# taz.de -- Protest mit Erfolg: Kein gutes Feld für Gen-Forscher
       
       > Ackerbesetzungen und Negativimage beim Verbraucher: Gentechnik in
       > Deutschland hat es schwer. Dennoch wollen Konzerne nicht auf diese
       > Technologie verzichten.
       
 (IMG) Bild: Sieht normal aus, ist es aber nicht: Gentechnisch veränderter Mais.
       
       BERLIN taz | Der Anbau des genmanipulierten Maises MON 810 von Monsanto ist
       verboten, der Chemiekonzern BASF will seine Zentrale für
       Pflanzen-Gentechnik von Deutschland in die USA verlegen, die Nordkirche
       fordert ein Verbot von Gentechnik auf ihren Flächen.
       
       Derzeit sieht es nicht danach aus, als wäre für Gentechnik-Befürworter in
       Deutschland noch viel zu holen. Tatsächlich waren die Zeiten für Landwirte,
       die gentechnisch verändertes Saatgut anbauen wollten, schon mal besser. In
       der Übersicht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und
       Lebensmittelsicherheit (BVL), an das die Bauern geplante Gentechnik-Felder
       melden müssen, sind fast alle Anträge für das Jahr 2012 mit einem
       durchgestrichenen Kreis gekennzeichnet: Sie fallen unter das Anbauverbot
       für MON 810. Eine Handvoll Landwirte hat ihre Anträge zurückgezogen.
       
       „Die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen ist in den vergangenen
       Jahren deutlich zurückgegangen – sowohl was die Fläche als auch was die
       Zahl der Standorte betrifft“, sagt Andreas Bauer-Panskus, Wissenschaftler
       vom Gentechnik-kritischen Institut Epigen. Die Unternehmen gehen
       stattdessen ins Ausland: in die USA zum Beispiel oder nach Spanien.
       
       Doch das bedeutet nicht, dass die Felder hierzulande frei von Gentechnik
       sind. Denn die Forschung liegt längst nicht auf Eis. Und so stehen in
       Deutschland noch gentechnisch veränderte Pflanzen auf Feldern – zu
       Versuchszwecken. Kartoffeln mit Pilzresistenz zum Beispiel. Und ein Blick
       in die beantragten Freisetzungen zeigt: Auch in den kommenden Jahren werden
       weiter gentechnisch veränderte Pflanzen gesät werden. Schon weil ein Teil
       der Versuche über einen längeren Zeitraum angelegte ist. So hat
       beispielsweise Monsanto die Genehmigung, bis Oktober nächsten Jahres auf
       drei Standorten jeweils bis zu 5.000 Quadratmeter gentechnisch veränderte
       Zuckerrüben freizusetzen. Die Universität Rostock darf bis Ende 2016 auf
       3.000 Quadratmetern gentechnisch veränderten Tabak der Sorte „Petit Havana“
       anbauen.
       
       „Es sieht aus, als wollten einige Unternehmen den Fuß in der Tür behalten“,
       schätzt Bauer-Panskus die Situation ein. Unternehmen und Politik hätten
       gemerkt, dass das Label „Gentechnik“ in der Bevölkerung nicht gut ankomme.
       
       Wo die Gentechnik-Gegner gewonnen haben – und wo die Anwohner weiter
       protestieren:
       
       ## Beispiel 1. Protest mit Wirkung:
       
       Im sachsen-anhaltinischen Üplingen haben die Gentechnik-Gegner gewonnen.
       Der Schaugarten, in dem seit 2008 auf 15.000 Quadratmetern Fläche vor allem
       gentechnisch veränderte Pflanzen gezeigt werden, wird in diesem Jahr nicht
       beackert und bleibt geschlossen. „Grund dafür sind die restriktiven
       politischen Rahmenbedingungen und kriminelle Feldzerstörungen in
       Deutschland“, teilt der Betreiber BioTechFarm mit.
       
