# taz.de -- Kongress der Ennadah-Partei in Tunesien: Islamisten geben sich moderat
       
       > Die Regierungspartei Ennahda hält ihren ersten Parteitag seit 1988 ab.
       > Die Liberalen rücken zusammen, um den Religiösen etwas entgegensetzen zu
       > können.
       
 (IMG) Bild: Parteichef Rachid Ghannouchi sucht den Konsens.
       
       MADRID taz | Eineinhalb Jahre nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten
       Zine El Abidine Ben Ali hat die islamistische Partei Ennahda am Wochenende
       zu ihrem 9. Kongress eingeladen. Es bestand so viel Diskussionsbedarf, dass
       das Treffen bis Montagabend verlängert wurde. Ennahda gab sich betont
       moderat. „Das Land braucht Konsens und Einheit“, erklärte der alte und neue
       Parteichef Rachid Ghannouchi in seiner Rede.
       
       Die Islamisten, die in der Regierung die Mehrheit haben, sind die größte
       politische Gruppierung des Landes. Erstmals seit 1988 konnten sie ihren
       Parteitag wieder in Tunesien abhalten. Viele derer, die dem Kongress
       vorstanden, waren unter Ben Ali in Haft oder im Exil.
       
       Ghannouchi verteidigte die Koalition mit zwei säkularen Parteien aus dem
       Mitte-links-Spektrum, der Ettakatol, deren Chef Mustapha Ben Jafaar der
       Verfassunggebenden Versammlung vorsteht, und dem Kongress für die Republik
       (CPR), deren Vorsitzender Moncef Marzouki Präsident ist.
       
       Immer wieder war auf dem Parteitag von einer „Zentrumsfront“ die Rede, die
       das Land aus der Krise führen müsse. Bei Ennahda hörten das nicht alle
       gerne. Der radikale Flügel versprach sich vom Wahlsieg eine schnelle
       Islamisierung.
       
       ## Verzicht auf islamisches Recht
       
       Stattdessen verzichtete Ennahda unter Druck der anderen Kräfte darauf, in
       der Präambel der künftigen Verfassung das islamische Recht als Grundlage
       des Systems zu verankern.
       
       Auf dem Parteitag beschlossen die Delegierten jedoch, künftig die
       Beleidigung Allahs und seines Propheten Mohammed unter Strafe stellen zu
       wollen.
       
       Ein weiterer Streitpunkt war das neue Staatsmodell. Nach langen
       Diskussionen entschied sich Ennahda für ein rein parlamentarisches System.
       Mit 41 Prozent der Abgeordneten in der Verfassunggebenden Versammlung
       dürfte dies nicht durchsetzbar sein.
       
       Denn die meisten Parteien wollen ein System mit einem starken Parlament,
       dem ein direkt gewählter und einflussreicher Präsident gegenübersteht.
       
       ## Eine Gratwanderung
       
       Mit der „zentristischen und moderaten“ Ausrichtung befindet sich Ennahda
       auf einer Gratwanderung zwischen ihrer Basis und der Wählerschaft, die
       nicht nur aus Islamisten besteht.
       
       In den letzten Monaten wurde wiederholt Kritik an der Regierung von Hamadi
       Jebali laut. So legte das Komitee für die Reform der Medien die Arbeit
       nieder, nachdem Jebali die Chefetagen bei Funk und Fernsehen ausgewechselt
       hatte. Viele werfen Ennahda auch vor, zu zögerlich gegen radikale
       Salafisten vorzugehen.
       
       Die eigentliche Prüfung kommt für Ennahda im März 2013. Dann soll die
       Verfassung fertig sein und ein neues Parlament gewählt werden. Waren im
       Oktober 2011 die säkularen Parteien noch zersplittert, dürfte es Ennahda
       mit zwei starken Mitbewerbern zu tun bekommen.
       
       ## Der liberale Block
       
       Maya Jribi, die einstige Vorsitzende der sozialdemokratischen Demokratische
       Fortschrittspartei (PDP) und deren historischer Führer Nejib Chebbi haben
       im April mehr als ein Dutzend kleinere Gruppen und Listen zur
       Republikanischen Partei (PR) vereint.
       
       Und der Ministerpräsident der letzten Übergangsregierung vor den Wahlen vom
       Oktober, der 85-jährige Béji Caïd Essebsi, will mit seiner im Juni
       entstandenen Nida Tounes (Appell Tunesien) einen starken liberalen Block
       bilden.
       
       Vermutlich wird er viele derer an sich binden, die nach wie vor an die
       modernistischen Ideen des ersten Präsidenten Habib Bourguiba glauben.
       
       17 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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