Er wird als der eigentliche Feind wahrgenommen. Nach dem Motto:
       In den Behörden tummeln sich nur faule Beamte, die das Geld für
       Hartz-IV-Empfänger verschwenden. Diese Diskreditierung des Staates ist die
       eigentliche Waffe der Steuerhinterzieher – die Schweiz ist nur ein
       Nebenschauplatz.
       
       15 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) NRW kauft laut Bericht weitere Steuer-CD: Wuppertal geht auf Shoppingtour
       
       NRW hat einem Zeitungsbericht zufolge erneut eine Steuer-CD aus der Schweiz
       erworben. Bereits am vergangenen Samstag war der Kauf eines Datenträgers
       mit Bankauszügen publik geworden.
       
 (DIR) Steuerhinterziehung in der Schweiz: Vertrag bedroht Ermittlungen
       
       Würde das Abkommen mit der Schweiz ratifiziert, blieben die Hinterzieher
       von der Steuer-CD straffrei. Trotzdem könnte die Opposition zustimmen.
       
 (DIR) Streit der Woche: Sind wir zu nett zur Schweiz?
       
       Das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz würde Steuersündern Amnestie
       und Anonymität gewähren. Nicht allen gefällt das.
       
 (DIR) Neue Steuer-CD aus der Schweiz: Bundesregierung wusste vom Kauf
       
       Dem NRW-Finanzministerium zufolge wusste die Bundesregierung vom Kauf einer
       neuen Steuersünder-CD. Ob auch andere Bundesländer beteiligt sind, wurde
       nicht bekannt.
       
 (DIR) Ex-Finanzminister Eichel über Steuer-CDs: „Die Schweiz betreibt Hehlerei“
       
       Der deutsche Exfinanzminister Hans Eichel (SPD) begrüßt den Ankauf von
       Banken-CDs. Dies trage zur „Steuergerechtigkeit“ bei und das gelte gerade
       in Zeiten der Krise.
       
 (DIR) NRW kauft neue Steuer-CD: Streit um Steuerabkommen wird heftiger
       
       Laut einem Zeitungsbericht hat NRW erneut eine Daten-CD aus der Schweiz
       erworben. Der zuständige Finanzminister reagiert ausweichend und stärkt den
       Fahndern den Rücken.