# taz.de -- Leitzins-Skandal: Die Prozente der Kronzeugen
       
       > Großbanken versuchen, dem Skandal um den manipulierten Leitzins Libor zu
       > entkommen. Das US-Justizministerium bereitet derweil ein Strafverfahren
       > vor.
       
 (IMG) Bild: Bloß glänzend aus dem Leitzins-Skandal rauskommen: Die Deutsche Bank soll sich bereits einen Kronzeugen-Status gesichert haben.
       
       HAMBURG taz | Im billionenschweren Skandal um Manipulationen beim Marktzins
       Libor soll sich die Deutsche Bank einen Kronzeugenstatus gesichert haben.
       Andere in die Affäre verstrickte Großbanken, darunter die Schweizer UBS,
       sollen ebenfalls eine Kronzeugenregelung anstreben. Neben mehreren
       Aufsichtsbehörden in verschiedenen Ländern ermitteln laut US-Medien auch
       US-Bundesstaaten sowie das Justizministerium gegen Banken.
       
       Die Höhe des Libor-Leitzinses ist maßgeblich für Finanzgeschäfte im Volumen
       von mehr als 350 Billionen Dollar. Inzwischen gilt als unbestritten:
       Zinszocker in führenden Großbanken haben die Messlatte für globale
       Finanzgeschäfte lange zu ihren Gunsten verschoben.
       
       Mehrere Geldgiganten – darunter JP Morgan, Société Générale und HSBC –
       sollen mindestens von 2005 bis 2009 den Libor und andere Marktzinsen mit
       falschen Angaben manipuliert haben, um ihre wirklichen
       Refinanzierungskosten zu verschleiern und heimlich zusätzliche Zinsgewinne
       einzustreichen.
       
       Wohl auch auf Kosten privater Kunden in Deutschland, die überhöhte
       Darlehenszinsen zahlten. Barclays hatte als Erstes das Fehlverhalten
       „einiger Händler“ eingeräumt und wurde von Behörden in den USA und
       Großbritannien zu einer Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar
       verdonnert.
       
       ## Wichtiger Interbankenmarkt
       
       Vorgeblich spiegelte der London Interbank Offered Rate (Libor) lediglich
       den Zins wider, den Kreditinstitute weltweit für Kredite ihrer Konkurrenten
       zahlten. Doch im Alltag ist dieser Interbankenmarkt oft die wichtigste
       Geldquelle für Banken. Auch für den Euromarkt wird so ein Leitzins
       ermittelt, der Euribor. Dafür melden die Banken ihre „Daten“ an eine
       Nachrichtenagentur weiter, die dann Mittelwerte veröffentlicht.
       
       Mit dem Libor-Skandal offenbart sich ein weiteres staatliches
       Regulierungsloch. Doch statt es zu schließen, rufen Politiker reflexartig
       nach harten Strafen. Allen voran die britische Regierung, in deren
       benachbarter City der Skandal seinen Ursprung hat: „Wer Marktindizes
       fälscht, muss dafür ins Gefängnis“, sagte ein Sprecher.
       
       Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments in London befasst sich derzeit
       mit der Aufklärung des Skandals und der Frage, wie viel die Aufseher von
       den Zinsmanipulationen wussten. Auch die Europäische Kommission will gegen
       Zinsmanipulationen vorgehen. Und selbst das US-Justizministerium bereitet
       laut der New York Times Strafverfahren gegen mehrere Banken und einige
       ihrer Angestellten vor.
       
       ## Nachlass gesichert
       
       Gegen die juristischen Attacken soll sich die Deutsche Bank bei der EU und
       in der Schweiz bereits den Status eines Kronzeugen gesichert haben. Mit der
       schon im vergangenen Jahr – also vor dem Bekanntwerden des Skandals –
       ausgehandelten Regelung bekomme Europas größtes Geldhaus im Falle einer
       möglichen Strafe einen Nachlass, sagten zwei Personen aus dem Umfeld der
       Bank der Nachrichtenagentur Reuters.
       
