# taz.de -- Suharto-Aufarbeitung in Indonesien: Ein monströses Verbrechen
       
       > Im Zuge der Kommunistenverfolgung wurden in den 1960er Jahren in
       > Indonesien rund eine Million Menschen umgebracht. Nun werden Unrecht und
       > Leid dieser Zeit anerkannt.
       
 (IMG) Bild: Hinterließ ein dunkles Erbe: Indonesiens früherer Diktator Suharto.
       
       BERLIN taz | Auf diese Worte haben die Opfer der Suharto-Diktatur lange
       warten müssen. „Nach eingehendem Studium von Zeugenaussagen und Dokumenten
       ist das Untersuchungsteam zu den Ereignissen von 1965 bis 1966 zu dem
       Schluss gelangt, dass damals schwere Menschenrechtsverletzungen begangen
       wurden.“
       
       Dies erklärte der Vorsitzende des Untersuchungsteams der indonesischen
       Menschenrechtskommission, Nur Kholish, am Montag in Jakarta. Die im Zuge
       der Kommunistenverfolgung begangenen Verbrechen umfassen laut Kommission
       „Mord, Vernichtung, Freiheitsberaubung, Folter, Misshandlung,
       Vergewaltigung, Zwangsarbeit und Vertreibung“. Verantwortlich für die
       Gewalt seien die Kommandeure der damaligen Sicherheitskräfte, so Nur
       Kholish. Gegen diese, so die Empfehlung der Kommission, solle der
       Generalstaatsanwalt ermitteln.
       
       In der Nacht zum 1. Oktober 1965 ereignete sich in Indonesien ein Putsch,
       dessen Hintergründe bis heute nicht genau geklärt sind. Sechs Generäle und
       ein Leutnant wurden entführt und ermordet. Suharto, der prowestliche
       Vizechef der Armee, schob die Schuld daran der Kommunistischen Partei (PKI)
       in die Schuhe und veranlasste eine beispiellose Hetzjagd auf Kommunisten –
       mit massiver Unterstützung der westlichen Welt. Indonesien hatte Mitte der
       60er Jahre die drittgrößte kommunistische Partei der Welt.
       
       Bis zu einer Million vermeintliche und tatsächliche Kommunisten wurden in
       den folgenden Monaten ermordet. Hunderttausende landeten in Gefängnissen.
       Die politische Landkarte Indonesiens wurde neu gezeichnet. Präsident
       Sukarno wurde von Suharto entmachtet, die PKI sowie unabhängige
       Gewerkschaften wurden verboten. Neue Investitionsgesetze schufen die
       Grundlage für die Ausbeutung von Indonesiens Rohstoffen durch westliche
       Unternehmen.
       
       Zwar drohte der Militärdiktatur Suhartos danach keine unmittelbare Gefahr,
       doch hielt dieser die Angst vor dem „Chaos“ lebendig. In den
       Geschichtsbüchern gilt der Mord an den Generälen bis heute als Verbrechen
       der PKI. Die darauf folgenden Massenmorde finden dort entweder nicht statt
       oder werden als spontane Racheakte von Zivilisten an Kommunisten
       dargestellt.
       
       ## Systematische Gewalt
       
       Die Menschenrechtskommission spricht in ihrem Bericht dagegen von
       systematischer Gewalt. Das Untersuchungsteam hat seit 2008 exakt 349 Zeugen
       für den mehr als 800 Seiten umfassenden Bericht befragt. Das Thema 1965 ist
       in Indonesien noch immer politisch hochsensibel. [1][Keiner der ehemaligen
       politischen Häftlinge wurde entschädigt]. Zudem gibt es enge Verbindungen
       zwischen damaligen Tätern und heutigen Amtsträgern. Der (inzwischen
       verstorbene) Schwiegervater von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono führte
       1965 die Spezialtruppen des indonesischen Militärs an.
       
       Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass der Bericht der Kommission
       nie erscheinen würde. Daher wurde seine Verabschiedung von Opferverbänden
       begrüßt. „Ich bin sehr ergriffen“, sagt Bedjo Untung, ehemaliger
       politischer Häftling und Vorsitzender der Opfervereinigung YPKP 1965, zur
       taz. „Erstmals wird unser Leid von staatlicher Seite als
       Menschenrechtsverletzung anerkannt“, so Untung.
       
       Gleichzeitig sei er jedoch skeptisch, dass nun wirklich weiter ermittelt
       wird. Einem Gerichtsverfahren vor einem Ad-hoc-Menschenrechtsgerichtshof
       müssten Parlament und Präsident zustimmen. „Yudhoyono wird es nicht
       zulassen, dass sein Schwiegervater öffentlich als Massenmörder dasteht“,
       sagte der Historiker Hilmar Farid, der zu 1965 forscht, zur taz.
       
       Selbst wenn eine juristische Aufarbeitung schließlich noch erfolge, für
       Opfer und Täter käme sie aufgrund ihres hohen Alters wohl zu spät. Hilmar
       Farid: „Anstatt uns an einer Strafverfolgung der Täter abzuarbeiten, die
       nie erfolgen wird, sollten wir die Ergebnisse des bislang unter Verschluss
       gehaltenen Berichts der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Dann könnte
       wenigstens an den Schulen und Universitäten über das in der Vergangenheit
       begangene Unrecht und seine Folgen für die Gegenwart informiert werden.“
       
       25 Jul 2012
       
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