       In dem Schaugarten sollen Besucher aus aller Welt von gentechnisch
       veränderten Pflanzen überzeugt werden. Im vergangenen Jahr wuchsen hier
       unter anderem Tabak und Kartoffeln, beide gentechnisch verändert. In diesem
       Jahr wollte der Saatgutproduzent KWS genmanipulierte Zuckerrüben
       anpflanzen, dazu wird es nun nicht kommen.
       
       Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisiert, mit der
       Freisetzung hätten nicht einmal Daten über den Anbau erhoben werden sollen,
       wie es sonst bei experimentellen Freisetzungen üblich ist. „Just for fun“
       sei das, ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nur zu PR-Zwecken.
       Doch ein Einspruch bei der sachsen-anhaltinischen Landesbehörde scheiterte.
       Nun hat es sich auch so erledigt. Das Unternehmen argumentiert dagegen mit
       dem Forschungsstandort. „Deutschland ist dabei, seine Innovationskraft bei
       einem Zukunftsthema einzubüßen“, sagt Kerstin Schmidt, Geschäftsführerin
       der BioTechFarm.
       
       Wie lange der Sieg der Gentechnik-Gegner Bestand hat, ist offen. „Wir
       können heute noch nicht sagen, wie es im nächsten Jahr aussieht“, sagt
       KWS-Sprecherin Sabine Michalek. Das hänge von eventuellen Zulassungen ab
       und der Entwicklung des politischen Umfelds. Annemarie Volling von der AbL
       bleibt daher skeptisch: „Ich glaube, die wollen sich gerade nur aus der
       Schusslinie bringen.“ Die Zulassungsverfahren auf EU-Ebene liefen weiter.
       Erst Ende Juni hat die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa sich dafür
       ausgesprochen, dass Monsanto herbizidresistentes Gentech-Soja anbauen darf.
       Das letzte Wort haben nun die EU-Mitgliedstaaten oder – falls die sich
       nicht einigen – die EU-Kommission. Dass sie den Anbau ablehnt, ist
       unwahrscheinlich. „Und natürlich scharren die Unternehmen weiter mit den
       Hufen und wollen auf den deutschen Markt.“ Volling rechnet nicht damit,
       dass der Schaugarten auch im kommenden Jahr geschlossen bleibt. Gehe es mit
       der EU-Zulassung schnell, könne es sein, dass schon im nächsten Frühjahr
       neue Gentechnik-Pflanzen auf den Feldern stehen.
       
       ## Beispiel 2. Impfen gegen Widerstand:
       
       Auf dem Gestüt Lewitz im mecklenburg-vorpommerschen Grabow ist ein
       Gentechnik-Versuch der besonderen Art geplant: Junge Pferde sollen hier
       einen Impfstoff gegen eine Lungenentzündung injiziert bekommen, der
       gentechnisch manipulierte Bakterien enthält. Der in der Natur vorkommende
       Typ des Bakteriums verursacht bei den Fohlen eine Lungenentzündung – ältere
       Pferde sind dagegen immun. Um die Fohlen zu impfen, wurden vier Gene des
       Bakteriums entfernt, drei Fohlenjahrgänge sollen den Impfstoff bekommen. Es
       wäre die erste Impfung gegen die Erkrankung. Bislang bekommen betroffene
       Tiere Antibiotika verabreicht.
       
       Hinter dem Versuch steckt das Pharmaunternehmen Intervet, die Tiersparte
       des US-Chemie- und Pharmakonzerns Merck & Co. Der Pharmakonzern und die
       Leiter des Gestüts hoffen, dass mit der Impfung weniger Tiere erkranken.
       
       Genau das kritisieren Umwelt- und Tierschützer: Die Impfung diene nicht dem
       Wohl der Tiere, sondern dem kommerziellen Interesse der Menschen. „Ein
       Pferd, das einmal eine Lungenentzündung hatte, lässt sich nicht mehr als
       Sportpferd verkaufen“, sagt Burkhard Roloff vom Bund für Umwelt und
       Naturschutz Deutschland (BUND) in Mecklenburg-Vorpommern.
       