       Sie gehe jedoch nicht mit einem Schuldeingeständnis einher. Andere in den
       Skandal verstrickte Banken, wie etwa die Schweizer UBS, sollen laut
       Bankanalysten ebenfalls Kronzeugenstatus in verschiedenen Ländern erhalten
       haben. Beobachter erwarten nun einen Vergleich zwischen Banken und Justiz,
       schließlich sind die Täter allesamt „systemrelevant“.
       
       16 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schlechte Bilanzen bei der Deutschen Bank: Deutsche Bank in Zinsskandal verwickelt
       
       Mitarbeiter der Deutschen Bank sollen auf eigene Faust Zinssätze
       manipuliert haben. Auch der Gewinn im Investmentbanking bricht ein. Jetzt
       sollen 2000 Stellen gestrichen werden.
       
 (DIR) Kommentar Niedrige Zinsen: Anleger handeln richtig
       
       Sie geben sich mit Mickerzinsen zufrieden, denn sie wissen längst: Die
       schwächelnde Realwirtschaft kann nicht weiter geschröpft werden.
       
 (DIR) Kommentar EU-Kommission: Abschaffen statt Haftstrafen
       
       Euribor und Libor gibt es nur, weil die Zinsmärkte nicht wie Aktienmärkte
       funktionieren. Statt mit Haftstrafen für Zinssatzmanipulation zu drohen,
       sollten sie abgeschafft werden.
       
 (DIR) EU will gegen Zinsmanipulierer vorgehen: Auch Bankern soll Gefängnis drohen
       
       Die EU-Kommission will Zinsmanipulierer künftig mit hohen Geld- und
       Haftstrafen abschrecken. Die unterschiedlichen Regelungen in den
       EU-Mitgliedsstaaten bieten vielfältige Schlupflöcher.
       
 (DIR) HSBC kennt weder Freund noch Feind: Hilfe für Drogendealer und Terroristen
       
       Die britische Großbank HSBC soll über Jahre hinweg geholfen haben, das
       Geldsystem für kriminelle Geschäfte zu öffnen, klagt der US-Senat an.
       Reicht dafür eine Entschuldigung?
       
 (DIR) Ex-Manager gibt Fäschungen zu: Barclays Befehlsempfänger
       
       Im Skandal um die Manipulation des Leitzinses Libor hat ein Ex-Manager der
       britischen Bank Barclays Fälschungen zugegeben. Die Weisung dazu kam
       scheinbar vom damaligen Chef.
       
 (DIR) Ermittlungen gegen Investmentbanken: Zinsaffäre erreicht Deutsche Bank
       
       Bei den Ermittlungen wegen mutmaßlicher Zinsmanipulation könnten auf
       Deutsche-Bank-Chef Jain heikle Fragen zukommen. Auch die deutsche
       Finanzaufsicht wird aktiv.
       
 (DIR) Negativ-Rating für Barclays nach Skandal: Bankchef will nichts gewusst haben
       
       Bob Diamond, ehemaliger Chef der Großbank Barclays, sagt, er habe von
       manipulierten Zinssätzen nichts gewusst. Die Agenturen senken ihre
       Bewertungen der Bank weiter ab.
       
 (DIR) Manager reagiert auf Manipulationsskandal: Chef der Barclays-Bank tritt zurück
       
       Es gehe um den Ruf der Bank. Nach dem Verwaltungsratschef ist auch Bob
       Diamond, der Vorstandsvorsitzende der britischen Großbank Barclays,
       zurückgetreten.
       
 (DIR) Kommentar Barclays-Skandal: Und wann reagiert die Politik?
       
       Die fortgesetzte Manipulation durch Banken hat System. Wieder einmal zeigt
       sich, dass der Markt sich nicht selber reguliert und Kontrolle braucht.