# taz.de -- Mehrwertsteuer in Spanien: Luxus Kino
       
       > In Spanien werden nicht nur Sozialausgaben und Löhne gekürzt, sondern
       > auch Kultur versteuert. Die Mehrwertsteuer auf Kulturveranstaltungen
       > steigt von 8 auf 21 Prozent.
       
 (IMG) Bild: Für die Zukunft gilt: Demonstrieren statt Filmegucken.
       
       Im Dienste der Haushaltskonsolidierung nimmt sich die konservative
       Regierung Spaniens nach der Kürzung von Sozialausgaben und Beamtenlöhnen
       nun die Kultur vor. Im Zuge der allgemeinen Anhebung der Mehrwertsteuer von
       18 auf 21 Prozent werden die Privilegien für Kulturveranstaltungen
       beschnitten. Diese genossen bisher einen ermäßigten Steuersatz von 8
       Prozent. Künftig werden auch hier 21 Prozent erhoben. Kinobesitzer,
       Konzertveranstalter und Produzenten fürchten um ihre Zukunft.
       
       „Wir können diese Steuererhöhung nicht einfach übergehen. Aber wir können
       in der derzeitigen Lage auch nicht die Eintrittspreise erhöhen“, beschwert
       sich der Vorsitzende der spanischen Kinoakademie, Enrique González Macho.
       Ein Kinobesuch kostet bereits jetzt zwischen 7 und 8 Euro. Seit Jahren
       gehen die Besucherzahlen zurück. Bei einer Arbeitslosigkeit von 25 Prozent
       – unter der Jugend ist sie doppelt so hoch – leisten sich immer weniger
       Menschen den Luxus Kino. Spanien ist bei Film- und Musikpiraterie heute
       Spitzenreiter in der EU.
       
       Im vergangenen Jahr gingen die Einnahmen der Kinos um 12 Prozent zurück.
       400 von 4.200 Sälen mussten schließen. 70 Prozent der verbleibenden Säle
       befinden sich laut Kinoakademie am Rande der roten Zahlen. Durch die
       Kürzungen bei den öffentlichen Fernsehanstalten haben diese kein Geld mehr,
       als Koproduzenten für spanische Filme aufzutreten. Auch die
       Konzertveranstalter fürchten sich. „Die Mehrwertsteuererhöhung bringt uns
       an den Rand des Abgrunds“, meint der Chef des Branchenverbandes APM,
       Pascual Egea. „Wir beschäftigen 90.000 Menschen.“ 2011 sei der Umsatz
       bereits um 18,3 Prozent gesunken.
       
       Da im restlichen Europa die Mehrwertsteuern für Kulturveranstaltungen
       weiterhin unter 10 Prozent liegen – im benachbarten Frankreich sind es 5,5
       und in Deutschland 7 Prozent –, befürchtet die APM einen Standortnachteil
       für Spanien. Der Verband bezweifelt außerdem, dass die Steuererhöhung
       tatsächlich Mehreinnahmen für das Finanzamt bringen wird. Im benachbarten
       Portugal ging nach einer ähnlichen Maßnahme die Zahl der Besucher von
       Kulturveranstaltungen um 45 Prozent zurück.
       
       Die Verbände aus der Film- und Musikbranche haben sich zu einem Bündnis
       zusammengeschlossen, das die sofortige Rücknahme der Steuererhöhung
       verlangt. Für die kulturpolitische Sprecherin der oppositionellen
       sozialistischen PSOE, María del Mar Villafranca, handelt es sich bei dieser
       Politik der Regierung um einen Richtungswechsel gegenüber der
       Kulturindustrie, der sowohl den Künstlern als auch den Konsumenten schade.
       Viele Kulturschaffende sehen in der Steuerpolitik einen Racheakt der
       Konservativen. Wie in vielen Ländern unterstützen auch in Spanien die
       meisten Künstler bei Wahlen linke Parteien.
       
       21 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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