       Auch die Anwohner rund um das Gestüt gehen auf die Barrikaden. „Die
       Krankheit ist auch auf Menschen übertragbar“, sagt Bürgermeister Ulrich
       Schult. Die Befürchtung der Anwohner: Das gentechnisch veränderte Bakterium
       könne in die Umwelt gelangen – und Menschen infizieren. Tatsächlich heißt
       es im Genehmigungsantrag für den Versuch: „Wir können […] nicht
       ausschließen, dass der Impfstamm bei immuneingeschränkten Personen
       Infektionen verursachen könnte.“ Intervet und die Gestütsleitung versichern
       dennoch, dass keine Gefahren für die Umgebung bestünden – und wollen an dem
       Versuch festhalten. Das Experiment soll Labordaten liefern, auf deren Basis
       später die EU-weite Genehmigung des Impfstoffs beantragt werden soll.
       
       Anwohner, Vereine und die Gemeinde hatten über 400 Einwendungen gegen das
       Vorhaben eingereicht, Anfang Juni 2012 kam trotzdem die Genehmigung des
       Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Es seien
       keine „schädlichen Einflüsse auf Menschen und Tiere sowie auf die Umwelt zu
       erwarten“, schreibt die Behörde.
       
       Anwohner hoffen, dass sie den Versuch trotzdem verhindern können. Sie haben
       mit Unterstützung des BUND und des Münchner Umweltinstituts Klage
       eingereicht. Anja Sobczak vom Umweltinstitut fordert noch mehr: „Die
       Freisetzung von Gen-Lebend-Impfstoffen muss grundsätzlich verboten werden.“
       
       ## Beispiel 3. Kartoffel im Wartestand:
       
       Ausgerechnet nach der griechischen Schicksalsgöttin hat BASF ihre neueste
       Kartoffelkreation benannt: Fortuna soll resistent sein gegen Kraut- und
       Knollenfäule, eine Erkrankung, die vor allem bei anhaltend feuchter
       Witterung auftritt. Arbeitete der Konzern in der Vergangenheit mit Amflora
       noch an einer Kartoffelsorte, die nur industriell verwendet werden sollte,
       geht er mit Fortuna einen Schritt weiter: Die Gentechnik-Kartoffel soll in
       Form von Pommes Frites auf dem Teller landen. Die Resistenzgene stammen von
       einer südamerikanischen Kartoffelsorte. Versuche, sie mittels Züchtung in
       europäische Sorten einzukreuzen, seien laut BASF erfolglos geblieben.
       
       Bei dem Unternehmen hebt man vor allem die Vorteile in der Produktion
       hervor. Die Kartoffel biete „entscheidende Vorteile für Landwirte“, erklärt
       Peter Eckes, Geschäftsführer von BASF Plant Science. Auch Bauer-Panskus
       glaubt, dass Landwirte großes Interesse haben könnten, die Kartoffel
       anzupflanzen – wenn sie sich denn verkaufen lässt. Bislang steht sie nur zu
       Versuchszwecken auf Feldern – ebenfalls in Sachsen-Anhalt, außerdem läuft
       ein Genehmigungsverfahren auf EU-Ebene.
       
       Auch wenn es gerade in Deutschland keinen kommerziellen Anbau gibt – man
       wolle sich alle „unternehmerischen Optionen offen halten“, erklärt das
       Unternehmen. „Wenn sich die Situation ändert und die Kartoffel für den
       europäischen Markt attraktiv wird, ist es gut, das Genehmigungsverfahren
       weiter verfolgt zu haben“, sagt Britta Stellbrink von BASF und bestätigt
       damit die These Bauer-Panskus’ vom Fuß in der Tür.
       
       Bislang haben Unternehmen mit ausdrücklich gentechnisch veränderten
       Nahrungsmitteln keine guten Erfahrungen gemacht. Legendär der Schokoriegel
       von Nestlé, den das Unternehmen in Deutschland nach einem halben Jahr
       wieder vom Markt nahm – mangels Käufern.
       
       20 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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