# taz.de -- Berlins Museumslandschaft: Am Ende bleiben Ruinen
       
       > Zwingende Gründe, Berlins Museumslandschaft umzugestalten, gibt es nicht.
       > Dennoch wird es so geplant. Weil die Kulturpolitiker nur noch auf hohe
       > Besucherquoten setzen.
       
 (IMG) Bild: Berliner Museumsinsel: Hohe Besucherzahlen haben oberste Priorität.
       
       Bei der vor Kurzem entbrannten Debatte über die Berliner Gemäldegalerie
       geht es nicht um eine neu entfachte „Querelle des Anciens et des Modernes“,
       also die Frage, ob die Alten Meister mehr wert seien als die moderne Kunst.
       
       Mit den 10 Millionen Euro, die Kulturstaatsminister Neumann für den Umbau
       der Gemäldegalerie an Berlins Kulturforum gegenüber dem Potsdamer Platz zu
       einem Museum des 20. Jahrhunderts bereitgestellt hat, sollen Fakten
       geschaffen werden. Denn die Alten Meister des 12. bis 18. Jahrhunderts, die
       dort bislang residieren, würden damit ins Exil getrieben.
       
       Nach den Plänen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollen sie dann teils
       ins Bode-Museum, teils ins Depot, vielleicht auch ins
       Kronprinzessinnenpalais Unter den Linden weichen. Auf einen Neubau können
       sie bestenfalls irgendwann „deutlich nach 2018“ hoffen. Für dieses neue
       Galeriegebäude in den Museumshöfen gegenüber dem Bode-Museum gibt es aber
       bislang weder eine Architekturplanung noch eine Finanzierung. Jedenfalls
       soll am alten Standort der Gemäldegalerie am Tiergarten schon mal Platz für
       ein „Forum der Moderne“ geschaffen werden.
       
       Die Schenkung der Surrealistensammlung des Ehepaars Pietzsch hat als
       Voraussetzung ihre permanente und vollständige Museumspräsentation. Das ist
       in der ohnehin bald auf Jahre für Renovierungsarbeiten geschlossenen Neuen
       Nationalgalerie aus Platzgründen nicht möglich. Auf die Gelegenheit, die
       Kunst des 20. Jahrhunderts in bislang ungeahnter Breite inklusive der 150
       Werke der Sammlung Pietzsch zeigen zu können, will man bei der Stiftung
       Preußischer Kulturbesitz aber nicht verzichten. Da die eigene
       Sammeltätigkeit bei Spitzenwerken der Moderne mangels Geld inzwischen so
       gut wie zum Erliegen gekommen ist, hat man sich bei der Preußenstiftung auf
       das Sammeln von Sammlern verlegt.
       
       Damit sind wir bei den eigentlichen Gründen für die sogenannten Rochade bei
       den Museen der Preußenstiftung. Es geht um Geld und Quote. Erstens käme man
       kostenlos zu einem Batzen moderner Gemälde, zweitens hätte eine
       Gemäldegalerie in Mitte mehr Besucher als am Kulturforum. Schließlich ist
       die Besucherquote das entscheidende Argument bei den Politikern, die über
       die Alimentierung der öffentlichen Museen entscheiden und museale
       Qualitäten inhaltlich ohnehin nicht beurteilen können. Die Folge: Hat ein
       Museum zu wenig Erfolg, das heißt, bringt es zu wenig Quote, werden alte
       Konzepte durch neue ersetzt.
       
       ## Immer neue Pläne
       
       Der Prozess des Wertewandels selbst ist selbstverständlich nicht neu. Im
       Grunde hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren anderthalb
       Dutzend Museen seit ihrer Gründung nach dem Krieg einmal entworfene Pläne
       immer wieder revidiert und umgeschrieben. Im Laufe der Zeit sind Planungen
       für Museen angeschoben worden, die konzeptuell bereits veraltet waren,
       bevor sie schließlich baulich vollendet wurden.
       
       Die gerade einmal 14 Jahre alte Gemäldegalerie lässt sich nicht einfach zu
       einem Museum der Moderne des 20. Jahrhundert umbauen. Sie ist als Maßanzug
       für die Alten Meister konzipiert und funktioniert bei genauerer Betrachtung
       tatsächlich wie ein Korsett, das in der musealen Präsentation kaum Bewegung
       zulässt. Ludwig Klenzes Münchner Pinakothek von 1836 war das erklärte
       Vorbild. Damit ist die Gemäldegalerie die gebaute Antithese zur Moderne,
       der sie künftig eine Heimstatt bietet soll. Welch Ironie der Geschichte!
       
       Denn das Gebäude ist praktisch die Revision bestehender, modernistischer
       Planungen aus den sechziger Jahren. Mit Kunstgewerbemuseum,
       Kunstbibliothek, Skulpturensammlung, Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie
       sollte am Kulturforum ein Zentrum der „Europäischen Kunst“ entstehen. Als
       das Kunstgewerbemuseum als erstes Haus nach 19 Jahren Planungs- und Bauzeit
       1985 endlich eröffnet wurde, war die fachliche Kritik verheerend und die
       öffentliche Ablehnung total. Selbst die Bauherren wollten das Museum so
       eigentlich gar nicht mehr haben. Dem Architekten Rolf Gutbrod war die
       weitere Verantwortung für das Kulturforum schon vorher entzogen worden.
       
