# taz.de -- Kommentar Nürburgring-Pleite: Millionengrab in der Eifel
       
       > Mit der Pleite des Nürburgrings wankt auch das System Kurt Beck. Mal
       > wieder haben die Sozis in pharaonische Betonburgen investiert und dabei
       > den grünen Umbau ganz vergessen.
       
 (IMG) Bild: Die Pleite wirft ein verheerendes Licht auf Becks komplette, eigentlich doch grundsolide Amtszeit.
       
       Ein hinkender Vergleich zeigte am Mittwoch, bis wohin genau dem Landesvater
       das Wasser steht. Es sei doch „sehr nachdenkenswert“, so ein bebender Beck,
       dass Brüssel für spanische Banken „100 Milliarden Euro“ bereitstelle, ihm
       aber „ein paar Millionen Übergangshilfe“ verwehre. Tatsächlich hat die
       EU-Kommission nicht schnell genug die 13 Millionen Euro genehmigen wollen,
       mit denen seine rotgrüne Landesregierung dem hoffnungslos verschuldeten
       Nürburgring über die Runden helfen wollte.
       
       Deshalb muss die staatliche Nürburgring GmbH nun Insolvenz anmelden, und
       der rheinland-pfälzische Ministerpräsident hat ein Problem. Der Vergleich
       seines gescheiterten Großprojekts mit den systemrelevanten Banken ist so
       abwegig nicht. Denn auch der Nürburgring ist relevant – für das System
       Beck.
       
       Ausgehoben wurde das Millionengrab in der Eifel einst aus nachvollziehbaren
       und lauteren Gründen. Die Region ist seit dem Niedergang der örtlichen
       Tabakindustrie – also seit Jahrzehnten – extrem strukturschwach, beherbergt
       mit der „Grünen Hölle“ des Nürburgrings aber die längste und eine der
       traditionsreichsten Rennstrecken der Welt. Da musste sich doch was machen
       lassen!
       
       Und es ließ sich mit staatlichem Geld so einiges machen. Eine
       Einkaufs-Mall, in die sich bis auf den ADAC bis heute kaum jemand einmieten
       wollte. Ein Vier-Sterne-Hotel, in dem heute selbst Doppelzimmer für
       gehobene Jugendherbergspreise verschleudert werden. Ein Feriendorf, das bis
       heute noch keinen einzigen Tag ausgebucht war. Ein
       Indoor-Vergnügungszentrum rund um den Motorsport, in dem heute gähnende
       Leere herrscht.
       
       Was noch? Die schnellste Achterbahn der Welt, die wegen lebensgefährlicher
       Baumängel bis heute nicht in Betrieb gegangen ist. Bis zu 1.000 neue
       Arbeitsplätze sollten entstehen, gekündigt wird nun wohl 30 Mitarbeitern.
       Der einzige solvente Kunde war Marek Lieberberg, der auf dem Gelände
       alljährlich das „Rock am Ring“-Festival organisiert. Und mit ordinärem
       Großquatsch wie Lastwagenrennen wird nicht gerade ein Publikum angezogen,
       das sich anschließend bei Mövenpick ein Vier-Gänge-Menü schmecken lässt.
       
       330 Millionen Euro hat der Spaß gekostet. Wieder reinholen sollte das Geld
       die staatliche Nürburgring GmbH als Pächterin in einer privaten
       Betreibergesellschaft. Die schloss aber bald schon Teile der „Erlebniswelt“
       wegen mangelnder Rentabilität und zahlte nur noch eine entsprechend
       reduzierte Pacht.
       
       „Der rheinland-pfälzische Steuerzahler wird hier keinen Euro drauf
       bezahlen“, verkündete Beck noch anlässlich der Eröffnung seiner
       „Erlebniswelt“ im Juli 2009. Nun muss zur Begleichung der Schulden eine im
       Haushalt eingestellte Rücklage von 254 Millionen Euro aktiviert werden und
       das Land darf hoffen, als größter Gläubiger seines eigenen Projekts
       wenigstens einen Bruchteil der Unsummen wiederzusehen, die er achtlos
       versenkt hat.
       
       ## 
       
       Das Desaster ist auch eine Katastrophe nicht nur für Kurt Beck, sondern
       auch für die SPD. Seit 18 Jahren amtiert Beck als Regierungschef in Mainz,
       im Herbst wird er wohl selbst noch einmal für den Posten als SPD-Landeschef
       kandidieren. Einen Generationenwechsel hat er wohl auch deshalb nicht
       gewagt, weil alle möglichen Nachfolger auf die eine oder andere Weise in
       den grotesk gescheiterten Nürburgring involviert sind. Nun wirft die Pleite
       ein verheerendes Licht auf seine komplette, eigentlich doch grundsolide
       Amtszeit.
       
       Wer es gut meint mit Beck, der macht geltend, dass er in der entscheidenden
       Phase schlicht abgelenkt war – als SPD-Vorsitzender in Berlin. Zuhause in
       der Provinz ließ er derweil machen, und er ließ die Falschen machen, etwa
       seinen damaligen Finanzminster Ingolf Deubel, der die Privatfinanzierung
       des Projekts organisieren sollte und zwielichtigen Investoren aus Dubai und
       den USA auf den Leim ging.
       
       Wer es nicht so gut meint mit Beck, wie etwa die CDU-Fraktionschefin Julia
       Klöckner, spricht jetzt von „politischer Insolvenz“ und fordert den
       Rücktritt des Ministerpräsidenten. Fest steht, dass für seinen teueren
       Dilettantismus auch Kurt Beck persönlich haften wird – womöglich nicht erst
       bei der nächsten Landtagswahl 2016.
       
       Vor allem aber ist es die Geschichte einer verplemperten Chance. Statt in
       pharaonische Betonburgen, hätte die Regierung in einen grünen Umbau
       investieren können. Mit Fahrradrennen, Marathonläufen oder Wettbewerben für
       Solar- oder Elektromobile hätte in der Eifel ein Zeichen gesetzt werden
       können, das über das Zeitalter fossiler Brennstoffe hinaus in die Zukunft
       weist. Aber nicht einmal daraus wird etwas werden. Der dubiose
       Motorsport-Funktionär Bernie Ecclestone hat bereits signalisiert, dass 2013
       die Formel 1 auf den Nürburgring zurückkehren könnte.
       
       19 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Umweltschutz
       
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