       Die revidierte Fassung der Gemäldegalerie des Büros Hilmer & Sattler von
       1998 nimmt im Inneren Zuflucht zu Mustern der Vergangenheit. Die
       wissenschaftliche Ordnung innerhalb der 60 samtbespannten Räume stammt aus
       einer Epoche, die in anderen Disziplinen längst überwunden ist. Die Zeiten,
       da man in europäischen Museen ausgestopfte Afrikaner antraf, sind
       glücklicherweise vorbei. Im Fach Kunstgeschichte änderte sich
       vergleichsweise wenig.
       
       Was vom Präsidenten der Preußenstiftung, Hermann Parzinger, nun als neues
       Konzept für den Standort Mitte angepriesen wird, die vermeintliche
       Vollendung der Museumsinsel als „veritablen Berliner Louvre“, hörte man in
       der Vergangenheit schon ähnlich, wenn es um den Standort in Dahlem oder das
       Kulturforum ging. Am Ende kam dann doch alles anders als gedacht. Der
       Dahlemer Museumskomplex interessiert die Stiftung heute wenig. Warum? Weil
       hier fernab vom Stadtzentrum eben keine Quote zu machen ist. Das
       Kulturforum als Ort der europäischen Kunst? Das war einmal. Was scheren die
       Konzepte von gestern, wenn sie zu wenig Besucher bringen. Die Kehrseite der
       Konzentration der Museen in Mitte sind Ruinen, Leerstellen und
       Konzeptionslosigkeit in der Peripherie.
       
       In Wirklichkeit aber sehen die aktuell gültigen Pläne für die Museumsinsel
       auch nicht gerade überzeugend aus: eine Gemäldesammlung, zweigeteilt in
       nordalpin in der Peripheripie in den Museumshöfen und südalpin im
       Bode-Museum? Darin zwischen den Bildern zudem eine Skulpturensammlung, wo
       doch Gemälde Licht von oben, die Plastik aber Streiflicht braucht, wie
       jeder Museumsfachmann weiß. Warum überhaupt die europäische Malerei neben
       der Archäologie des Vorderen Orients und der Kunst des Islam auf der
       Museumsinsel ausstellen? Wirklich zwingende Gründe dafür gibt es nicht.
       Genauso wenig wie die Unterbringung der außereuropäischen Museen in einer
       Schlossattrappe namens Humboldt-Forum, in das sie sich die Sammlungen unter
       dem Diktat einer feudalen Fassade einrichten müssen.
       
       ## Schnell durchschleusen
       
       In Wirklichkeit geht es bei all diesen seltsamen Ideen nur um eines: um die
       Quote. Möglichst viele Besucher möglichst schnell durch „600.000 Jahre
       Menschheitsgeschichte“ zu schleusen ist ja der Zweck der im Bau
       befindlichen „Archäologischen Promenade“ als unterirdische Verbindung
       zwischen den Museen auf der Museumsinsel. Hohe Besucherzahlen haben oberste
       Priorität. Dass Museen einen Bildungsauftrag haben, dass sie
       wissenschaftliche Einrichtungen und ihre Bestände Objekte der Forschung
       sind, rückt in der Rangfolge der Werte in den Hintergrund. Depots und
       Werkstätten für die wissenschaftliche Arbeit der Häuser werden gleichzeitig
       in die Peripherie verschoben.
       
       In Friedrichshagen, nahe dem Müggelsee, soll bis 2014 eine ganze
       „Speicherstadt“ als Magazin-Standort für die gesamte Preußenstiftung mit
       einer Nutzfläche von rund 50.000 Quadratmetern entstehen. Ein Ort, der dem
       öffentlichen Publikumsverkehr entzogen bleibt. Bücher, Akten oder
       Kunstgegenstände sollen bei Bedarf per Lkw zurück in die Innenstadt
       gebracht werden. Begründung vonseiten der Preußenstiftung: „Teurer Baugrund
       in den Zentren Berlins soll in Zukunft möglichst wenig durch platzintensive
       Depoträume belastet werden.“ Einmal mehr regiert das Geld die Entscheidung.
       
       Dafür darf man den Museumswissenschaftlern ruhig den Umgang ihrer eigenen
       Sammlungen so schwierig wie möglich machen. Besucherquote, Umsatzzahlen,
       Steigerung des Bruttoinlandprodukts am jeweiligen Standort durch
       kaufkräftige Museumstouristen, das sind die Kriterien, an denen sich die
       einstigen Musentempel heute messen lassen müssen. Die viel beschworene
       Kultur wird selbst zum Konsumgut, das Museum zum Siteseeing-Event. Die
       Umstrukturierung der Museumskonzepte bei der Stiftung Preußischer
       Kulturbesitz legen daher nur eine Vermutung nahe: Der Glauben an den
       ideellen Wert der Kultur weicht zurück hinter die Macht handfester Zahlen.
       
       23 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Berg
       
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